Dienstag, 30. Juni 2015

Informanten

Plakat: Hier könnte Kunst stehen
Gesehen in Neukölln
Bien­ve­nue, will­kom­men, auf meinem No­tiz­blog aus dem In­neren ei­ner Dol­met­scher­ka­bi­ne.

Zitat: "Wenn du weißt, was die Zukunft bringt, hast du schlechte Informanten!"
Gesagt hat das ein Optiker zu mir, Sep­tem­ber 1989, in Leipzig. An den Satz muss ich oft denken, dieser Tage besonders.





______________________________  
Foto: C.E.

Montag, 29. Juni 2015

Fingerübungen

Will­kom­men auf den Blog­sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­ter­in. Hier den­ke ich da­rü­ber nach, was wir als Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­setzer so machen, na­tür­lich stets un­ter Wah­rung dienst­li­cher Geheimnisse. Heute: Vertragsverhandlung.

Blick durch eine regennasse Autoscheibe auf einen Fahrübungsparcours
Nicht nur die Fahrbahn ist nass
Das Gespräch über einen mög­li­chen Einsatz gerät ins Stocken, als ich mich ver­plap­pe­re. Es geht um einen Dol­metsch­ein­satz bei einer Fahr­schu­lung. Dummerweise ist mir raus­ge­rutscht, dass ich keinen Füh­rer­schein ha­be. (Die Augen sind zu schlecht.) Eine Pause tritt ein. Dann die Eingebung: "Raten Sie mal, wer meine letzten Kunden wa­ren!"

Die Pause dauert an. Ich spreche weiter: "Da waren zum Beispiel der Chirurg in der Neonatologie oder der Mann, der wegen Totschlags vor Gericht stand. — Zum Glück brauche ich keine praktischen Übungen, um zu dolmetschen.“

______________________________  
Foto: C.E.

Sonntag, 28. Juni 2015

Start!

Will­kom­men auf den Sei­ten mei­nes di­gi­ta­len Ar­­beits­­ta­­ge­­bu­ches. Ich bin Dol­met­sche­rin und Über­set­ze­rin und ar­bei­te in Pa­ris, Ber­lin, Mün­chen und dort, wo Sie mich brau­chen.

Sonn­tag am Ka­nal, über­all in Ber­lin fin­den Kunst- und Kul­tur­fes­ti­vals statt, zwi­schen­durch ge­nie­ßen vie­le Ein­woh­ner und Be­su­cher die Na­tur in­mit­ten der Stadt.

Und ei­ner der Be­woh­ner der Stadt sieht ganz be­son­ders nach Auf­bruch aus.

______________________________  
Fotoreihe: C.E.

Freitag, 26. Juni 2015

In Arbeit (47)

Bonjour und guten Tag! Interessieren Sie sich für Dolmetschen und Übersetzen? Dann sind Sie hier auf meinen digitalen Tagebuchseiten goldrichtig. Heute schauen wir mal wieder auf den Schreibtisch.

Europa: Versicherungsgesellschaft gegen Feuer und Unfälle
Eine anstrengende Woche geht zu Ende. Die Eu­ro­pa­po­li­tik hält alle weiter auf Trab, mein Wissen in Sachen Volks­wirt­schaft hat im letzten Jahrzehnt solide Grundlagen bekommen. Da­her sortiere ich den Bücherschrank um. Auch von dem, was Be­triebs­wir­te so beschäftigt, durfte ich viel erfahren, nicht zu­letzt Dank einiger Han­dels­de­le­ga­tio­nen.

Deshalb gilt es, auch Unterlagen auszusortieren und den spannenden Teil davon ab­zu­hef­ten. Denn nach dem Einsatz ist immer auch vor dem Einsatz. Die Arbeit im Bereich Medien geht ebenfalls weiter, ich stecke zwischen Vorbereitung des einen Drehs und "Transkriptions-Ü" (Übersetzung statt Transkription) von Interviews des an­de­ren. Für drei Kon­fe­ren­zen darf ich ferner Kosten­vor­an­schlä­ge erstellen.

Umlaufakte Ministerium plus Kopfhörer einer mobilen Dolmetschanlage
Wiedervorlage
Bestehende Lexiken zu den Themen Ar­chi­tek­tur und Au­to­de­sign/Fahrschulung darf ich auch überarbeiten.

Auf der Leseliste stehen ferner:
— Bildungspolitik und Bil­dungs­aus­ga­ben in Europa
— Das neue Wachstum: Qua­li­tät statt Quantität
— So­zial­po­li­tik
sowie
— Ho­mo­se­xua­li­tät und Rechts­ex­tre­mismus in Frankreich

... das wird im Grunde der erste Termin zu den Wahlen von 2017 sein!

