Dienstag, 30. Mai 2017

Erschließungskern

Was eine Französischdolmetscherin so alles erlebt, können Sie hier mitlesen. Ich arbeite mit den Sprachen Französisch und Englisch. Meine Fachgebiete sind Politik und Wirtschaft, Medien/Kino, Kultur, Soziales, Ökologie und Architektur mit dem Schwerpunkt Innenarchitektur. Heute geht's um Wasser.

Mit einem Kunden ein linksseitig knapp geschnittenes, also krummes Waschbecken für ein noch krummeres Badezimmer suchen, während bei ihm in der künftigen Wohnung die Wand zwischen Küche und Bad aufgerissen wird für den zentralen Versorgungsschacht, das sind Erfahrungen, die Dolmetscherinnen bei über 30° Cel­sius auch machen können. Dann gewittert es so stark, dass wir Gefangene sind.

Und der "Versorgungsschacht" heißt gar nicht so, sondern "Erschließungskern".

la vasque de salle de bain – das Badezimmerwaschbecken
Was freue ich mich einmal mehr über Schönheit und Knappheit der deutschen Sprache! Die an­de­ren Idiome, die ich heute im Angebot habe, brauchen dafür viel mehr Wörter und Anschläge: a back-to-back plumbing infrastructure wall oder la gaine centrale de via­bi­li­sa­tion/rac­cor­de­ment. Das taugt jedenfalls nicht für Scrabble.

Wir wurden leider nicht fündig. Jetzt müssen wir im Internet weitersuchen und dort etwas bestellen. In Paris sind die Badezimmer kleiner. Mal sehen ...

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Fotos: C.E.

Montag, 29. Mai 2017

"Binge Learning" vs. echtes Lernen

Hallo, hier bloggt ei­ne Sprach­ar­bei­te­rin. Ich über­set­ze und dol­met­sche. Ar­beits­spra­chen: Fran­zö­sisch (aktiv und passiv) und Englisch (nur Aus­gangs­spra­che). Die Einsätze sind nur die jeweilige Spitze des Wissenseisbergs. Die Hauptarbeit ge­schieht in Vor- und Nachbereitung. Das ist der Eisblock unter der Spitze.

Vor fünfzehn Jahren hörte ich zum ersten Mal von Binge drinking, Komasaufen.

Infotafel Denkmal Rieselfeld Großbeeren
Rieselfeldinfo, im Vorbeirennen dokumentiert ...
Wir Spracharbeiter kennen gelegentlich das Phänomen des Binge learning. Wir kom­men uns immer wieder vor wie die Prüflinge, die auf den letzten Drücker ... als hätten wir unsere Materialien nicht rechtzeitig organisiert, das Lernen nicht gut struk­tu­riert und vor allem nicht beizeiten angefangen. Alternativ geht als Ausdruck auch compulsive learning.

Zwanghaftes Lernen geht schon in die Richtung einer seelischen Störung, "bu­li­mi­sches Lernen", Reinfressen und Rauskotzen, ebenso. Wenn es nicht die Seele ist, so kann derlei Phänomen auf suboptimales Zeitmanagement zurückgehen. In 80 % der Fälle waren wir selbst übrigens gar nicht zu spät dran. Da hängen wir Sprach­ar­bei­ter schlicht und ergreifend davon ab, was uns die Kunden a) nicht, b) in Etappen oder c) zu spät zur Vorbereitung zuschicken.

[Kurzer Sidekick: Manche Endkunden erfahren von unseren Ma­te­rial­wün­schen rein gar nichts, gerade wenn Sprachmakler, die sogenannten Agenturen, im Spiel sind. Diese sind nicht selten Meister im Abblocken direkter Kontakte, um die Kontrolle über die Kundendaten zu behalten, verständlich, aber sie behindern uns in der Ar­beit und gefährden damit die Qualität des Einsatzes.]

Im Fall von a), gar keine Informationen, erreicht mich am späten Vorabend einer Ackerbegehung dann schon mal die entsetzte Frage einer Kollegin, wo denn bit­te­schön der Referent seine PowerPointPräsentation abspielen möchte. Madame, das war Hintergrundmaterial aus der allerersten Aussendung meinerseits und enthielt desweiteren gut sichtbar das Datum 2014. Und ja, ich kann die bange Frage kurz vor knapp verstehen, der Stress erhöht bei uns allen den Grad der Nervosität.

Und dann treffen wir vor Ort ein und es warten plötzlich — Überraschung! — drei völlig unbekannte Präsentationen, von illustrierten Grafiken unterstützt, in einem kleinen Konferenzraum auf uns und darin mindestens zwei Dutzend nicht vor­be­rei­te­ter Fachbegriffe. 

Der teilgeschlossene, urbane Wasserkreislauf
Wasseraufbereitung heute, gesehen in Charlottenburg
Mancher Redner mag sich wun­dern, wenn wir, wir sind noch immer beim Beispiel Acker­be­ge­hung und Vor­be­rei­tung, an­schlie­ßend freund­lich um die Zu­sen­dung nämlicher PowerpointPräsentationen bit­ten.

Denn uns geht es wie Po­li­ti­kern: Nach der Wahl ist vor der Wahl, nach dem Einsatz ist vor dem Einsatz.

Damit das Binge Learning beim nächsten Mal nicht ganz so schlimm wird, bereiten wir uns nach. Für mich bedeutet das: Jeden Tag, auch samstags und sonntags, zwei Stunden mit meinen Sprachen zu tun zu haben ... und mit spannenden In­hal­ten!

Mein Lernschwerpunkt im Englischen derzeit: Akzente und Verfestigung dessen, was wir bei den Konferenzen erfahren haben. Ab morgen: Böden, Wasserreinigung, Bodenrehabilitation, Erosion, Kleinstlebewesen und Biochemie auf dem Acker, verteilt auf mehrere Tage, Stichwort: #Lernzyklen. Dazu gleich noch der Link zum textlastigen Foto in höherer Auflösung: Rieselfeld_Großbeeren (groß) (15,8 MB).



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Fotos: C.E. / Film: United States Studies Centre

Sonntag, 28. Mai 2017

Work hard, party hard

Hallo, hier bloggt ei­ne Sprach­ar­bei­te­rin. Ich über­set­ze und dol­met­sche. Ar­beits­spra­chen: Fran­zö­sisch (aktiv und passiv) und Englisch (nur Aus­gangs­spra­che). Zeit für die Sonntagsbilder vom Ufer des Landwehrkanals.

Wer hart arbeitet, darf auch feste feiern. Und ich freue mich mal wieder über die Groß- und Kleinschreibung!

Und rasch noch einen Kommentar der Textkünstlerin Barbara, die ihre Texte im öf­fent­li­chen Raum hinterlässt: "Wenn Donald Trump jetzt von seinem Amt als Prä­si­dent der USA zurücktreten würde, indem er verkündet, dass seine Kandidatur nur eine Kunst­per­for­mance war, um den Menschen aufzuzeigen, wie weit man es mit Beleidigungen, Lügen, Rassismus, Diskriminierungen und Hassattacken auch in un­se­rer Zeit noch bringen kann, dann würde er als größter Künstler aller Zeiten in die Geschichte eingehen."

Das sollte dem tumben, eitlen Gecken mal jemand zuflüstern.

Picknick im Baum
Das Eis, das Kind und Mamas Schuhe
Leser am Landwehrkanal
Serie "Sonntag am Landwehrkanal"

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Fotos: C.E.

Samstag, 27. Mai 2017

Gentrifidingsbums

Bienvenue auf den Seiten einer Sprachar­bei­te­rin. Wir Übersetzerinnen, Über­set­zer, Dolmetscherinnen und Dolmetscher arbeiten meistens zu Hause im eigenen Arbeitszimmer. Daran werden auch steigende Mieten erstmal nichts ändern. Nur manchmal möchte ich mein Schlafzimmer außerhalb der Wohnung haben.

Wohnen in einem sogenannten "hippen" Kiez: Als wir vor 20 Jahren hergezogen sind, haben wir noch Kopfschütteln geerntet — "... wie kann man nur ins soziale Sperrgebiet ziehen?" Heute gelten wir als hipper Wohnbezirk: Der unsanierte Dach­rohling kann da schon mal 3000 Euro den Quadratmeter kosten. Hier heute zu woh­nen be­deu­tet z.B. an einem Werktag, kaum zur Ruhe zu kommen.

YOUR MONEY DESTROYS BERLIN
Aus der Nachbarschaft
Im Nachbarhaus, das scheib­chen­wei­se verkauft worden ist, bil­ligs­ter sozialer Woh­nungs­bau­stan­dard, der nach der Hin­zu­fü­gung einiger Ei­mer Wand­far­be und gül­de­ner Wasserhähne statt im Einkauf (en bloc) 900 Euro den Qua­drat­me­ter nun um die 4000 Euro kosten soll, hat die Zahl der Fe­rien­woh­nun­gen in­fla­tio­när zu­ge­nom­men ... und ja, das ist mir nicht egal.

Im Haus, es wurde in den Neunziger Jahren gebaut, scheint etwa die Hälfte der Wohnungen verkauft zu sein, der Rest steht leer. Die Nachbarn von einst leben am Stadtrand, wo plötzlich (wie im Märkischen Viertel) neue Schulen gebaut werden mussten. Umzug, Neubau und den Leerstand von Schulen im Kiez zahlen wir alle mit unseren Steuern. Das große Geld machen damit andere.

Seither stoßen in unserer Straße Welten aufeinander. Hier die ruhebedürftige werk­tä­ti­ge Be­völ­ke­rung mit oder ohne Kindern, dort das Partyvolk mit oder ohne geregelten Tag-/Nachtrhythmus. Und das Nachbarhaus zur anderen Seite wird nach zehn Jah­ren erneut saniert, dieses Mal, so fürchte ich, ist die Edelsanierung dran, die Preis­spi­ra­le dreht hoch. Übersetzt heißt das: An der einen Seite zum Hof wird bis vier Uhr in der Früh Party gemacht, an der anderen Seite zum Hof rattert ab sie­ben Uhr der Schlagbohraufsatz, der Fliesen runterreißt, in der Mitte kraucht die Ein­woh­ner­schaft auf dem Zahnfleisch, denn solche Spitzen filtern selbst Ohropax nicht so ele­gant weg.

Zehlendorf günstiger als Neukölln
Titel vom 22.5.2017
Die Nach­bar­schaft ist bereits einmal durch­gen­tri­fi­ziert, die Ver­drängung der Gentrifizierer von vor zehn Jah­ren steht an. Und heute beginnt der Ra­ma­dan. Migrantische Namen sind auf dem Klin­gel­feld selten geworden. Aber aus den an­lie­gen­den­ Stra­ßen kommen oft noch Menschen mus­li­mi­schen Glaubens an den Kanal, wer will es ihnen ver­den­ken, und gerade die Jungen haben am Ufer ihren Spaß, der sich oft nicht von dem der Par­ty­ma­cher un­ter­schei­det, den Alkohol den­ken wir uns jetzt mal weg. Und Fas­ten­bre­chen fin­­det nach Son­nen­un­ter­gang statt. Nachts schallt es von bei­­den Sei­ten.

Ich übertreibe nur leicht. Samstag gilt übri­gens als Werktag. Bleibt der Sonntag zum Ausschlafen. Das muss reichen! Das Bruttosozialprodukt ruft.

Diese Woche kam zum Sonntag großzügigerweise noch der Himmelfahrtsdonnerstag hinzu. Naja, ich durfte arbeiten. Und kurz aufseufzen, als ich die Wandschmiererei in der Nach­bar­schaft sah, das stimmt leider so sehr ... Das Dilemma wäre übrigens mit klu­gen Gesetzen vermeidbar.

Für einen Dolmetschtermin im Kiez haben wir vor einigen Jahren das Wort "Gen­tri­fi­zie­rung" durch "Verdrängungssanierung" übersetzt, ein Übersetzerkollege fand das Wort nach einem Suchappell über ein "virtuelles Café" im Netz.

Meine Links der Woche sind Artikel über den Mietspiegel: "Warum Berliner Mietern teure Zeiten bevorstehen" und "Altbaumieten steigen am stärksten" (Tagesspiegel).

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Fotos: C.E., Beatrice Höller

Freitag, 26. Mai 2017

Pershing

Bonjour, hello und guten Tag! Hier können Sie Innenansichten aus dem Dol­met­scher­all­tag lesen. Ich arbeite mit den Sprachen Französisch (Ausgangs- und Ziel­sprache) und Englisch (nur Ausgangssprache). Nach dem Dolmetscheinsatz über­trägt der Kopf munter weiter, es sei denn, ich lenke ihn mit Musik ab. Er bleibt aber intellektuell wach: Er liest alles, was uns am Weg begegnet.

