Freitag, 11. April 2014

MwSt/TVA

Bonjour und willkommen! Hier bloggt eine Spracharbeiterin. Französisch in Berlin, Deutsch in Frankreich, das sind regelmäßige Reiseanlässe für mich. Heute starte ich eine neue Rubrik: Made in France.

Aus UNO wird ONU, aus WTO wird OMT, oft drehen sich bei der Reise von Ab­kür­zun­gen aus dem Englischen ins Französischen nur die Reihenfolge der Buchstaben um (inklusive einzelner Zeichen wie das W/M für world/monde). Die Sache ist so lange einfach, wie wir in Deutschland englische Begriffe verwenden.

TVA = VAT
Noch ein Beispiel: VAT und TVA, das Englische value added tax wird auf Fran­zö­sisch TVA, taxe sur la valeur ajoutée. Da wir auf Deutsch mit "Mehrwertsteuer" einen grunddeutschen Begriff ver­wen­den, funktioniert hier der Trick nicht.

MwSt = TVA gehört mit zu den Begriffsdoppeln, die unsereiner einst pauken durfte. Gestern vor 60 Jahren hat Frankreich mit der Erfindung dieser Konsumsteuer ein Modell zur einfachen Be­steuerung seiner Bürger eingeführt. Dieses Modell wurde schnell zur Erfolgsgeschichte à la française: Heute gibt es diese Steuerart nicht nur in ganz Europa, 150 Staaten der Welt haben sie eingeführt.

Davor wurden in Frankreich Herstellung, Verkauf und Gewinn jeweils einzeln be­steu­ert, wogegen etliche kleine Einzelhändler in den frühen 1950-er Jahren auf­be­gehr­ten. Denn daneben gab es weitere produktspezifische Besteuerungen, die durch das einfache Prinzip der Verbrauchssteuer vereinheitlicht wurden. Schon in der Zeit der französischen Revolution wurden Salz, Tabak und Alkohol besteuert. Die Idee, nur den jeweils entstehenden Wertzuwachs zu besteuern, war damals revolutionär.

Erst 1958 wurde die Steuer auf alle Güter und Dienstleistungen ausgeweitet. Mit Inkrafttreten der Römischen Verträge am 11.04.1967 trat auch ein Absatz in Kraft, der die Einführung dieser Steuerart in allen Mitgliedsstaaten der entstehenden Eu­ropäischen Gemeinschaft mit der Begründung vorsah, einen Wettbewerb in der Besteuerung von Verbrauchsgütern innerhalb der Staaten zu vermeiden.

Mit dem, was wir heute wissen, klingt der Satz sehr weise. Zugleich wird die Mehr­wert­steuer bis heute von vielen Menschen als ungerecht empfunden, wird sie doch von allen gezahlt. Menschen mit höheren Einkommen entrichten einen ge­rin­gen Pro­zent­satz bezogen auf diese Einkünfte als Menschen mit kleinen und kleinsten monatlichen Einnahmen, denn bei den Letztgenannten bleibt am Monatsende we­nig oder gar nichts übrig, das gespart werden könnte.
 
In Frankreich gelten übrigens vier Mehrwertsteuersätze. Noch. Es kann sein, dass der neue Premierminister Ma­nu­el Valls, der die derzeitige Krise dazu nutzt, etliche alte Strukturen zu reformieren und zu ver­ein­fachen, auch hier ansetzen wird.

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Illustrationen: Schreibmaschine,
Ministère de l'Économie et des Finances

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