______________________________  
Fotos: C.E. (Archiv)

Donnerstag, 25. Juni 2015

Gaspard

Bonjour, guten Tag! Hier bloggt eine Dol­met­scher­in aus Berlin, Paris, Schwerin und von dort, wo Sie mich brauchen! Aus­spra­che ist die halbe Miete, und gestern waren wir feiern.

sehr überraschte junge Katze
Katze in der Nacht
Erst Filmpremiere, dann folgt eine kleine Party. Plötzlich ist es spät geworden. Also bringe ich eine französische Freun­din nach Hause, die drei U-Bahn-Stationen von mir entfernt wohnt, da sie ein bisschen zu viel getrunken hat. Als wir die Wohnung aufschließen, bin ich schon vorgewarnt, dass direkt hinter der Tür ein Katerchen wartet.

Sie stellt uns einander vor, das dunkelgraugestreifte Wesen heißt Gaspard und wohnt erst seit kurzem bei ihr. Ich sage Hallo, er nimmt Schupperkontakt auf, ich spreche ihn an, den kleinen Gaspard de la nuit. Darauf die französische Freundin: "Nicht Gaspard, sondern Gas­pard! Wie Gaspard David Friedrich."

______________________________
Merci beaucoup à Mandy Ahlendorf,
ahlendorf communication, fürs Foto

Mittwoch, 24. Juni 2015

The English!

Hallo! Sie le­sen in ei­nem Ar­beits­ta­ge­buch aus Paris, Berlin ... oder Templin. Ich bin Fran­zö­sisch­dol­met­scher­in mit den Schwer­punk­ten Po­li­tik, Wirt­schaft, Ge­sell­schaft und Kul­tur. Heute, passend zur Tagesaktualität, sind wir mal very british.

Der Kongress reist ... aufs Land. Hier ist alles elegant und schick, kurz: Mit viel Understatement wählt man die beste Qualität und macht nicht viele Worte dabei. Pars pro toto kann ich vielleicht die Fortbewegungsmittel nennen. Für einen klei­nen Ausflug innerhalb der Landpartie sind Busse notwendig, aber nicht ir­gend­wel­che.

Hotel in der Schorfheide
Uns holen elegante Busse mit gehobener Innenausstattung ab, die wie zu groß geratene Li­mou­sinen anmuten. Wir sind im Kongresshotel am Döllnsee ein­quar­tiert; neben einem wun­der­ba­ren Kongressbereich bietet das Haus auch viel Historie: Es ist das ehe­ma­lige Gäs­te­haus von "Carinhall", der Jagd­re­si­denz von Göring, aus dem später die Gästeresidenz der DDR wurde.

Nach einem Kilometer Schwimmen (für mich) und Frühstück geht's also eines mor­gens zu einem Außeneinsatz. Die Buslimousinen warten vor dem efeu­um­ran­de­ten Eingang. Da­ne­ben steht ein Widder und sieht uns mit Langmut beim Warten zu. Ist Langmut ty­pisch für Widder? Man sagt ihm eher Ausdauer und Dickköpfigkeit nach.

Also ist sicher vom Widder beeinflusst, was ich jetzt schreibe. Jemand vom Orga­ni­sa­tionsteam kommt in unseren Bus, einen von mehreren, hier sitzen 'meine' Fran­zo­sen und ich mit Spaniern und einigen versprengten Briten zusammen, und macht auf Englisch eine Ansage. Naja, auf BSE, auf Einfachenglisch, das ich für gut ver­ständ­lich halte, in solchen Situationen macht es mir nichts aus.

Dann verdolmetsche ich die Infos für die Franzosen, mein Spanischkollege, mit dem ich übrigens auch Englisch spreche, informiert seine Leute.

Darauf einer der Briten: "For the English!"

So knapp (vier Silben!) und elegant habe ich noch keine Kritik an Globish gehört!

______________________________  
Foto: C.E.

Dienstag, 23. Juni 2015

Museum der Wörter 10

Hallo, hier bloggt eine Spracharbeiterin. Ab und zu erinnere ich an Begriffe, die wir den jüngeren Generationen erklären müssen. Heute: Eine ganze Story in nur drei Wörtern.
            
          S
trohwitwe, Kebskerl, Wechselbalg.

   

Für Kebskerl ist das hier der erste Nachweis im Internet überhaupt — so Google. Es ist die männliche Entsprechung zu Kebse.
______________________________  
Idee: H.F.

