Dienstag, 25. Oktober 2016

Jungbrunnen, der

Zufällig oder geplant, sind Sie hier auf Seiten eines digitalen Tagebuchs aus der Ar­beits­welt gelandet. Ich bin Dolmetscherin für die französische Sprache (und aus dem Eng­li­schen) und berichte aus dem Alltag.

Mei­nen ers­ten Ent­wurf einer Intro streiche ich, er ist un­fair, gemein und poli­tisch un­korrekt. Ich deute an. Das muss reichen.

Dr. Seb. Eisenbart empfiehlt seine HEILANSTALT zur  Entwöhnung von Mrorphium, Alkohol, chronischer Kunstmalerei und gewohnheitsmässiger Lyrik. Eigene Abtheilung für Damen!
In der Abtheilung steckt die Heilung schon drin ...
In meiner Familie wurde  zu­fäl­lig vor Jahr­zehn­ten ein Lebendversuch ge­star­tet, wie die gleichen Gene auf in­dus­tri­ell produzierte Le­bens­mit­tel, Alkohol und Tabak in ge­sell­schaft­lich anerkannten Mengen reagieren — und sich wie meine etwa 70 % Na­tur­krau­te­rei aus­wirkt.

Die fehlenden 30 % gehen aufs Konto von Dienstreisen, Freundes- und Res­tau­rant­be­su­chen, ungesunden, aber nicht minder genossenen "Fehltritten". Ich bin eine unorthodoxe |Ökoschlampe| ... Wort ist gestrichen, mir fällt nichts Besseres ein.

Wein: Ein Gläschen zum Abendessen, nicht immer, aber gerne, meistens rot, im Sommer lieber weiß. Sonstige Drogen: Lyrik, Bücher, Zeitungen, Kino, Konzerte, gute Gespräche, bei freud­vol­lem Lernen und Kreativität werden dieselben Hirn­re­gio­nen aktiv wie beim Drogenkonsum. Mein Körper weiß nicht mehr, was Zigaretten sind, seit ich als Kind von Eltern zu­ge­qualmt worden bin, lei­der auch im Auto, man wusste es damals |nicht| erst lang­sam besser. Mit der Er­kennt­nis­zu­nah­me nahm der dicke Rauch ab. Freiwillig hab ich nie einen Glimm­stän­gel ge­raucht.

Ernährung: Wenig bis nie Fleisch, ab und zu Fisch, viel ungespritztes Obst und Ge­mü­se direkt vom Bauernhof, Rohsäfte, Wildkräutersalat, abends meistens keine Koh­le­hy­dr­ate mehr, drei Tage in der Woche intermittierendes Fasten (16 bis 18 Stunden lang, dann zwei Mahlzeiten). Schlaf: Gut, stabil, ausreichend, ge­nuss­voll, ca. drei Mal die Woche ein kurzer Mittagsschlaf. Bewegung: Jeden Tag min­des­tens eine Stunde, zweimal die Woche auspowern. Stehpult (30 % der Arbeitszeit). Fa­mi­lie/Freunde/Bekannte: vorhanden. Natur/Freizeit/Hobbies: re­gel­mä­ßig, krea­tiv ... plus soziales En­ga­ge­ment. Beruf: Traumberuf mit gutem Stress, meis­tens, viel Flow und Ge­braucht­wer­den, dazwischen Ruhephasen.

Inzwischen kokettiere ich mit meinem Alter, das mir ohnehin niemand mehr ab­nimmt. Ich begrüße jede Falte, weil sie zum sich durchaus ändernden Le­bens­ge­fühl passt. Neulich hab ich zwei Klassentreffen (*) geschwänzt (Schul­wech­sel für den Fran­zö­sisch-LK macht's möglich). Danach gab's Fotos. Ich hätte nur zwei oder drei je Klasse wie­der­er­kannt. Die mich wohl alle. Manchmal frage ich, wo denn mein Doris Gray-Portrait hängen möge. Dann sende ich den Gedanken wieder auf die Reise.

OK, ich geb's zu, ich schummele. Ich lebe parallel in zwei Sprachen und Welten, eigentlich sogar in 2,5. Das verändert das Altern auch, jedenfalls, was Lern- und Re­ak­tions­ver­mö­gen angeht.


(*) ... mitten in der Kongresssaison!
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Foto: "Die Jugend" (1899)

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