Kleines Freizeitmotorboot mit dem Namen "Pershing"
Am Landwehrkanal
Nein, ich kann mir nicht vor­stel­len, wie gewisse Tes­tos­te­ron­pro­du­zen­ten auf den Ge­dan­ken verfallen sein mögen, ihr motorisiertes Bin­nen­ge­wäs­ser­ge­schoss aus­ge­rech­net "Pershing" zu nennen. Als Kind der Mauer und des Kalten Krie­ges steht für mich der Na­me "Pershing" für das Wei­ter­dre­hen der Rüs­tungs­spi­ra­le vom Beginn der acht­zi­ger Jah­re.

Der Rüstungswettlauf war einer der Gründe für das Ende des Ostblocks und des lange Zeit unsere Welt beherrschenden binären Modells. (Inzwischen leiden wir unter anderen Formen der Schwarzweißmalerei, die für anderes Leid sorgen.)

Dass die Rakete einen menschlichen Namenspaten hatte, erfuhr ich erst ein Jahr­zehnt später auf einem meiner Besuche in Nordamerika. Denn etliche Städte der USA haben ihren Pershing Boulevard, benannt nach John Joseph Pershing, einem General des Ersten Weltkrieges. (Meine Irritation hätte größer nicht sein können, denn zunächst bezeichnete der Name für mich ja nur die Interkontinentalrakete.)

Als ost-westdeutsches Kind war mir der Gedanke unerträglich, dass im Kriegsfall die männlichen Mitglieder meiner Familie aufeinander schießen müssten, also rein theoretisch zumindest, denn in unserem Fall kam es durch die DDR-üblichen frü­hen Familiengründungen zu einer Generationenverschiebung. Aber solche bio­gra­fi­schen Hintergründe führen häufig zu Pazifismus, und das ist sehr gut so.

Müder Heimweg vom Dolmetscheinsatz also, Müdigkeit wirkt sich aus wie der Kon­sum von Alkohol. Ich radele nicht nur sehr langsam, sondern lasse Haupt­stra­ßen links liegen, nehme kleine (S)Trampelpfade, fahre am Kanal entlang, genie­ße die Natur. Und als ich kurz dem "Sommerschnee" nachträume, das Wort stammt vom weltbesten Patenziehsohn, fällt mein Blick auf dieses Privatschiff. "Frei­tag nach eins macht jeder seins", den Spruch kenne ich noch aus der DDR. Und ich mach das jetzt auch.

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Foto: C.E.

Donnerstag, 25. Mai 2017

Weiterlernen

Bonjour und hallo! Hier lesen Sie regelmäßig Diverses aus der Dolmetscherkabine, vom Über­set­zer­schreib­tisch und aus der Welt der Idiome. Gerade geht es um Re­gen­wür­mer, Mil­ben, Spinnen, Bestandteile der Böden, chemische Prozesse. Der Schreibtisch war auf einer Konferenz bzw. unterwegs in diversen Betrieben.

Was für eine Woche! Die Gesamtheit meiner Chemie- und Physiklehrer würde sich wundern, der Biolehrer hat es immer schon gewusst: In mir steckt eine Na­tur­wis­sen­schaft­le­rin. (Mein Notenblatt in der Schule hat dermaleinst allerdings etwas anderes ausgesagt.)

Menschen, die im Kreis stehen
Aufwärmübung
Nachdem wir im April mit den Jungbauern aus aller Welt zu tun hatten, dem #RuralFuture Lab, haben wir diesen Mai ei­ni­ge Tage mit Menschen aus aller Welt verbracht, die in diversen Ministerien, im Be­reich der Ausbildung, der Ent­wick­lungs­zu­sam­men­arbeit mit Landwirtschaftsthemen zu tun haben. Im Zentrum der Arbeit steht der Acker und die Rehabilitation von Böden.

Wir dolmetschen auf der Global soil week / #GSW17. Ich liebe dieses Thema, das viele naturwissenschaftliche Bereiche verbindet, weil es einmal mehr aufzeigt, was meiner Generation Hoimar von Ditfurt schon in den 1970-er Jahren bei­ge­bracht hat, wir haben es damals mit der Muttermilch aufgesogen, hatten viele Lehrer, die uns früh informiert haben: Alles hängt mit allem zusammen und ist endlich. "Die Grenzen des Wachstums", so der 1972 vom Club of Rome ver­öf­fent­lich­te Bericht, schwebten schon damals über unseren Köpfen.

Intensive Tage sind das. Ich hoffe auf eine ruhige Sommerpause, um hier noch In­hal­te nachzutragen. Ich merke zudem täglich, wie sehr ich ständig an in­ter­kul­tu­rel­len Kommunikationsformen weiterarbeiten muss. Ja, auch nach Jahrzehnten noch gibt es Fettnäpfchen, von denen ich keine Ahnung hatte. Zum Glück sind mei­ne Gegenüber ge­schult, nachsichtig und freundlich und geben einer ihrer zen­tra­len Informationsvermittlerinnen auch Informationen zurück. Genau das liebe ich an meinem Beruf: das ständige Weiterlernen! Auch wenn es manchmal be­deu­tet, dass ich bis elf Uhr abends noch pauken darf.

Zwischendurch gibt es sogar noch einen kleinen Tourismusanteil (auch zu dol­met­schen). Auch dafür vielen Dank an die Veranstalter. Beim Abendessen zuhause dann durch ös­ter­rei­chi­sche Freunde ein neues Wort kennengelernt: Den Ungustl (pl. Un­gus­tln). Das Wort, wobei gerne auch "das" Ungustl verwendet wird, bezeichnet ei­nen un­sym­pa­thi­schen Mann mit groben Manieren. Wir hatten es vom Prä­si­den­ten­(dar­stel­ler) der USA, und ja, irgendwie gewähltes Oberhaupt, aber wie!



______________________________ Foto: C.E.

Sonntag, 21. Mai 2017

Himmel!

Welcome, guten Tag, bonjour ... auf den Blogseiten, die in der Dol­­met­­scher­ka­bi­ne und am Übersetzerschreibtisch entstehen. Ich arbeite in den Bereichen Politik, Kultur, Wirt­schaft und Soziales. Meine Arbeitssprachen sind Deutsch, Französisch (Ausgangs- und Ziel­spra­che) und Englisch (nur Aus­gangs­spra­che). Heute: Sonn­tags­fo­to.
 
Ein Berliner Sonnensonntag mit Hinterhöfen. Im Vorbeigehen entdecke ich ein neues Fotomotiv. Und der Himmel ist auch hier spektakulär, ein Bild mit Rahmen.

Fassade, Mauer, Fassade: Dazwischen strahelender Himmel
Pars pro toto
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Foto: C.E.

Samstag, 20. Mai 2017

POV: Ohne Wände

Hier bloggt eine Dolmetscherin für die französische Sprache, die auch übersetzt. Heute POV: Der nur knapp kommentierte sub­jekti­ve Blick aus der Spracharbeit und dem, was damit zusammenhängt. Jetzt gerade in der Kabine ...

Abgespeckte Dolmetscherkabine
... fehlt die Schallisolation. Wir sitzen hinten im Raum. Wir haben hier die übli­chen Kopfhörer, in denen der Ton des Podiums und die Fragen aus dem Publikum erstklassig ankommen, unsere Mikros, zwei Tisch­lich­ter, unsere Rech­ner und W-lan. Also alles wie in der Kabine, nur die Wände fehlen.
Das Publikum hört uns als Gemurmel im Hintergrund.

Für eine kleine wissenschaftliche Konferenz, die einen Dreivierteltag dauert, stellt diese Möglichkeit eine erhebliche finanzielle Ersparnis dar im Verglich zur Box. Bei spannenden Themen sind wir zu derlei gerne bereit.

Inhaltliche Notiz: Gewalt gegen Frauen ist in Frankreich nur deshalb nahezu aus­schließ­lich und höchst aus­dif­fe­ren­ziert sta­tis­tisch für mi­gran­tische und arme Be­völ­ke­rungs­an­tei­le in den ban­lieues, den Vor­städten, belegt, weil es derlei Un­ter­su­chun­gen und Statistiken in den Städten und Quar­tie­ren der Wohl­ha­ben­den schlicht und ergreifend nicht gibt.

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Foto: C.E.

Freitag, 19. Mai 2017

Auf dem Schreibtisch XXXXI

Mitten in ei­nen Blog aus der Ar­beits­welt sind Sie rein­ge­ra­ten: Bon­jour und herz­lich will­kom­men! Hier stehen kurze (anonymisierte) Episoden aus meinem mit­un­ter sehr vielseitigen Alltag, Gedanken zu Kultur und Sprache sowie Hinweise zu meinen Arbeitsfeldern.

Füller, Miniaturharke, USB-Stics, Schraubenzieher, Stifte und "TOMATE Moneymaker"
Blick auf den Schreibtisch
Neulich habe ich die besten To­ma­ten­sa­men der Welt entdeckt. Really! It's great!
Und nach der Berlinale, dem Achtung­ber­lin Film­fes­ti­val sowie dem Filmkunstfest MV bin ich vom 17. bis 29. MAI in BERLIN. Cannes kann |mich mal| ohne mich sein 70. Jubiläum feiern, endlich mit der Teil­nah­me von mehr Regisseurinnen, wo­rü­ber ich mich sehr freue.

Ich bin hier und dolmetsche Konferenzen, denn auf die Tomaten allein will ich mich nicht verlassen, und verdiene Geld ... pour écrire mon prochain livre cet été, um im Sommer mein nächstes Buch zu schreiben.

Auf dem Programmzettel:
⊗ Bodengesundheit
⊗ Theatersprache
⊗ Aktuelle französische Politik
⊗ Badezimmerrenovierung
⊗ Euro-Betriebsrat
⊗ Gewalt gegen Frauen

Die The­men be­schäf­ti­gen mich im Hin­blick auf aktuelle Dol­met­sch­ein­sät­ze und Übersetzungen.

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Foto: C.E.

Donnerstag, 18. Mai 2017

Mal wieder: Preisgestaltung

Hallo, hier bloggt ei­ne Sprach­ar­bei­te­rin. Ich über­set­ze und dol­met­sche. Ar­beits­spra­chen: Fran­zö­sisch (aktiv und passiv) und Englisch (nur Aus­gangs­spra­che). Wäh­rend in Cannes das Filmfestival startet, übersetze ich in Berlin noch Dreh­bü­cher. Auch eine Art, zum Geschehen beizutragen. Manche gehen flott von der Hand, andere brauchen mehr Zeit. Das sollte sich auch in Preisen niederschlagen.

Croissant und Espresso
Französisches Frühstück
Zum Aufwachen in eine Art digitales Wortcafé gegangen, gelacht. (Solche Orte werden auch virtuelle Kaffeeküche ge­nannt.)
Hier tauschen wir News aus. Oder Wörter: "Ar­ma­tu­ren­kne­bel­ein­satz­rast­buch­se" hat Jackie Stech, Dol­met­sche­rin und Über­set­ze­rin mit dem Schwerpunkt Technik (IT, PT, FR, EN) in einem Do­ku­ment gefunden.

Auf nüchternen Magen kann es einem da schon mal den Appetit verschlagen.

Darauf Kollegin Jessica Link, Übersetzerin auch im Bereich Technik (EN und IT): "Oder warum man in die Fremdsprache nie einen Wortpreis berechnen sollte."

Mesdames, you made my day!

Damit solche Jobs überhaupt nahrhaft sind, müssen sie nach Zeit berechnet wer­den. Das ist so ähnlich wie mit der Autoreparatur in der Werkstatt: Die wird ja schließ­lich auch nicht nach Kilogramm berechnet. Drehbücher indes berechne ich weiter nach Anschlägen (Zeichen inkl. Leerzeichen) und nach Schwierigkeitsgrad der Vor­lage. Da kommen solche Wörter eher nicht vor.

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Foto: C.E.

Montag, 15. Mai 2017

Schlüssel

Was Dol­met­scher und Über­setzer be­schäf­tigt und wie wir ar­bei­ten, da­rü­ber be­rich­te ich hier im elften Jahr, außerdem schreibe ich über die französische und deutsche Sprache, Englisch kommt am Rand auch vor. Was macht die Sprach­ar­bei­te­rin an Tagen ohne Auftrag?

Schreibtisch aufräumen, Papiere und Schlüssel sortieren. Auf den Speichermedien befinden sich manche Dokumente, die in die thematischen Ordner einzusortieren sind. Auch die Technik für das große Archiv muss ich bald wieder umstellen. Und der Rechner muss umgerüstet werden. Die Software der verschiedenen Pro­gram­me beißt sich.

Radschlüssel, USB-Stic 1, USB-Stic 2, USB-Stic in Schlüsselform
Rechts: Schlüssel und Speichermedien
Das bedeutet mindestens zwei Tage Arbeit wenn nicht drei, Kosten für neue Spei­cher­plat­ten im Rechner und für eine neue externe Fest­plat­te. Kosten, die mit dem Beruf in direkter Linie zu tun haben, die aber viele Men­schen, wenn sie an Frei­be­ruf­ler denken, nicht im Blick ha­ben. Auch deshalb ist unser Stundenlohn eben nicht ein­fach nur 20 oder 30 Euro.

Beim Aufräumen singe ich vor mich hin:
One of these things is not like the others,
One of these things doesn't belong, 
Can you tell which things is not like the others 
By the time I finish my song?

Damit habe ich schon als Erstklässlerin Englisch gelernt, und ich danke noch heute meiner Mutter, die mich außer für Sesame Street und Les Gammas nur wenig an die Glotze ließ. Damals war ich nicht so einsichtig, Weisheit kommt erst mit den Jah­ren ... Ja, das war schon ein Schlüssel für Bildung.

Auf Französisch heißt der USB-Stic une clé USB, ein USB-"Schlüssel" ... Und Les Gammas gibt's neuerdings in 39 wunderschönen Folgen bei YouTube.




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Foto: C.E. / Film: Sesame Workshop
Glückwunsch an eine, die heute Geburtstag hat.

Freitag, 12. Mai 2017

Kopfkino (1)

Ob geplant oder zufällig, Sie sind auf den Weblogseiten einer Wortarbeiterin ge­lan­det. Ich dolmetsche und übersetze für Wirtschaft, Politik und Industrie, da­run­ter auch für die Filmindustrie. Arbeitssprachen sind DE, FR und EN. Heute startet eine neue Reihe, mal schauen, ob ich die etabliert bekomme: Kopfkino.

Schlechte Kalauer scheinen unter deutschen Frisören besonders groß in Mode zu sein. Wann hat das bei denen eigentlich angefangen?

Wandmalerei: Kopfkino
Gesehen in Berlin-Kreuzberg
Ihre Boutiquen nennen sie "Chronicle head crash", "Abschnitt", "Haupt-Sache" (in Ge­richts­nähe), "Cre­Haar­tiv", "Kai­ser­schnitt" (am Krankenhaus), "Schnipp & ab", "Vier Haareszeiten", "Kamm in", "Hair­zi­lein", "Um Haaresbreite", "Haarem", "Schnitt­stel­le", "Hairlich", "Hair­schafts­zei­ten" und was derart Sprachgrausamkeiten mehr sind.

In meiner Kindheit und Jugend haben wir uns wenigstens noch in den Räumen von "Haarmoden Retzer", der lag in Sachsen, da brachten wir das eigene Handtuch mit, oder im "Salon Bella", bei "Barbara's Bar­ber's" oder "Pfaff's Haarstudio" ein­sei­fen und beschnippeln lassen, wie sich's ge­hört mit Dep­pen­apostroph.

Simon Coiffeur de famille, Audebert Coiffure, La Bottega del Coiffeur heißen die entsprechenden Läden in Paris. Das geht alles in Richtung der guten altdeutschen "Haar­ins­ti­tu­te". Franzosen gehen ja gemeinhin zum Coiffeur, wo sie sich eine neue coiffure verpassen oder nur die Spitzen nachschneiden lassen. Der deutsche Be­griff "Fri­seur", ein echter "falscher Freund", klingt für französische Ohren lustig, heißt er doch übersetzt "Lockenmacher".

Wennschon, dennschon. Jetzt kommt die Filmidee. Ich bin für "Brainwash": Der La­den, irgendwo im Norden Neukölln, so stelle ich ihn mir vor, ist hin­ten Wasch­sa­lon für Wäsche, vorne Salon für Haare und Teesalon für alle anderen. Das Eta­blis­se­mang liegt in einem Hin­ter­hof­ne­ben­ge­bäu­de aus roten Ziegeln und hält aus­schließ­lich politische Zeitungen und LETTRE, außerdem werden Hennafärbungen der Hän­de angeboten, denn direkt daneben liegt eine Bauchtanzschule.

Schriftzug auf Papier: Frühling eingetroffen
Heute war es endlich mal warm
Sobald es wärmer wird, sitzen viele draußen im Hof, dann dringt die Musik nicht nur durch die Wände.

Bis vor einigen Jahren war "Brainwash" im Bezirk Prenz­lau­er Berg ansässig, aber dort be­sitzen in­zwi­schen alle ihre ei­ge­nen Wasch­ma­schi­nen und die Edelcoiffeure haben seit langem den Wett­kampf für sich ent­schie­den.

Das Vorbild für den Laden habe ich vor vielen Jahren mal in San Francisco besucht, dort gibt's im Brainwash Cafe & Laundromat die Kombi Kaffee und Wäsche.

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Foto: C.E.

Donnerstag, 11. Mai 2017

Ruhm und Arbeit, die Erste

Bienvenue auf den Seiten einer Sprachmittlerin. Wir Übersetzerinnen und Über­set­zer sind derzeit gefragte Menschen, wenn es um die Vorbereitung des Film­fes­ti­vals im süd­fran­zö­si­schen Cannes geht. Sonst verdiene ich meine Brötchen als Dolmetscherin zwischen Politik, Kultur und Wirtschaft und plane Termine bis in den Oktober. Und ich blogge, stets unter Wahrung der im Dienst erfahrenen Ge­heim­nis­se.

STAR als Leuchtschrift und Spiegelung
Gesehen in Berlin-Mitte. Das Internet ...
Einmal kurz das Näschen ge­lupft und schon wieder zwei Tage im Büro verbracht, sogar eigene Kulturtermine ab­sagen müssen. Kostenvoranschläge wer­den oft zu Beginn der Wo­che angefragt, die von mir rasch kontaktierten Ko­ope­ra­tions­part­ner lassen sich Mon­tag­nach­mit­tag Zeit, Dienstag ist woanders Stress, Mittwoch sende ich Reminder, Don­ners­tag werde ich nervös.

Und dann flattert eine Übersetzungsanfrage von Donnerstagabend zu Montagmittag im Umfang eines fetten Drehbuchs rein. Einreichfristen bei Filmförderinstitutionen eben. Die Kolleginnen so: "Aber die wissen das doch nicht erst seit gestern!" Rich­tig. So direkt sage ich das aber nicht weiter. Der Kunde kürzt auf meinen Rat hin. Ich suche. Suche weiter. Erneuere meine Kontaktliste.

Jetzt ist es nun einfach mal so, dass wir in den letzten Jahren sehr viel gearbeitet haben und die Kunden es uns mit regelmäßiger Auftragsvergabe danken. Wir, und hier meine ich diverse Teams, die ich überblicke, mein wachsendes Netzwerk, ar­bei­ten manchmal am Limit, also einige Monate im Jahr, was in unserem Gewerbe nicht so gut ist, denn das Hirn fordert seine Ruhephasen ein.

Filmproduktionsfirmen brauchen nur ab und zu unseren Beitrag, nicht selten von jetzt auf gleich. Wenn dann auch noch die Abgabefrist kurz ist und ein Wo­chen­en­de dazwischen liegt, viele von uns haben unterschiedlich geartete Fa­mi­lien­pflich­ten, wird es verdammt eng.

Nun ist es aber wiederum auch nicht so, dass auf Film und Medien spezialisierte Übersetzer das ganze Jahr ausschließlich das machen UND ständig auf Aufträge warten würden. Eher das Gegenteil ist der Fall: Die einen arbeiten ausschließlich in dem Feld, oft für re­du­zier­te Sätze, da die Akquise wegfällt, z.B. im Verbund mit einem Synchronstudio, sind aber oft ausgebucht. Wir anderen, die wir Synchro has­sen und/oder einen leicht höheren Lebensstandard pflegen und/oder mehr Zeit fürs Private brauchen und/oder dolmetschen, haben in der Zwi­schen­zeit Kunden un­ter­schied­lichs­ter Art gewonnen. Etliche unterrichten ne­ben­bei an der Uni, an den Volkshochschulen oder im Sprachangebot für Ge­flüch­te­te. Kurz: Wer hat ge­ra­de Zeit? In wie­ viele Teile hacken wir das? Wer ist fürs Korrektorat zu­stän­dig, das dann eher eine Schlussredaktion ist?

Sehr wichtig: Wie kriegen wir das so kalkuliert, dass der Endpreis nicht durch die Decke schießt? (Der Film ist noch nicht finanziert, es geht ja gerade um das Ein­wer­ben weiterer Mittel. Ich verdiene an sowas oft nur soziales Kapital.) Und nimmt mir eine der Kolleginnen das Projektmanagement ab? Ich muss ja mei­ne ei­ge­nen Termine koordinieren und dann liegt da noch ein Schreibprojekt mit Recherchen auf dem Tisch.

"Die Tat ist alles, nichts der Ruhm."
(Goethe, Faust 2, IV. Akt, Szene "Hochgebirg", Vers 10188)

Ja, Herr Geheimrat, stimmt. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. So hat Erich Kästner den Gedanken ein bisschen salopper reformuliert. Aber mit etwas Ruhm ließen sich Grundinfos über unsere Arbeitsweise allgemeiner bekannt machen, oder? Dann würden die Menschen nicht immer glauben, unsere Arbeit würde sich fast wie von selbst erledigen (oder demnächst automatisch durch den Kollegen Computer). Dann wären Bitten seltener, Projekte in an­dert­halb Werk- und zwei Wochenendtagen zu erledigen, für die wir normalerweise zwei Wochen kal­ku­lie­ren.

STAR in Neonschrift auf dem Kopf
... stellt manches auf den Kopf.
Mit dem Internet hat der Ge­heim­rat nämlich nicht ge­rech­net. Es stellt so manches auf den Kopf, denn es gaukelt zu oft unseren potentiellen Kunden vor, dass alle Talente gleicher Qualität immer und sofort zu finden sein müssten.

Also ist die Tat künftig fast alles, aber der Ruhm darf trotzdem nicht außer acht gelassen werden.

Wobei ich denke, dass Goethe durchaus den eigenen Ruhm im Blick hatte. Im Fall von Künstlern, die Neues schaffen, halte ich das für legitim. Unsere Kunst ist die der Re-création, des Erschaffens von etwas auf der Spur von Bestehendem. Bislang gehört zu unserem Berufsbild, vornehm hinter den von uns ins Licht Gesetzten zu­rück­zu­tre­ten. Zugleich sind wir ebenfalls Urheber, z.B. von literarischen Über­set­zun­gen (und von Filmübersetzungen, Untertiteln usw.)

Am Ruhm werde ich künftig wohl arbeiten müssen. Nicht einfach, wo ich doch so schüch­tern bin. Also das wirkliche Ich, das hier tippt, ist schüchtern, nicht aber die Dol­met­sche­rin­nen­kunst­fi­gur, die regelmäßig neben den Deneuves, De­par­dieus und De­par­dons die­ser Welt auf den Festivalbühnen steht und sie vertont. Das war bis­lang mein Trick zur Überwindung des Lampenfiebers, du trac: Ich spiele diese Dol­met­sche­rin nur. Und genau diese Persona steht in diesem au­to­bio­fik­tio­na­len Ar­beits­ta­ge­buch im Mittelpunkt.

Jetzt bin ich aber vom Thema abgekommen. Und morgen, Freitag, dürfen dann fünf Angebote raus, eines davon in drei Va­ri­an­ten. Weil die Kunden nicht nur mit­un­ter spät dran sind, sondern auch im Vorfeld nicht immer genau wissen, was letzten Endes gebraucht werden wird. (Keine Angst, rechtzeitig vor dem Ter­min wird dann unterschrieben.)

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Foto: C.E.

Montag, 8. Mai 2017

Am Sandkasten

Bonjour und hallo! Hier lesen Sie regelmäßig Diverses aus der Dolmetscherkabine, vom Über­set­zer­schreib­tisch und aus der Welt der Idiome ... völlig subjektiv ge­fil­tert von mir, einer Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Spra­che.

Es gibt Tage, da stelle ich um viertel nach sieben den Wecker aus (der sonst spä­tes­tens 7.20 Uhr sanft und freundlich die Nacht beendet).

Hinterhof mit Grün, Hüfkästchen und Sandkasten
Naherholungsgebiet
Und dann drehe ich mich ge­nüss­lich um, weil die Ver­ab­re­dung nur eine eigene mit den Laufschuhen war oder ein klei­ner Recherchetemin. Und weil ich nach längeren Ein­sät­zen und Kraftakten, die sich zum Teil auch ins Wo­chen­en­de hin­ein­zie­hen, mit mir mit viel Nach­sicht umgehe. Denn ich fühle mich wie re­kon­va­les­zent. Dabei habe ich nur gearbeitet.