Montag, 22. Juni 2015

\syʁ.te\

Bonjour, bienvenue, welcome ...! Was mich als Dolmetscherin und Übersetzerin so umtreibt, lesen Sie hier. Außerdem denke ich über das Arbeitsmaterial nach.

Ohne Urheberangabe
Irgendwann im 20. Jahrhundert wurde der zi­vil­recht­li­che Begriff für Sicherheit, la sûreté, im allgemeinen Sprachgebrauch durch den mi­li­tä­ri­schen Begriff ersetzt, la sécurité, der heute alle Diskussionen dominiert.

Das zivile sûreté ist durch­aus noch bei der für Sicherheit sorgenden Polizei und der Sicherheit des Staates übrig­geblieben, police de sûreté, police chargée de la sûreté de l’Etat. Zwischen 1944 und 1966 hieß die französische Polizei la Sûreté nationale.

Sie heißt heute po­lice nationale. Nur wann genau diese Ver­schie­bung geschehen ist, kann ich nicht sagen, dafür bin ich zu jung. Vielleicht weiß eine Leserin/ein Leser mehr?

______________________________
Illustration: Webfund
Si la publication de cette image dérange son
créateur, je la supprime sans problèmes.

Freitag, 19. Juni 2015

Merci beaucoup XV

Willkommen auf der Seite einer Französischdolmetscherin und -übersetzerin mit Hauptarbeitsort Berlin. Hier können Sie Einblicke nehmen in unseren Alltag. Heute mal wieder eine Danksagung.

Pariser Dachlandschaft
So bunt kann Paris sein
"Wir hatten nach einer Aus­schrei­bung einige Rück­mel­dun­gen mit Preis­an­ge­boten vorliegen. Madame Caroline Elias war die Einzige, die uns spontan mitgeteilt hat, was wir lieber vermeiden sollten — und was sie als Alternative vorschlägt. Ich schätze diese Art ver­ant­wort­li­chen Han­delns, denn konstruktive Kri­tik führt zu den besten Er­geb­nis­sen.

Eigenständigkeit und Mitdenken wünschen wir uns von unseren Angestellten, und hier war es da, voilà!, ohne, dass wir es extra angefordert hatten. Der erste Ein­druck hat sich in der bisherigen Zusammenhang voll bestätigt!  
Encore merci beaucoup !"
F. Robert, Projektsteuerung, Paris

______________________________  
Foto:

Donnerstag, 18. Juni 2015

Fünftwohnsitz

Bon­jour, guten Tag! Ich be­grü­ße Sie auf den Sei­ten mei­nes di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs. Ich weiß nicht, ob Sie absichtlich zu mir gefunden haben, oder ob der Zufall Sie hergeführt hat. Hier schreibe ich aus Paris, Berlin und anderen Orten über meinen Alltag als Konferenzdolmetscherin. Dabei sehe ich viele soziale Unterschiede.

Haus auf dem Fabrikdach
Berliner Realitäten. Als Dolmetscherin werde ich auf eine Baustelle gerufen. Hier entsteht eine luxuriöse Sechs­zim­mer­woh­nung auf drei Etagen plus Dach­ter­rasse und Inhouse-Pool. Der künftige Hausherr ist Industrieller, Hochfinanz, sein Ar­chi­tekt kommt aus Frankreich. Und so ist heute auch ein Unternehmen aus Frank­reich angereist, das sich um Pool, Ba­de­zim­mer­ke­ra­mik, Küchendetails und derlei kümmert.
Der Auf- und Ausbau der Liegenschaft dau­ert schon knapp zwei Jahre. Immer wieder wurden ar­chi­tek­to­ni­sche Ent­schei­dungen im Licht des grauen Ber­li­ner Him­mels re­vi­diert, dann wurde ein­ge­ris­sen bzw. rück­ge­baut.

Der Pariser graue Himmel, unter dem die Pläne gemacht und die 3-D-Simulationen animiert worden sind, strahlt offenbar heller; die bauliche Lage der künftigen Wohnung im rückwärtigen Teil eines Geländes in Mitte trägt sicher nicht positiv zur Licht­si­tua­tion bei.

In der Mittagspause komme ich mit dem Unternehmer aus Frankreich, der hier alles mit Wasser verantwortet, ins Gespräch. Seine Firma ist in der fünften Ge­ne­ra­tion in der Familie. Seine Söhne möchten das Unternehmen nicht übernehmen. Sie haben studiert. Aber er findet auch in seinem sonstigen Umfeld keinen Nach­fol­ger. Sein Hauptsorge ist diese: "Wir haben ja praktisch nur noch Lu­xus­­bau­ten. Die ganz normalen Dinge finden bei uns nicht mehr statt, so dass wir nicht mehr ausbilden können. Ein Lehrling würde bei uns nicht das lernen können, was zu den Grundlagen des Berufs gehört."

Und er sagt mir, dass aufgrund der enorm gesunkenen Kaufkraft die meisten Fran­zo­sen inzwischen so viel wie möglich im Haus selbst reparieren und dass seine Mitarbeiter und er eigentlich nur noch von den kapitalkräftigen Bauherren leben würden. Wir sprächen hier über Wohnungen ab 200, 300 m², er hätte im Herzen von Paris auch schon Kunden gehabt, die 2000 m² ihr eigen nennen wür­den. Besonders bitter sei es, in Wohnungen, die nahezu keine Spuren gelebten Lebens zeigen würden, alles herausreißen und nach dem Geschmack des neuen Ei­gen­tü­mers neu machen zu müssen. Zitat: "Ohne diese grandes fortunes hätte ich meinen Laden längst schließen müssen."

Die Wohnung, um die es in Berlin geht, wird ein Viert- oder Fünftwohnsitz sein. Solche Worte lassen sich schlecht tippen, der Kopf kann nur bis zum Zweit­wohn­sitz denken. Zum Glück blockiert hier niemand bestehenden Wohn­raum, denn hier wird ein Einfamilienhaus auf einen Altbau draufgesetzt und es verschafft auch etlichen Ber­lin­ern Arbeit. Aber dann?

______________________________  
Foto: C.E. (vergleichbare Stelle)

Mittwoch, 17. Juni 2015

Wir sprechen Ihre Sprache!

Als Dolmetscherin muss ich jeden Tag meine Wortfelder beackern, lesen, Notizen machen, sprechen. Ich arbeite mit der französischen und englischen Sprache, je travaille à Paris, I work in Berlin ... und dort, wo Sie mich brauchen. Meine Kol­legen und ich sprechen Ihre Sprache, wenn es sein muss, auch Wirtschafts-DEnglish!

realisieren, Optionen, Weg, Challenge, committen, zeitnah, Standort, eindeutig, Equity, positionieren, ... alternativlos ... kleines Geld
Wortwolke
Das Terrain müssen wir erst eruieren, da wissen wir noch gar nicht, wo wir stehen. Es kommt immer darauf an, unsere Kunden dort ab­zu­ho­len, wo sie gerade sind. Da gehe ich ein Stück mit Ihnen, da müssen wir Geld in die Hand nehmen, damit das in dem Zeitfenster noch rea­li­siert werden kann.


Ja, da bin ich ganz bei Ihnen, da sind wir eindeutig gut aufgestellt. Aber ganz zeit­nah sollten wir trotzdem die neuen Ventures prüfen, damit uns keine Optionen durch die Lappen gehen. Da gehe ich d'accord mit ihnen, das ist eine echte Op­por­tu­ni­ty!

______________________________  
Illustration: C.E.

Sonntag, 14. Juni 2015

Missing house

Schö­nen gu­ten Tag oder gu­ten Abend! Hier bloggt ei­ne Über­set­zer­in und Dol­met­scher­in aus Paris, Berlin, Schwe­rin und Cannes ... und immer von dort, wo mei­ne Kun­den mich brau­chen. Der Sonntag gehört dem besonderen Bild der Woche.

Ein Kunstwerk mit dem Titel "The missing house" gibt es in Berlin zu betrachten. Es ist von Chris­tian Boltanski und stammt aus dem Jahr 1995. Jahrelang war unser Büro genau ein Haus weiter. (Mit Findeglück bin ich auf diesen gelungenen Beitrag über das Werk gestoßen, der im Rahmen einer Studienreise zum Thema "Sprach­kunst im öf­fent­li­chen Raum", Leitung: Prof. Ingo Warnke, entstand.)

Boltanskis Arbeit beobachte ich nicht erst, seit ich (1999, hier ein Spiegel-Beitrag) für Alexander Kluges dctp diesen Künstler in den Beelitzer Heilstätten ver­dol­met­schen durfte. Der Rückblick, den die Akademie der Künste 2012 auf das Projekt wirft, wurde auch durch ein Video ergänzt: Hier spricht Boltanski leider Englisch. (Das ist leider derzeit Trend; den Menschen ihre Muttersprache zu nehmen ist ein Phänomen unserer Zeit.)

Gerade wird mein Rechner komplett neu aufgesetzt, dabei fand sich dieses Foto an, das auch zum von Boltanski gewählten Titel passt, wenngleich die Um­stän­de dieser Leerstelle vermutlich weitaus weniger dramatisch sind.


