Freitag, 5. Oktober 2007

Wer nicht hören will, darf ... hören lernen!

Eben lese ich ein Berliner Stadtmagazin, das über die vielen Promis aus Hollywood berichtet, die zu Filmarbeiten herkommen, da erhalte ich eine Anfrage aus Paris: Ein französischer Schauspieler soll kommendes Frühjahr in Berlin drehen, er spielt einen Franzosen, der mit den Alliierten herkam und der aus Liebe zu seiner deutschen Frau hierblieb. Das Problem: Der Schauspieler aus Paris hatte Deutsch in der Schule, und das war's dann auch schon fast. Die Castingfrau aus Paris sagt, er hätte eine sehr harte französische Aussprache (un accent à couper au couteau, mit dem Messer zu schneiden so dick) und sei vor allem durch einen weiteren Deutschlernversuch demotiviert.

Der eine Teil des Problems lässt sich phonologisch erklären: Der Mensch kann nur das aussprechen, was er/sie wahrnimmt. Das kommt daher, dass sich das Gehör im Moment des Erlernens der Muttersprache auf die Frequenzen, Laute und Sprachmelodie der betreffenden Sprache “einschießt”. Und da gibt es zwischen Französisch und Deutsch nun mal klare Unterschiede. Der zweite Punkt ist auch verständlich; es geht also für den Schauspieler auch darum, Spaß beim Lernen (wieder)zugewinnen.

Es gibt Hoffnung. Für Opernsängerinnen entwickelte der Pariser HNO-Arzt Alfred Tomatis schon in den späten 50er Jahren das “elektronische Ohr”, mit dem der Hörende über das sogenannte “Knochenhören” bzw. Lauschen verfremdeter Akustiken (Musik, z.B. Mozart, Gregorianik oder die Stimme der eignen Mutter) wieder in eine Hörtrainingsphase kommt, die der frühkindlichen, sogar embryonalen, nicht unähnlich ist. Der Gehörsinn wird angeregt, die entsprechende Hirnaktivität gefördert, was zu differenzierten Hörleistungen führt, und die wiederum haben als Ergebnis, dass der Betreffende besser moduliert (denn das, was akustisch ‘produziert’ wird, kontrolliert immer das Ohr, s.o.) So kommt es zu Erfolgserlebnissen und die bringen Spaß!

Diese Methode, sie wird “Audio-Psycho-Phonologie” genannt, ist im Filmsektor in Frankreich durch das Beispiel Gérard Depardieu bekannt. Frankreichs berühmtester lebender Schauspieler stotterte als junger Mann, hatte sonst auch noch Artikulationsprobleme und wurde erfolgreich von Tomatis behandelt. Eine andere berühmte Patientin ist Maria Callas.

Heute werden auch Kinder mit Lernstörungen damit therapiert, denn auch da ist die Verbindung zum Gehör augenfällig. Dennoch ist die Methode vor allem aus Kostengründen umstritten, in Deutschland und Frankreich zahlt die Kasse in der Regel nicht, auch nicht die Therapie von Kindern und Jugendlichen. Ganz anders verhält es sich in der Schweiz, wo die Hörschulung inzwischen zum Grundkanon zählt.

Für den Schauspieler heißt es: Grundlagen legen in Paris (Hören und Deutsch-Grundkurs, allein oder in der Mini-Gruppe), dann ab nach Berlin. Die Stadt und ihr Fluidum werden das ihrige beitragen.

P.S.: Nein, ich habe keine solche Schulung absolviert, aber mein Gehör durch frühkindlichen Fremdsprachenkontakt trainiert. Den Rest machte die Musik. Viele "Sprachmenschen" haben eine hohe Affinität zur Musik. Aber das ist ein anderes Thema.

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