Dienstag, 21. Oktober 2014

Gebetsmühlenartig

Liebe Leserin, lieber Leser, hier schreibt eine Dolmetscherin und Über­setzerin. Meine Fachgebiete Politik und Wirtschaft sind in der Vor­be­rei­tung manchmal etwas trocken. Nicht immer unterhaltsamer ist meine Spezialisierung Medien und Kino.

Ein potentieller Kunde sendet sieben Seiten Kleingedrucktes, den Anhang zu einem Vertrag, es geht um Filmrechtliches, darin sei ich ja Fachfrau, das könnte ich doch längst im Stehsatz haben.

Netter Versuch: Erst das mit dem berühmten Honig, dann auf Vorlagen rekurrieren und anzumoderieren, man würde mich das gerne mal prüfen lassen und die ak­tu­a­li­sier­ten Passagen in Auftrag für eine Neuübersetzung geben.

Am liebsten möchte der Kunde auch nur die Zeilen be­zah­len, die wirklich neu sind. Meine Prüfungs- und Lesezeit, die Datenbankpflege mei­ner Über­setzungen, even­tu­el­le Urheberrechtsverstöße beim Raus­kra­men eines von ein­em anderen Anwalt formulierten Vertragsanhangs scheint der potentielle Kunde nicht im Blick zu haben.

Der Kundent­ext liegt nur als Fotoscan vor. Ich bitte in einer Newsgroup die Kol­legen um Hilfe und werde von sieben Fachleuten auf neun Methoden hin­ge­wie­sen. Eine Über­setzerin macht Nägel mit Köpfen, sie empfiehlt nicht nur Acrobate pro, sie liefert prompt den Beweis. Natürlich sind etliche Auslesefehler drin, aber in der Regel sehe ich einen falschen Buchstaben statt eines Sonderzeichens und keine drei- bis fünfstelligen HTML- oder sonstwas-Codes, wie ich es auch kenne. Das Zäh­len der Zeichen (inklusive Leerzeichen) ist damit einfach.

Und aus Achtpunktschrift in zwei Spalten, sieben Seiten locker gesetzt, wird mal eben ein 14-seitiges Dokument, einzeilig, das entspricht damit dem Drittel eines normalen Spielfilmdrehbuchs, denn es sind knapp 32.700 Anschläge. Es ist ein (da ich Filmjargon kenne) mittelschwerer Text, zwei Hintergründe, Recht und Film, kurz: die Begriffe müssen trotzdem in der Zielsprache nochmal auf inhaltliche Über­­ein­­stim­mung mit dem Bedeutungsfeld der Ausgangssprache abgeglichen wer­den.

Dem Kunden hatte als Preis ein Drittel dessen vorgeschwebt, was ich aufgerufen habe, er habe da im Netz Preise gesehen ... und er meint, ich müsse den Text doch nicht so genau übersetzen, sein Anwalt würde ihn doch gegenlesen, ins Unreine würde durchaus reichen. 

Hier Elemente der Antwort, die mir wie eine Gebetsmühle vorkommt, so oft habe ich mich das schon sagen hören.

1. Mein Preis ist der normale Marktpreis der Übersetzung. Was er im Netz gesehen hat, ist das, was ein Sprachdienstleistungsmakler aufruft, wenn er einen am Ende von deutschen Hausfrauen geschliffenen Murks in einem Drittweltland einkauft.
2. Hat er die Stundensätze seines Anwalts im Kopf? Fordert er von ihm auch um 66,6 % Rabatt? Weiß er, dass unsere Studienzeiten ähnlich lang waren?
3. Pfuschen lässt sich ein solcher Text nicht. Das wäre wie "nur mal so grob und ins Unreine auf der Autobahn 160 Sachen fahren".

drei Kaffeemühlen auf dem Küchenregal, darüber der Schriftzug "POESIE" aus hängenden Buchstaben
Kaffemühlen sind mir lieber. Blick in meine Küche. Die Teile sind in Benutzung.
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Fotos: C.E. (Schriftzug beim Staubwischen
schiefgerutscht)

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