Donnerstag, 3. Oktober 2013

Vokabelkartei

Herzlich Willkommen auf den Seiten meines digitalen Arbeitstagebuchs! Ich zähle zur großen Schar freiberuflicher Dolmetscher und schreibe hier über den Alltag aus höchst subjektiver Sicht, immer aber unter Wahrung der Dienstgeheimnisse. Heute: Lerntipps.

Von außen betrachtet könnte es so aussehen: Dolmetscher sind wie Zwangs­neu­ro­ti­ker, denn dauernd wiederholen sie ihre mündlichen Prüfungen, ständig lernen sie. Ein wichtiges Utensil dieser schönen, anerkannten Verrücktheit möchte ich heute vorstellen: Die Vokabelkartei.

Im Bild rechts oben sind die vier Vokabelstäpelchen erkennbar. Im Fach Nr. 1 sind die neuesten Vokabeln. Beim Wiederholen und Abfragen wandern alle Begriffe, die ich konnte, ins Fach Nr. 2, was ich aus dem 2. Fach gewusst habe, darf in die Nr. 3 vorrücken usw. Was noch nicht sitzt, geht ein Fach zurück. Damit kann ich die Wie­der­ho­lung der Fachtermini bewusst steuern. Noch ein Vorteil: Das Kästchen ist klein und handlich.

Sogar auf der Fahrt zum Flughafen lerne ich. Seit zwei Tagen lese ich mich in die Materie ein, die Reden und PowerPointPräsentationen kamen wie immer sehr spät. Die meisten Informationen habe ich am Vorabend ver­ar­bei­tet. Am Morgen sitze ich in der BVG und schlage im digitalen Wörterbuch noch Wörter nach. Schnell 'ne Vokabelkarte beschriften, dann umsteigen.

Am Flughafen konnte ich weiterlesen und -lernen, auch im Flugzeug. Gut: Die Karteikarten sind analog, müssen bei Start und Landung nicht heruntergefahren werden.
Am Zielort zücke ich in der Straßenbahn meine Waffen. Den kleinen Vokabelcomputer soll ich auch mit ei­gen­en Vokabellisten füttern können, habe das aber noch nicht ausprobiert. Mir reicht die Komplexität der zwingend notwendigen Technik.

Im Hotel breite ich die neuen Vokabeln aus und über­flie­ge sie wiederholt in Windeseile. Noch kann ich sie nicht. Ich mache mich aber so mit ihnen vertraut. Dann Abendessen, Spaziergang, Sauna. Immer, wenn ich hier vorbeikomme, schaue ich auf die Termini. Ich versuche mich an raschen Übersetzungen, drehe sie um, lasse sie umgekehrt liegen. Schlüs­sel­be­grif­fe wandern sogar in Mantel- und Bademanteltasche.

Vor dem Einschlafen und am nächsten Morgen, der Kongress beginnt erst am späten Vormittag, lese ich weiter, jetzt vor allem auf Inhalt. Zwischendurch prüfe ich immer wieder die Vokabeln, wiederhole neue und äl­te­re Wörter. Das System ermöglicht mir, die Wie­der­ho­lungs­schlei­fen wun­der­bar zu steu­ern. Die kleinen Blanco-Kärtchen gehen zu Neige, leider sind sie nur in Deutschland im Handel.

Eine andere Dienstreise, die gleiche Kartei: Sogar auf Fahrten zwischen verschiedenen Einsätzen, wenn wir z.B. mit einer Delegation von Politikern, Wirt­schafts­ka­pi­tä­nen, Ingenieuren, Gewerkschaftern oder Stu­den­ten unterwegs sind, nutze ich die Karten, hier alte Karten von 2008, die ich im Büro thematisch abgelegt hatte.

______________________________  
Fotos: C.E.

Keine Kommentare: