Donnerstag, 11. Mai 2017

Ruhm und Arbeit, die Erste

Bienvenue auf den Seiten einer Sprachmittlerin. Wir Übersetzerinnen und Über­set­zer sind derzeit gefragte Menschen, wenn es um die Vorbereitung des Film­fes­ti­vals im süd­fran­zö­si­schen Cannes geht. Sonst verdiene ich meine Brötchen als Dolmetscherin zwischen Politik, Kultur und Wirtschaft und plane Termine bis in den Oktober. Und ich blogge, stets unter Wahrung der im Dienst erfahrenen Ge­heim­nis­se.

STAR als Leuchtschrift und Spiegelung
Gesehen in Berlin-Mitte. Das Internet ...
Einmal kurz das Näschen ge­lupft und schon wieder zwei Tage im Büro verbracht, sogar eigene Kulturtermine ab­sagen müssen. Kostenvoranschläge wer­den oft zu Beginn der Wo­che angefragt, die von mir rasch kontaktierten Ko­ope­ra­tions­part­ner lassen sich Mon­tag­nach­mit­tag Zeit, Dienstag ist woanders Stress, Mittwoch sende ich Reminder, Don­ners­tag werde ich nervös.

Und dann flattert eine Übersetzungsanfrage von Donnerstagabend zu Montagmittag im Umfang eines fetten Drehbuchs rein. Einreichfristen bei Filmförderinstitutionen eben. Die Kolleginnen so: "Aber die wissen das doch nicht erst seit gestern!" Rich­tig. So direkt sage ich das aber nicht weiter. Der Kunde kürzt auf meinen Rat hin. Ich suche. Suche weiter. Erneuere meine Kontaktliste.

Jetzt ist es nun einfach mal so, dass wir in den letzten Jahren sehr viel gearbeitet haben und die Kunden es uns mit regelmäßiger Auftragsvergabe danken. Wir, und hier meine ich diverse Teams, die ich überblicke, mein wachsendes Netzwerk, ar­bei­ten manchmal am Limit, also einige Monate im Jahr, was in unserem Gewerbe nicht so gut ist, denn das Hirn fordert seine Ruhephasen ein.

Filmproduktionsfirmen brauchen nur ab und zu unseren Beitrag, nicht selten von jetzt auf gleich. Wenn dann auch noch die Abgabefrist kurz ist und ein Wo­chen­en­de dazwischen liegt, viele von uns haben unterschiedlich geartete Fa­mi­lien­pflich­ten, wird es verdammt eng.

Nun ist es aber wiederum auch nicht so, dass auf Film und Medien spezialisierte Übersetzer das ganze Jahr ausschließlich das machen UND ständig auf Aufträge warten würden. Eher das Gegenteil ist der Fall: Die einen arbeiten ausschließlich in dem Feld, oft für re­du­zier­te Sätze, da die Akquise wegfällt, z.B. im Verbund mit einem Synchronstudio, sind aber oft ausgebucht. Wir anderen, die wir Synchro has­sen und/oder einen leicht höheren Lebensstandard pflegen und/oder mehr Zeit fürs Private brauchen und/oder dolmetschen, haben in der Zwi­schen­zeit Kunden un­ter­schied­lichs­ter Art gewonnen. Etliche unterrichten ne­ben­bei an der Uni, an den Volkshochschulen oder im Sprachangebot für Ge­flüch­te­te. Kurz: Wer hat ge­ra­de Zeit? In wie­ viele Teile hacken wir das? Wer ist fürs Korrektorat zu­stän­dig, das dann eher eine Schlussredaktion ist?

Sehr wichtig: Wie kriegen wir das so kalkuliert, dass der Endpreis nicht durch die Decke schießt? (Der Film ist noch nicht finanziert, es geht ja gerade um das Ein­wer­ben weiterer Mittel. Ich verdiene an sowas oft nur soziales Kapital.) Und nimmt mir eine der Kolleginnen das Projektmanagement ab? Ich muss ja mei­ne ei­ge­nen Termine koordinieren und dann liegt da noch ein Schreibprojekt mit Recherchen auf dem Tisch.

"Die Tat ist alles, nichts der Ruhm."
(Goethe, Faust 2, IV. Akt, Szene "Hochgebirg", Vers 10188)

Ja, Herr Geheimrat, stimmt. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. So hat Erich Kästner den Gedanken ein bisschen salopper reformuliert. Aber mit etwas Ruhm ließen sich Grundinfos über unsere Arbeitsweise allgemeiner bekannt machen, oder? Dann würden die Menschen nicht immer glauben, unsere Arbeit würde sich fast wie von selbst erledigen (oder demnächst automatisch durch den Kollegen Computer). Dann wären Bitten seltener, Projekte in an­dert­halb Werk- und zwei Wochenendtagen zu erledigen, für die wir normalerweise zwei Wochen kal­ku­lie­ren.

STAR in Neonschrift auf dem Kopf
... stellt manches auf den Kopf.
Mit dem Internet hat der Ge­heim­rat nämlich nicht ge­rech­net. Es stellt so manches auf den Kopf, denn es gaukelt zu oft unseren potentiellen Kunden vor, dass alle Talente gleicher Qualität immer und sofort zu finden sein müssten.

Also ist die Tat künftig fast alles, aber der Ruhm darf trotzdem nicht außer acht gelassen werden.

Wobei ich denke, dass Goethe durchaus den eigenen Ruhm im Blick hatte. Im Fall von Künstlern, die Neues schaffen, halte ich das für legitim. Unsere Kunst ist die der Re-création, des Erschaffens von etwas auf der Spur von Bestehendem. Bislang gehört zu unserem Berufsbild, vornehm hinter den von uns ins Licht Gesetzten zu­rück­zu­tre­ten. Zugleich sind wir ebenfalls Urheber, z.B. von literarischen Über­set­zun­gen (und von Filmübersetzungen, Untertiteln usw.)

Am Ruhm werde ich künftig wohl arbeiten müssen. Nicht einfach, wo ich doch so schüch­tern bin. Also das wirkliche Ich, das hier tippt, ist schüchtern, nicht aber die Dol­met­sche­rin­nen­kunst­fi­gur, die regelmäßig neben den Deneuves, De­par­dieus und De­par­dons die­ser Welt auf den Festivalbühnen steht und sie vertont. Das war bis­lang mein Trick zur Überwindung des Lampenfiebers, du trac: Ich spiele diese Dol­met­sche­rin nur. Und genau diese Persona steht in diesem au­to­bio­fik­tio­na­len Ar­beits­ta­ge­buch im Mittelpunkt.

Jetzt bin ich aber vom Thema abgekommen. Und morgen, Freitag, dürfen dann fünf Angebote raus, eines davon in drei Va­ri­an­ten. Weil die Kunden nicht nur mit­un­ter spät dran sind, sondern auch im Vorfeld nicht immer genau wissen, was letzten Endes gebraucht werden wird. (Keine Angst, rechtzeitig vor dem Ter­min wird dann unterschrieben.)

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Foto: C.E.

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