Können sich das Menschen anderer Berufe vorstellen? Eine Kollegin hat dafür ein drastisches Wort, sie nennt den Zustand brain dead. Ich nenne das Hirn­ne­bel oder Kopfmuskelkater. Und derlei ist auch möglich nach fünf Tagen mit über 20 Mo­de­ra­tio­nen von Filmgesprächen, die ich zum kleinsten Teil auch gedolmetscht habe. Letzte Woche war ich beim Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin.

Anschließend erlebe ich Tage, an denen ich maximal die Aqua­rell­pin­sel in die Hand neh­me, weil ich ohnehin sonst nur schlafen würde. Der innere Zensor schläft dann auch, das ist bonfortionös. An denen ich es ertrage, Kleidung einkaufen zu gehen, vor­aus­ge­setzt, ich habe gut gegessen und ein Mittagsschläfchen halten können. An denen ich früher entspannt am Sandkasten sitzen konnte und mich gewundert ha­be, war­um sich Nur-Familienmenschen eigentlich langweilen.

Waren die Anstrengungen sehr groß, hält der Zustand manchmal zwei, drei Tage an. Irgendwann eile ich plötzlich in den Buchladen, in die Bibliothek und ins Kino und bin wieder da.

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Foto: C.E. (Archiv)

Freitag, 5. Mai 2017

Herausforderungen

Ob ge­plant oder zu­fäl­lig, Sie lesen hier auf den Sei­ten einer Sprach­ar­bei­ter­in. Was Dol­met­scher für Fran­zö­sisch (und Über­setzer) so machen, darüber schreibe ich hier seit mehr als zehn Jahren, derzeit wieder aus Berlin. Weiter geht's mit der Reihe POV, Point of view. Kurzer Kommentar zu Sprachveränderungen.

Vom #RuralFuture Lab
"Das Team steht vor großen Herausforderungen."
"Frankreich muss seine Her­aus­for­de­run­gen bewältigen. "
"Wir können uns glücklich schätzen, auf der Höhe der Herausforderungen gewesen zu sein ..."

Ich mag dieses Neusprech nicht. Früher war die Sprache direkter und Probleme hießen noch Probleme.

Heute schwurbeln alle von le défi oder the challenge. Welthunger: Nourrir 10 mil­liards d’êtres humains : le défi du siècle, Zehn Milliarden Menschen zu er­näh­ren ist die Herausforderung des Jahrhunderts, so mein Leib- und Magensender France Culture, und Marine Le Pen, un défi pour la presse, die Front National-Che­fin ist auch eine Herausforderung, vor allem für die Presse.

Wann haben wir eigentlich aufgehört, Probleme als Probleme zu bezeichnen und das direkte Ansprechen von Sachverhalten als "Stammtisch" oder Duktus ex­tre­mer Parteien?

Die Vokabelliste des neoliberalen Zeitalters ließe sich leicht fortsetzen. Und ja, ich denke, dass diese Sprachverhunzung zur Misere beigetragen hat. Ich sage nur "Ent­frem­dung", was auch kein unschuldiger Terminus ist.

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Foto: C.E.

Mittwoch, 3. Mai 2017

World Café

Welcome, guten Tag, bonjour ... auf den Blogseiten, die in der Dol­­met­­scher­ka­bi­ne und am Übersetzerschreibtisch entstehen. Ich arbeite in den Bereichen Politik, Kultur, Wirt­schaft und Soziales. Meine Arbeitssprachen sind Deutsch, Französisch (Ausgangs- und Ziel­spra­che) und Englisch (meistens nur Aus­gangs­spra­che).

Foto: Winnie Ya Otto
Im Juli findet in Hamburg das Gip­fel­tref­fen G20 statt. Zu dessen Vorbereitung gab es letzte Woche in Berlin einen W20, einen Frau­en­gip­fel sowie ein Treffen mit Men­schen aus Af­ri­ka. Diese Vorbereitung er­fuhr ihre ei­ge­ne Vor­be­rei­tung: Eine Pro­gramm­wo­che mit jun­gen Menschen aus Entwicklungs- und Schwel­len­län­dern mit der Schwer­punkt­fra­ge, wie den Themen Nah­rungs­mit­tel­si­cher­heit, Klimawandel und Be­völ­ke­rungs­zu­wachs gleichzeitig entsprochen kann. Das #RuralFuture Lab, die Werkstatt zur Erkundung der Zukunft des ländlichen Raums, wandte sich an jun­ge Menschen vom Land, viele von ihnen sind Bauern, andere waren zum Studium z.B. der IT in die Städte gegangen.

Auch deutsche Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren dabei und wir als großes Team. Zunächst haben die internationalen Gäste ihre Zukunftsvisionen präsentiert, dann ging's an die Arbeit. Einen Nachmittag lang wurden im Rahmen des Formats "World Café" Probleme besprochen und Lösungen entwickelt. Damit sich nicht alle in ausufernde Debatten verzetteln, gibt es zeitlich begrenzte "Stationen" mit un­ter­schied­li­chen Moderatoren und klaren Frage- bzw. Aufgabenstellungen.

Gruppe im Kreis, zwei im Gespräch
Aufwärmübung und Debatte
Für uns Dolmetscher ist hier schwierig, dass wir bei den Programmpunkten der ers­ten Tage, Vorträge und Besichtigungen, die jungen Leute nicht viel haben spre­chen hören. Die Mutigsten hatten unterwegs schon Fragen gestellt, aber eben nicht alle. Und so kam es, dass die berichtende Dolmetscherin im Kongressraum in der Nähe eines Lautsprechers steht und plötzlich nur Schallwellen empfängt. Langsam kris­tal­li­sie­ren sich einzelne Wörter aus den Wellen heraus, dann wer­den es ganze Sätze. Am Ende kann ich sogar Teile des Anfangs noch irgendwie rekonstruieren. Sehr spannend, wie sich das Gehirn rasch auf neue Akzente einstellt ... sobald es die Regeln der Verschiebung begriffen hat.

Diskutanten und -onkel ;-)
Zusammenfassungen
Das Treffen war ebenso spannend wie höchst ertragreich. Es kamen Vorschläge in einer solchen Überfülle, dass leider immer nur einer weiterbearbeitet werden konnte. Und ich denke, dass die jungen Fachleute ihrer eigenen Existenz und ihrer Länder, mit enorm viel Kompetenz und hoher kommunikativer Fähigkeit gesegnet, gerne auch mal eine Woche auf ein ländliches Tagungszentrum eingeladen werden sollten, ergänzt durch Dolmetscher und Moderatoren, die auf Nachfrage zur Ver­fü­gung stehen. Das Format nennt sich "Barcamp", eine von den Teilnehmern ad hoc selbst strukturierte Konferenz. Das sind die jungen Leute, über deren Zukunft gesprochen wird. Wir trauen dem Nachwuchs fast immer zu wenig zu. (Auch weil wir ihn in Mitteleuropa zu oft in Watte packen und verblöden (lassen), aber das ist ein anderes Thema.)

