Dienstag, 9. Februar 2016

Übersetzungsknecht

Willkommen auf den Logbuchseiten einer Französischübersetzerin und -dol­met­scher­in. Hier berichte ich aus Berlin, Paris, Cannes, Marseille, München, Hamburg oder Leipzig unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse. Meine gewählte Pers­pek­ti­ve: entweder aus dem In­ne­ren der Dolmetschkabine oder direkt vom Schreibtisch.

Mechanical Turk
In der Kiste des Schachmaschine ...
Neulich bei einer Party der Herr mittleren Alters, der sich als Ingenieur vorstellte: "Es muss frustrierend sein, einen Beruf auszuüben, der bald komplett von Computern überflüssig gemacht sein wird." Zum Glück war ich schlagfertig: "Meinen Sie das Ingenieurwesen?" Gesprochene Spra­che ist nicht mit binären Codes zu be­schrei­ben, sie entzieht sich mathematischen Glei­chun­gen.

Immer wieder strotzt sie nur so von falscher Verwendung von Begriffen, die alle Be­tei­lig­ten aber verstehen, weil sich etwas als Chiffre eingeschlichen hat. Sie zeich­net sich durch Doppel- und Mehr­deu­tig­kei­ten, Metaphern und leider oft auch durch undeutliche Artikulation, Dialekte oder Akzente aus.

Kollegen haben dieses Zitat aus The New York Times gefunden, datiert auf den 8.1.1954: Translating machines will soon take their place beside gramophone re­cords and colour reproduction in the first rank of modern techniques for the spread of culture and science.
... saß ein Mensch
Und während wir alle in Ruhe auf unser neues Grammophon warten, übersetze ich mal weiter.

Beim Übertragen habe ich immer häufiger das Gefühl, die Zwischenräume zwi­schen den Wörtern zu bearbeiten, die kulturellen Aspekte und das jeweilige Hin­ter­land von Redewendungen und Redensarten, von der Etymologie bis hin zur Fra­ge, wer da eigentlich spricht, wann, für wen und in welcher Absicht. Das sind alles ent­schei­den­de As­pek­te, mit denen eine Maschine, die nur zwischen der Eins und der Null differenzieren kann, nicht umzugehen weiß.

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Foto: Schachtürke (Wikicommons)

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