Samstag, 15. Oktober 2016

Kabine ohne Wände

Hello, bonjour, guten Tag! Hier hinterlässt eine Dolmetscherin ihre Rand­be­mer­kun­gen aus dem sprachbetonten Arbeitsalltag. Meine Arbeitssprachen sind Fran­zö­sisch, Deutsch (beides sehr aktiv) und Englisch (nur Ausgangssprache). Heute stel­le ich einen Arbeitsplatz vor. Die Links der Woche verschieben sich auf Mon­tag.

In anderen Gedankenwelten
Samstagsarbeit: In eine Wo­che mit Voll­zah­ler­kun­den passt noch ein Soli-Samstag rein. Ich liebe etliche Vereine und Initiativen, die sich aus der Diaspora nähren oder von Aktiven selbst ver­an­stal­tet werden, die sich um Ge­flüch­te­te und die Integration von geo­po­li­tisch, wirt­schaft­lich und kul­tu­rell be­nach­tei­lig­ten Menschen kümmern. Kurz: Es geht um nichts Geringeres als den Weltfrieden.

Bei solchen Veranstaltungen lernen wir am meisten. Leider kann ich mir kaum No­ti­zen machen über die Dinge, die ich mich oft wundere, dolmetschen zu dürfen. (Ich warte auf die Aufzeichnungen, die zum Teil gemacht worden sind.) Meine neu­ro­na­len Verschaltungen werden also immer wieder durchgeschüttelt. Manch­mal muss ich ein wenig länger warten, bevor ich weiterdolmetsche, um mir wirk­lich sicher zu sein, dass das, was ich hier höre, auch wirklich gemeint ist. (Warten, die Dritte in dieser Woche. Zur Eins und zur Zwei über den Klicks aufs Wort.)

Auch die Augen dürfen sich umgewöhnen. Hier dominieren nämlich nicht die äl­te­ren Studienrätinnen und Hausfrauen sowie junges prekäres Bildungsbürgertum auf Perspektivsuche, sondern Zuwanderer neueren oder älteren Datums und Gäste aus anderen Ländern. Und auch diese Differenzierung ist schon wieder falsch. Wir sind alle Zuwanderer. In der Perspektive der Weltgeschichte betrachtet, macht es kei­nen Unterschied, in welchem Jahrhundert oder Jahrtausend die eigenen Gene in der Region des eigenen Aufenthalts angekommen sind.

Es geht um Themen wie Demokratie- und Bildungsförderung in Afrika, um Sen­si­bi­li­sie­rung der westlichen Zivilgesellschaften, angefangen bei den Medien, um globale Handelsströme und Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen.

Im Publikum
Arbeitssituation: Wir sitzen in einer Kabine ohne schalldichte Wände und nutzen ein Pult, das noch wunderbar funktioniert, dessen nächste Station aber das Tech­nik­mu­seum sein dürfte.

Ab und zu gibt ein Kopfhörer seinen Geist auf. Zwei Zuhörerinnen setzen sich im Lau­fe des Studientags direkt zu uns. Wir tau­schen freundliche Blicke, die Zu­hö­rer möchten uns nicht brüskieren, wollen nicht stören. Wir antworten gestisch, da­mit das Dolmeschoutput nicht be­ein­träch­tigt wird. Am Ende ver­ab­schie­den wir uns mit Handschlag von­ein­an­der. Auch so geht Kundenbindung.


______________________________  
Fotos: C.E.

Keine Kommentare: