Mittwoch, 17. September 2008

Fremddeutsch

"In San Francisco gibt es kabelloses Internet vierundzwanzig Stunden lang", berichtet eine deutsche Journalistin, die seit vielen Jahren in Paris lebt, im Radio des französischen Auslandssenders RFI. Wie, nur 24 Stunden lang? Und danach? Was passierte anschließend mit dem W-Lan?

Wer lange im Ausland lebt, wird zunehmend von der Sprache des neuen Heimtlandes beeinflusst, vorausgesetzt, er oder sie lässt sich überhaupt auf das neue Idiom ein. Im Falle von RFI, das in 19 Sprachen sendet, darunter auch auf Deutsch, gebiert das immer wieder nette Stilblüten. Die Deutsch-Muttersprachler der Sendung sprechen nicht selten eine Art Fremddeutsch, das vom 'Parfum' des Gastlandes durchzogen ist. Manchmal kommt es nur ein bisschen eigentümlich daher, aber wenn's schlimm läuft, ist es schlicht falsch und unverständlich.

Hier einige Beispiele mit Kommentar:

- "Eine "Adaptation" des klassischen Kinderbuchs von Saint-Exupéry", sagt der Reporter über den Film "Der kleine Prinz". Nein, auf Deutsch ist es knapper, Adaption ist das richtige Wort, zumindest im Filmbereich.
Fremdworte auf –tion sind gerne mal tricky. Noch ein Beispiel: Akklimatisierung und nicht Akklimatation.

- “Der vestimentäre Stil“... ist irgendwie verständlich, klingt aber wie “agrarische Gerätschaften”, wenn jemand eigentlich Rechen und Harke sagen will.
Besser also: sein Kleidungsstil, der Stil seiner Kleidung.

- "Inzwischen hat einer von vier Immigranten einen höheren Bildungsabschluss, so die Statistik". Auf Französisch heißt es un immigré sur quatre, 'jeder Vierte' oder die auf Deutsch die viel geläufigeren 25 % der Einwanderer.

- "Auf der Eins druckt “Le Monde” ...", im Original: à la Une du "Monde" wird korrekterweise indes zu: "Le Monde macht mit ... auf". Oder: "Die Schlagzeilen von Le Monde gelten" ...
"La Croix öffnet ebenfalls mit Fotos von Blauhelmsoldaten ..." wird zu: "La Croix macht ebenfalls mit Fotos von Blauhelmsoldaten auf". Auf Deutsch ist "der Aufmacher" der wichtigste Artikel auf Seite Eins.

- "kapitale Strafe" – geht auf Deutsch gar nicht für Todesstrafe. Das Kapital, so heißt ein Buch von Karl Marx, derzeit fehlt viel Kapital in der Kultur, alles andre ist analog zum kapitalen Hirsch kein kapitaler Bock, den man schießen könnte, sondern kapitaler Bockmist.

- "paranoisch" – klingt wie ein deutsches Wort, ist aber falsch. Das dem Französischen sehr ähnliche paranoid ist richtig. Oder klingt das wie panamaisch wie irgendwie weit weg, ja?

- franko-kubanische Beziehungen für "die Beziehungen zwischen Frankreich und Kuba" ... das “franko” ist auf Deutsch nicht für etwas, das mit Frankreich zu tun hat, eingeführt. Im schlimmsten Falle denken die Menschen an Spanien, an Franco. Wie, was hat der jetzt mit Fidel zu tun, oder nur, weil beides mit ‘F’ losgeht!??

- “Wie man die Verringerung der Bibliothek des Pariser Goethe-Instituts auch motiviert ...” Was ist denn da los? Der Buchbestand des Goethe-Instituts wurde verringert, die Bibliothek verkleinert. Die Motive der Täter liegen im Dunkeln. Hier geht’s um: Gründe. So dass der Satz so besser klingt: "Wie man die Verkleinerung der Bibliothek auch immer begründet ..."

- "Der Konflikt mit der Jugend ist steril." - Nein, steril sind Tiere oder Menschen, die sich nicht mehr reproduzieren können. Operationsbesteck sollte steril sein. Der Politiker meint das Gegenteil von fruchtbar ... also führt der Konflikt zu nichts, führt ins Leere, hat keinen fruchtbaren Dialog zur Folge gehabt ...

- "Der Politiker, der sich noch nicht als Kandidat deklariert hat ..." - Variablen, Parameter oder Klassentypen werden auf Deutsch deklariert. In Zeiten der Ölkrise neigen die Hersteller von Autos dazu, den Benzinverbrauch von Neuwagen nicht mehr zu deklarieren. Man kann aber auch versuchen, nicht alle Waren beim Grenzübertritt zu deklarieren, weil man sonst Zoll zahlen müsste. Die Inhaltsstoffe der Cremes oder neuer Medikamente müssen aber deklariert werden.
Der gesuchte Ausdruck im vorliegenden Fall: ... der seine Kandidatur noch nicht offiziell angemeldet hat. oder: der sich noch nicht als Kandidat aufstellen ließ.

Ich höre weiter kritisch zu und lerne aus diesen Fehlern von Muttersprachlern, die ein massives "DAF"-Problem haben - DAF steht für Deutsch als Fremdsprache. Ich schalte nur gelegentlich ein, denn zum Glück haben wir den Sender RFI hier "sieben auf sieben", wie ein Journalist der deutschen Sendestunde letztens wieder sagte - sept sur sept oder "7/7" - die ganze Woche hindurch, und das ist gut so, denn ich mag den Sender.

2 Kommentare:

Alexander hat gesagt…

Liebe Kollegin,

eine sehr schöne Zusammenstellung, sehr unterhaltsam. Ähnliche "Perlen" finden sich auch bei deutschsprachigen Belgiern.
Was allerdings die Wendung "auf der Eins" angeht, so hört man die immer mal wieder aus deutschem Journalistenmund. Kann also auch Fachjargon sein ;-)

Alexander

caro_berlin hat gesagt…

Lieber Kollege,

"auf der Eins" ist in der Tat Fachjargon - von Magazinjournalisten und bezeichnet bei den audiovisuellen Medien den Platz, den ein bestimmter Beitrag in der Abfolge der zu sendenden Beiträge bekommt.

Danke für das freundliche feed-back,

Caroline