Montag, 11. Februar 2013

Berlinalegeflüster: Virales

Willkommen et bienvenue beim Arbeitstagebuch einer Französischdolmetscherin und -übersetzerin. Derzeit bin ich auf der Berlinale. (Einige Termine habe ich noch frei.)

Am Potsdamer Platz verbreiten sich Nachrichten sehr schnell. Sonntagvormittag kommen Journalisten aus der Pressevorführung, haben den Wettbewerbsbeitrag "Gloria" (Spanien/Chile) gesehen ... kurz darauf weiß ich, wie ein früherer Student und ich den Film bei der Welturaufführung auf hervorragenden Plätzen und ohne uns wirtschaftlich zu ruinieren zu sehen kriegen werden. Der Film wird sicher was gewinnen, wetten? (Nochmal herzlichen Dank, Axel!)

Manche "Informationen" brauchen etwas länger. Als 2000 der neue Berlinale­di­rek­tor berufen wurde, kannte die ganze Branche seinen Namen schon gut. Mehr noch, und es war die Zeit vor Facebook, durch die "Freunde" ja inflationär vermehrt wurden, jeder Anflug von Ironie war also deplaziert: Sehr oft hörte man von ihm als "mein Freund Dieter" sprechen.

So sehr, dass mir auf seiner zweiten Berlinale ein Bonmot rausrutschte. Herr K., sagte ich, sei der "einzige Mann Deutschlands, der mit Vornamen 'mein Freund' und mit Nachnamen 'Dieter' heißt".

Drei Monate nach der Berlinale trifft sich die Branche in Cannes. Dort waren etliche Film­schaf­fen­de, Filmpolitiker und sonstige verantwortlich Mitarbeitende zu einem Mittag­es­sen mit dem französischen Kulturminister geladen. Neben mir stand Rolf Bähr, der damalige Leiter der Filmförderungsanstalt (FFA). Und als Herr K. um die Ecke bog, sagte er zu mir: "Hier kommt der einzige Mann Deutschlands, der mit Vornamen 'mein Freund' und mit Nachnamen 'Dieter' heißt."


Heute nennt man die Art der Übertragung "viral".

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Foto: C.E.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Glückwunsch, Caro! Silberner Bär für die Hauptdarstellerin von "Gloria", den hattest Du vorhergesagt. Oder hast Du nicht vielleicht doch für die Jury gedolmetscht? Hm, fragt sich nur, welche Sprachen ...
Gruß, Th.

caro_berlin hat gesagt…

Non, cher Th., kein Jury-Dolmetschen diesmal, ich war da nicht Mäuschen. Allein eigene Intuition bzw. Erfahrung.

Vergiss nicht, dass ich z.B. 2005 für die französischen Filmtage Tübingen die Programmkuratorin für "Wettbewerb" und "Neue Filme" war ... und dass sich alle über die Qualität des Jahrgangs einig waren. (Aus meiner Perspektive gilt natürlich auch: Schwein gehabt, war ein gutes Jahr, und mit meiner Zähigkeit des Verhandelns konnte ich fast die Filme kriegen, die ich wollte.)

Leider gab es einige Zeitgenossen, die damals an meinem Stuhl gesägt haben, mit bösen Worten übrigens. Passt hierher, daher bring' ich's jetzt. Kommentar einer regionalen Filmfürstin: "Seid wann suchen die Übersetzer die Filme aus?" Die Dame hatte wohl übersehen, dass ich erst TV-Redakteurin war und dann viele Jahre als Hochschullehrerin Filmgeschichte unterrichtet hatte.

Wie umgehen mit dieser Missgunst und dieser Art von Dummdreistigkeit, wo wir einander auf den diversen Festivalparketts weiterhin begegnen? Hier krieg ich kein Wort raus. Und das mit meinem Job! Darf ich gar nicht laut sagen.

Sorry, hab mich verplaudert. Aber frag mich gerne, wenn du Filmtipps brauchst. Ich bin außerhalb der Kindermonate (Drehzeiten der Eltern) immer gut informiert ;-)

Grüßle, Caro