Mittwoch, 23. März 2011

meubler le silence ...

Technikkisten als Stehhilfen
... nennen es die Franzosen, wenn Stille (le silence) zu füllen ist. Sie haben richtig gelesen, sie wird "möbliert".

Als Dolmetscherin beim Dreh eines Dokumentarfilms wie diesen März für ein französisches Arte-Team ist auch das oft mein Job. Eine Stunde vor dem P.A.T. komme ich an. P.A.T. bedeutet prêt à tourner, drehfertig, im Printbereich bedeutet es prêt à tirer, druckfertig, im Radio P.A.D., also prêt à diffuser, sendefertig.

Maskenbildnerin im Werk
Wenn ich am Set aufschlage, bauen die anderen meist schon seit einer Stunde auf. Ich richte mich schnell ein und bespreche mit Interviewerin und Redakteurin die Themen des anstehenden Interviews. Währenddessen wird eingeleuchtet.

Kurz darauf bekommen die Diskutanten ihre Ohrstecker (une oreillette) 'eingebaut', ich spreche dann Probe. Manchmal dauert es, bis die Leitung steht. Ich muss trotzdem weitersprechen. Nach freundlichen Grußworten suche ich nach Themen.

Es gilt also Stille zu füllen ... Das fällt mir meistens leicht, aber nicht immer. Als Dolmetscherin bin ich darauf spezialisiert, der gedanklichen Spur der anderen zu folgen. Ad hoc eigene Themen zu finden, die zu den Gesprächspartnern passen, ist knifflig, zumal ich mitunter wirklich lieber mein Vorbereitungsmaterial des jeweiligen Interviews nochmal durchgehen würde ...

Dolmetscherarbeitsplatz mit Wasserhahn ...
Passt, ich spreche ja fließend Französisch!
Bei Julia Franck, wir drehen in einer fast leeren Wohnung, fange ich an Steckdosen zu zählen, während die Funkstrecke aufgebaut wird, denn mein Arbeitsplatz wurde in einer nahezu leeren Küche aufgebaut. Ich komme auf elf Stück und höre dabei dem Echo zu, das sich an den Wänden bricht.

Dann darf ich nochmal kurz unter die Leute. Die Gesprächspartner haben immer viele Fragen über den Ablauf, ich antworte, so gut es geht; manchmal kommt die Maskenbildnerin erneut vorbei. Oft bin ich die einzige neben dem deutschen Aufnahmeleiter/Fahrer, die perfekt Deutsch spricht. Ich halte also den Interviewpartner nach Kräften bei Laune.

Küchendolmetschen
mit
Rückkanal (weißes Kabel)
Das führe ich fort, sollte wenig später die Warterei am Set wegen irgendeines Problems andauern. Meubler le silence wie gesagt, dabei hock ich wieder in meinem wie auch immer gearteten Kabuff.

Gerne reiße ich Witze, was indes nicht mit jedem Gesprächspartner geht. Ich muss stets schnell erspüren, was zum jeweiligen Gegenüber passt. Bei den Literaten, die wir diese Woche drehen, ist das meist kein Problem, ich hab mich ja zuvor wochenlang in ihre Literatur vertieft. Aber ich will auch nicht stets und in allen Situationen meinen esprit beweisen müssen.

la feuille de présence/de route - die Tagesdispo(-sition)
Kurz vor dem Dreh gibt's noch ein Tonproblem auf dem französischen Kanal, ich mach mir's einfach: Je reconte les prises de courant de la cuisine: une, deux, trois, quatre, cinq ... (Wie gesagt, elf Steckdosen in der neuen Küche von Frau Franck.)

In anderen Momenten genießen alle gemeinsam die Stille. Dann hören wir:

—  Moteur !
— Tourne !

Los geht's! Und kaum ist das Interview im Kasten, eilen wir weiter ....

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Foto: C. Elias
(Fotos zum Vergrößern bitte anklicken.)

1 Kommentar:

Vincenzo hat gesagt…

Liebe Frau Elias,

das haben Sie sehr lebendig beschrieben. Ich bin ein Kollege aus Italien und zufällig auf Ihren Blog gestoßen. Machen Sie weiter so! In mir haben Sie einen treuen Leser gefunden.

Mit freundlichen Grüßen aus Turin,
Vincenzo