Donnerstag, 11. Februar 2010

Preisgestaltung

Was kostet die Verdolmetschung eines Premierenabends mit gleichzeitiger Moderation? Nennen Sie doch 'mal 'ne Hausnummer!", so lautete in etwa eine Anfrage der letzten Woche. Es geht um einen französischsprachigen Film, und so einfach ist die Antwort nicht.

Auf solche Fragen antworte ich üblicherweise mit einer Gegenfrage. Ich möchte in derlei Situation stets wissen, wie groß der Filmstart ist, erst dann nenne ich meine Preise.

Gehen wir mal davon aus, dass eine Filmkopie um die 800 Euro in der Herstellung kostet. Klitzekleine Verleiher, die nur ein bis zwei Kopien auf den Markt bringen, können mich an einem Abend schon für 100 Euro buchen (in Worten: einhundert). Wer fünf Kopien in Umlauf bringt und damit für diesen Posten 4000 Euro ausgibt, kann mich für ein Fünfundzwanzigstel dieser Summe für den Premierenabend buchen, das sind 160 Euro. Der kleine Filmstart mit nur einer Kopie ist also relativ teurer, ich berechne eben eine Summe für 'Mindestaufwand'. Zehn Kopien kosten den Verleiher 8000 Euro, die Premiere zu dem Film begleite ich gerne für 320 Euro, bei 20 Kopien kommen 640 Euro fürs Dolmetschen und die Moderation hinzu, wir sind noch immer bei 1/25 als Rechentipp für meine Näherungswerte.

Dann flacht die Kurve ab, ca. 750 Euro würde Dolmetschen/Moderieren bei einem Filmstart mit um die 30 Kopien kosten ... bei richtig großen Filmstarts orientiere ich mich am Gesamtbudget des Abends. Anfahrt und Spesen berechne ich separat; der Preis ohne Moderation ist übrigens der Gleiche, denn es kostet mich ja die gleiche Zeit. Nur durch die Verringerung der Vorbereitung kann so ein Abend günstiger werden, wenn ich am Tag für press junkets und den darauffolgenden Abend gebucht werde beispielsweise.

Warum diese Staffelung? 1999 habe ich die Berliner Premiere von "Ressources humaines" (deutscher Verleihtitel: human ressources), den ersten Films von Laurent Cantet, für 300 DM verdolmetscht, den der Verleih "Neue Visionen" im zweiten Jahr seines Bestehens herausgebracht hat, dazu kamen noch drei Interviews. 2008 war mein Arbeitstag plus Abend anlässlich von Cantets Teilnahme am Filmfest München mit "Entre les murs" (Die Klasse) dann das Achtfache wert ...

Ich mag lange, von Vertrauen und gemeinsamem Wachstum geprägte Arbeitsbeziehungen ebenso sehr wie Treue. Und da es natürlich auch heute noch Leute gibt, die ihren ersten Film (oder den ersten internationalen Erfolg) vorlegen, dolmetsche ich auch weiter für Nachwuchspreise, wenn der Filmstart von entsprechender Größe ist.

So bitte ich meine Kunden zunächst um Ehrlichkeit in Selbsteinschätzung und Honorarverhandlung - und anschließend um kritische Evaluierung meiner Arbeit. In den allermeisten Fällen werden schöne, dauerhafte Kontakte daraus. Nur manchmal gibt es Ärger - meistens sind es gar nicht meine Endkunden, die dazu Anlass bieten, sondern die höchst vielfältige Vermittlerebene. Ein Beispiel: Wenn ich wie neulich erst wieder geschehen nicht nur extrem kurzfristig gebucht werde, man mir ohne zu fragen oder sich zu entschuldigen ein Honorar als "das-ist-alles-was-wir-haben!" vor die Nase knallt und dann die Überweisung auch noch Wochen bis Monate braucht, dann ist das nicht gerade comme il faut. Alles schon erlebt, in genau der Abfolge, leider. Und wenn wir im Team arbeiten, trifft es mehrere und wir müssen uns zu mehreren gedulden, was nicht immer einfach ist.

Und es gibt noch einen Grund für meine Preisstaffelung. Goldene Palmen gewinnen "meine" Regisseure nicht jedes Jahr (wie Laurent Cantet vor anderthalb Jahren). Und im Durchschnitt müssen eben Summen herauskommen, die "sich rechnen", ich kann nicht davon leben, nur VIPs zu dolmetschen. Außerdem muss ich als auf Film spezialisierte Dolmetscherin viel sehen. Das Schöne an der Mischkalkulation ist: so werden kleine, zarte Filmpflänzchen indirekt von den Großen gefördert - und ich habe stets den Logenplatz und darf alles aus nächster Nähe über Jahre hindurch beobachten. Auch damit fühle ich mich immer wieder reich entlohnt, aber bitte: Psst, nicht weitersagen!

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Foto: Laurent Cantet im Interview mit Rainer Gansera, Dolmetscherin: die Autorin (die nicht verstimmt dreinschaut, sondern nur konzentriert ;-)

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