Donnerstag, 18. Juni 2009

Handwerk ...

... bedeutet manchmal auch viel Fummeln. Und das, obwohl es nicht immer nötig ist.

Ich bekomme ein Drehbuch zur Übersetzung und habe zwanzig Tage Zeit. 100.000 Anschläge, das lässt sich bequem machen. Die teuersten, frischesten Stunden gehören nun jeden Morgen der Übersetzung, so der Plan. Dann ist in der ersten Woche nicht viel los im Büro, ich übersetze das Drehbuch einmal komplett noch mit etlichen Auslassungen und bunten Markierungen. Dann säubere ich den ersten Teil und meine Korrektorin bekommt ein großes erstes Drittel, fast 40 %. In der zweiten Woche sind komplexe Recherchen dran. Das Buch ist in einem sozialen Milieu angesiedelt, das mir fremd ist. Zwischendurch "säubere" ich weiter.

Irgendwann schreibt die Produktion von einer Neufassung und listet die Szenen auf, an denen erneut gearbeitet wird. Ein Drehbuch umfasst in der Regel 60 bis 80 Szenen - an zehn von ihnen soll nicht gearbeitet werden. Tags drauf kommen die ersten Änderungen. Der Auftakt des Films ist nach dem Vorspann komplett verändert, ein Dutzend Szenen völlig neu ...

Kurz: Als ich wenig drauf die nun definitiv "letzte Fassung" in Händen halte, zähle ich beim neuen Buch 10.000 Anschläge mehr.

Verändert wurde aber mehr als ein Drittel - und das kostet mich mehr als ein Drittel mehr Zeit. Warum? Weil ich Zeile für Zeile aufmerksam vergleichen und die Änderungen einbauen muss. Dabei ist auf den Kontext zu achten, wenn sich eine Replik ändert: Gibt es jetzt Wiederholungen von Verben, Adjektiven usw.? Passt die Sprachhöhe? Oft ändert sich also auch Drumherum etwas, und das kommt zu den vom Drehbuchautor vorgegebenen Änderungen noch hinzu.

Die meiste Zeit geht jetzt fürs Suchen und Schleifen drauf, einfach runterübersetzen ist verglichen damit oft eine rasch machbare Sache. Und der Bildschirm zeigt ständig drei Dokumente an, grau = erste Übersetzung, gelb = neue Passagen. Da ich ja mehrere Wochen Zeit hatte, ging die Produktionsfirma zunächst übrigens davon aus, dass sich am anvisierten Abgabetermin und der Honorarsumme nichts ändern würde. Theoretisch war ich eine Woche länger beschäftigt, da ich ja auch noch die Stunden für die Kollegin arbeiten musste, mit der ich Korrekturlesen tauschte, auch sie hatte ihre Arbeit ja gemacht. Und praktisch wurden aus der Woche zehn Tage, weil ich am Ende dieser Woche noch drei Tage von einem anderen Kunden gebucht war.

Kurze Moral von der Geschicht': Liebe Produktionsfirmen, sendet uns Eure Bücher wirklich erst dann, wenn Ihr sicher seid, dass es bei dem Text bleibt.

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