Montag, 13. Februar 2017

Berlinaleterminrettung

Bonjour, hello, guten Tag! Hier bloggt seit bald zehn Jahren eine Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin, die daneben das Fach­gebiet anbietet. Meine Sprachen sind Fran­zö­sisch (aktiv und passiv) und Englisch (passiv). Hier beschreibe ich, was ich im 20. Berlinalejahr in den Kulissen erlebe ... keine Namen, nur die Vor­komm­nis­se.

Der Job war längst abgesagt. Die Antwort der Presseagentur, die den Film betreut, war eindeutig gewesen: "Wir haben uns für eine günstigeres Angebot entschieden." (Über die leidige Preisthematik schrieb ich hier.) Als das günstigere Angebot die Arbeit aufnimmt, habe ich nicht viel zu tun, ein schöner Nachmittag, ich chille mit einer Freundin aus Paris im Café. Da ruft die PR-Dame an: "Kön­nen Sie bitte sofort ins Hotel XYZ kommen?" Das Haus hat fünf Sterne. Der Taxistand ist gleich um die Ecke, ich eile ...

Claude Chabrol und die Autorin (2009)
Als ich ankomme, kann ich den Temperaturen im Raum beim Fallen zusehen. Sitzen um einen Tisch herum: Fünf Journalisten plus Star, der Wand entlang aufgereiht wie die Hühner auf der Stange: die PR-Dame, ihr Chef und ein Assistent. Alle im Salon mit dem hochflorigen Tep­pich­bo­den und den hauch­dün­nen Tee­tas­sen schau­en grim­mig drein, aus­nahms­los alle.

Wer mein Vorgänger/meine Vorgängerin war, die hier die Stimmung verhagelt hat, weiß ich nicht, ich bin der Person nicht begegnet. Ist mir auch egal. Ich denke mir: Auf die ersten Minuten kommt es an. Händedruck des Regisseurs: fest. Meiner: fester. Zwerchfellatmung, meine Glieder sind schwer, die Stimme kommt tief aus dem Oberkörper, ich gebe ihr Raum. Der Salon Großer Kurfürst ist meine Bühne. Alle sind vom Fach.

Ich setze mich hin, frage die Journalisten, ob der Dolmetschmodus genehm ist (Fra­gen simultan, Antworten konsekutiv), erkläre rasch dem Regisseur diese Prä­li­mi­na­rien. Dann kommt die erste Frage, ich mache meinen Job. Nur das, ruhig und mit fester, tiefer Stimme.

Die Spannung der Anwesenden fällt ab, ihre Mienen hellen sich auf ... und so, wie die Küken der Henne folgen, so folgen jetzt die Zuschauer dem PR-Chef. Man zieht sich ins Nebenzimmer zurück. Der Regisseur fängt an zu strahlen, die Interviews nehmen ihren Lauf. Stunden später werde ich mit Handkuss verabschiedet.


Linktipp: Michael Streck vom Stern schreibt höchst passend über die PR-Dame.
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Foto: C.E. (Archiv, ein entspannteres Interview)

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