Mittwoch, 11. Dezember 2013

Kulturfalle

Herzlich willkommen auf den Seiten meines digitalen Arbeitstagebuchs. Als Fran­zö­sisch­dol­metscherin notiere ich hier unter Wahrung dienstlicher Ge­heim­nis­se Epi­so­den meines nicht immer erfreulichen Dolmetscheralltags. Heute plaudere ich mal wieder (nicht) aus dem Nähkästchen.
 
Neulich durfte ich kurzfristig das informelle Mittagessen eines fran­zö­sisch­spra­chi­gen Politikers mit deutschen Pressevertretern dolmetschen. Es ging um ein Me­dien­the­ma, das nicht frei ist von Bezügen auf die große Politik, Fin­an­zie­rung der Me­dien und Rechtliches, Stichwort: Welthandelsabkommen.
In den genannten Bereichen arbeite ich oft, die Lexik umfasst mehr als 20 Seiten; zu französischer Filmwirtschaft und -förderung habe ich Mitte der Nuller Jahre an der Uni unterrichtet.

Vor dem Mittagessen war ein Hearing mit Politikern und Fachleuten angesetzt. Ich war eingeladen, diesem aus dem Publikum zu folgen. Zum Mittagstermin war ich übrigens erst am Spätnachmittag des Vortages gebucht worden, 17.20 Uhr. Für den anschließenden Abend hatten wir seit langem  Konzertkarten, an Vor­be­rei­tungs­ma­te­ri­al gab es wenig. Kurz: Ich paukte kurz und intensiv, ging ohne Reue aus und beruhigte mich damit, dass ich noch den Vormittag Zeit haben würde.

Der eben ein Vormittag bei einer verdolmetschen Ver­an­stal­tung war. Schick, dachte ich, die Kolleginnen in der Ka­bine werden länger im Vor­aus gebucht worden sein, die An­hö­rung gut vorbereitet haben. Da kann ich mir noch aktuelle Termini ablauschen und im Netz prüfen, denn von einem früheren Termin vor Ort hatte ich noch Wlan-Zugang.

Nun, vielleicht war nicht nur ich kurzfristig gebucht worden — oder es hatte sich wieder die Kulturfalle aufgetan. Die geht so: "Kultur ist einfach, ich gehe re­gel­mä­ßig ins Kino, kein Problem." Elegantes Paraphrasieren ist eine Kunst für sich, das Hear­ing dauerte drei Stunden mit Pausen, ich klinkte mich also bewusst 30 Mi­nu­ten aus, steckte mir Klassik in die Lauscher, surfte hochkonzentriert durch diverse leicht auffindbare Dokumente und wandte mich dann wieder der Ver­an­stal­tung zu. In der Pause klärte ich mit einem Fachmann noch Hintergründe.

Später durfte ich schmunzeln, das Wort "Meritokratie" fiel auf Französisch, seit ei­ni­ger Zeit macht es ja auch auf Deutsch die Runde, und meine Tischnachbarn tu­schel­ten sich etwas zu, weil offenbar Unklarheit herrschte: Bei ihnen war "Me­di­o­kra­tie" angekommen, und sie fragten sich, ob nun das Herrschaftsprinzip der Me­dien oder das der Mittelmäßigkeit gemeint gewesen sei.
 
______________________________  
Foto: ein anderer Ort, Datenschutz!

1 Kommentar:

Line hat gesagt…

Liebe Caroline,

das musst Du aber etwas ausführlicher schreiben, "Mitte der Nuller Jahre", tse, tse. Du hast sieben Jahre lang unterrichtet, und zwar an den führenden Universitäten und Filmhochschulen der Region!

Am schönsten war Dein Seminar zu den Kinoberufen parallel zur Französischen Filmwoche. Ist Dir eigentlich klar, dass die Hälfte von uns inzwischen im Kinosektor arbeitet?

Alles Liebe,
Line