Arbeitssituationen
Konzentriertes Arbeiten. Foto links: Winnie Ya Otto
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Fotos: C.E. (soweit nichts anderes vermerkt)

Dienstag, 2. Mai 2017

Museum der Wörter 18

Hallo, hier bloggt ei­ne Sprach­ar­bei­te­rin. Ich über­set­ze und dol­met­sche. Ar­beits­spra­chen: Fran­zö­sisch (aktiv und passiv) und Englisch (nur Aus­gangs­spra­che). Heute im Wörtermuseum: Jemand, der Zeit hat.
         
                                B
um·me·lạnt, der

    
Bummeligkeit und große Rumbummelei sind das Privileg der Satten, Versorgten, Sorg- oder Ahnungslosen. Sonst wird auch ein langsamer und träger Mensch als Bummelant bezeichnet. 

Alle anderen rennen der Zeit hinterher. Ich bin weiterhin gerne schnell, jedoch seit einiger Zeit mit anderem Puffer, gerne eine Viertelstunde zu früh am Ab­fahrts­ort oder Treffpunkt. Zu Dolmetscheinsätzen kommen wir ohnehin gerne eine halbe Stunde "zu früh", um die Technik zu überprüfen.

Die Zeitreserve macht mich gelassener. Der Bummelant ist nicht immer gelassen, denn er weiß ja, dass er weniger leistet, als er könnte; er (oder sie) ist oft ein so­ge­nann­ter underachiever. Das kann zu noch größerer Langsamkeit führen — aus Grün­den der Lähmung. Das weiß ich, weil ich in manchen (privaten) Bereichen durch­aus zu großem Bummelantentum fähig bin, vermutlich auch als Ausgleich zu der sonsti­gen Schnelligkeit.

Als Dolmetscher sind wir, um den berühmten Kollegen Jürgen Stähle zu zitieren, ger­ne mal einen Halbsatz schneller als die Redner selbst. Da wir uns intensiv ein­le­sen und das deutsche Verb, welches satzbautechnisch ein großer Bummelant ist, nicht selten durch den Kontext erschließen, ist das durchaus logisch.

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Idee: H.F.

Montag, 1. Mai 2017

Tag der Arbeit

Wie Dolmetscher und Übersetzer arbeiten, können Sie hier mitlesen. Ich schreibe im Dolmetschblog in loser Folge über die sich verändernde Arbeit. Meine Sprachen sind Französisch und Englisch.

Marius Liefold, verdolmetscht von der Kollegin
Neulich meinte wieder mal jemand in einem leicht gön­ner­haf­ten Tonfall, dass ich mich doch glücklich schätzen solle, so viel zu tun zu haben. Das mache ich auch, be­son­ders am Tag der Arbeit.

Er meinte indes, dass wir Dol­met­scher und Übersetzer in fünf bis zehn Jahren nichts mehr zu tun haben würden. Gar nichts mehr.

Mal unter uns: Das wüsste ich. Ich habe hier Bücher aus den 50er, 60er und 70er Jahren, in denen genau das akkurat von Wissenschaftlern angekündigt worden ist. Nämlicher Gesprächspartner von neulich meinte auch, es werde bald keine Ärzte mehr geben.

In der Tat haben wir neulich Gespräche zu einem Diagnosekoffer verdolmetscht, der die medizinische Lage in entlegenen Regionen verbessern soll. Das Ergebnis der An­am­ne­se­fra­gen und grundlegenden Testverfahren war dann: a) alles gut, b) kom­men Sie in einer Woche wieder, wir beobachten das, c) gehen Sie sofort zum Arzt.

Sagen wir's mal so: Die verbesserten Analyseverfahren und sogar OP-Roboterarme hel­fen sehr. Indes sind sie wieder "nur" ein Quantensprung in Diagnostik und Be­hand­lung. Ich muss an das hölzerne Stethoskop meines Großvaters denken, das dessen Nachfolger nicht über­nom­men hat, sonst wäre es in meinen Kin­der­ta­gen nicht in meinem selbst­ge­mach­ten Spielzeugarztkoffer gelandet.

Die Bits und Bytes sind einfach nicht kreativ genug. Sie können nur erfassen, was Ihnen mal irgendwie beigebracht wurde, sie sind nicht kreativ genug, ihnen fehlt die Lebenserfahrung und die Sicherheit in der Einschätzung ergänzender In­for­ma­tio­nen (die Vorgeschichte, ein aufgeschnappter Satz beim Mittagessen, die Kör­per­spra­che). Für jeden Einzelfall, jeden Dialekt, jeden Sprachfehler, un­voll­stän­di­gen Satz, Soziolekt oder eingeschlichenen fehlerhaften Ausdruck, den die Teilnehmer für die Dauer einer Konferenz so verwenden, müsste die große Maschine trainiert werden. Das lohnt nicht.

Das menschliche Hirn bleibt noch sehr lange flexibler, schneller, anpassungs- und situativ lernfähiger als die Maschine. Andere Berufe sehe ich da eher bedroht. Und wie war das mit den Bankern und den Goldjungen an der Wall Street? Seit die Com­pu­ter ihre (optimierten Millisekunden)Geschäfte über­nom­men haben, sind die auch nicht alle arbeitslos geworden. Wären sie mal bloß, die produzieren ja nichts.

Irritierend und diese Woche gesehen: Die ölverschmierte Jeanshose, aus denen der Dreck nicht mehr rausgeht. Hersteller ist eine berühmte Marke, das Beinkleid kos­tet um die 400 Euro. Sie symbolisiert eine Welt der Reichen, die nicht mehr mit­be­kom­men, dass der Basis die Arbeit ausgeht.

Zum Schluss noch etwas ganz Schönes: Die Utopien der Vergangenheit, das liebe Home office des Mannes betreffend (der dem Weibe beim Putzen zusieht). In­te­res­sant ist, dass sich Com­pu­ter­beige gut durchgesetzt hat. Und die Di­gi­tal­schrif­ten finde ich auch ziemlich überzeugend.



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Illustration: Walter Cronkite in the
Home Office of 2001 (1967) sowie
Medizininformatik an der TH Brandenburg