______________________________  
Foto: C.E.

Samstag, 13. Juni 2015

Samstagsarbeit

Will­kom­men auf mei­nen Blog­sei­ten! Ich sitze viel am Schreib­tisch oder in Dol­met­scher­ka­bi­nen, und zwar in Paris, Berlin, Hamburg oder Brüssel. Das klingt nach viel Bewegung. Ich brauche aber noch mehr davon, denn der Rücken ist anfällig. Und Sie? Haben Sie oft Rückenschmerzen? Dann hätte ich vielleicht einen Tipp!

Eine liebe Italienisch-Kollegin, Paola Manfreda aus München, hat mir auferlegt, an fünf Tagen ein Selbstportrait zu schießen. Hier: Selfie mit Vokabelliste und Wör­ter­buch.

Portrait der Autorin mit Kalender, Wörterbuch, Rednertext mit Anmerkungen und dreisprachigen Lexiken
Nachbereitung ist die halbe Miete
Eine anstrengende Woche geht zu Ende. Eine große Arte-Re­cher­che hat mich mächtig auf Trab gehalten, trotzdem war ich beim Yoga und im Pilateskurs. Last but not least gab es mehrere Dolmetscheinsätze. Ich bin NGOs wie AfricAvenir sehr dankbar, aber auch einer ungenannten In­sti­tu­ti­on, die mit einer Han­dels­de­le­ga­tion in Berlin war.

Diese durften wir im Auftrag von offizieller französischer Seite betreuen, dieses Mal nicht von der Botschaft aus, aber etwas in der Art. Ich freue mich immer wieder darüber, als Dolmetscherin viele spannende Einsichten in die Arbeitswelten anderer erhalten zu dürfen.

Hier also mein Portrait vom frühen Nachmittag. Das Picknick mit Fes­ti­val­kol­legen fliegt buchstäblich ins Wasser — Gewitter! —, also wiederhole ich meine Vokabeln, lese Reden und Lerntexte nochmal durch, markiere, übertrage und hefte ab in die passende Themenakte.

Pult von ca. 1900
Dabei stehe ich am Stehpult bzw. am Pultaufsatz für den Besprechungstisch, hier ein Beitrag dazu: klick
Passend dazu der Artikel "5 Things You Should Know About Trying a Standing Desk" und "How sitting wrecks your body".
______________________________  
Fotos: C.E. (z.T. Archiv)
Gemälde: Detlev Baltrock Den Streifen (letzter Link) zum Vergrößern
bitte anklicken!

Donnerstag, 11. Juni 2015

Auf dem Schreibtisch XXII

Guten Tag oder guten Abend! Sie sind mit­ten in ein Ar­beits­ta­ge­buch rein­ge­ra­ten, in dem sich al­les um Spra­che, Dol­met­schen, Über­setzen und Kult­uren dreht. Als frei­be­ruf­li­che Sprach­mitt­lerin ar­bei­te ich in Pa­ris, Berlin, Brüssel und gerne dort, wo Sie mich brauchen! Heute wieder: Blick auf den Schreibtisch.

Anfang der Woche haben wir für die Studiengruppe eines Großunternehmens gedolmetscht, heute Abend ist ein Vortrag dran. Nach dem Ein­satz ist im­mer vor dem Ein­satz, wir ver­wen­den das Gelernte, um gleich den nächsten Einsatz dieser Art vorzubereiten. Ebenso kann ich für heute auf die Arbeit zweier Kolleginnen zurückgreifen.

Vokabellernschreibtisch
Thematisch geht es dieser Tage um:
  • Startups in Berlin
  • Schlaf und Diabetes
  • Krimis, die den 2. Weltkrieg als Hin­ter­grund­mu­sik haben 
  • Kunstwerke aus Frank­reich, die nach 1940 vom deutschen Militär ge­stoh­len worden sind, Stichwort "Pro­ve­ni­enz­for­schung"
  • Afrika und Nachhaltigkeit
Geschichte dominiert derzeit, gefolgt von Wirtschaft, Gesundheit und Geopolitik.

Ohne Vor- und Nachbereitung würde es uns Dolmetschern oft die Sprache ver­schla­gen.

Nur die gründliche, langwierige Einarbeitung, die Arbeit an den Fachbegriffen und das Dokumentieren von Einsätzen (was wieder die Lexiken nährt) versetzen uns überhaupt in die Lage, unsere Arbeit sinnvoll zu machen. Denn Dolmetscher sind keine Sprachmaschinen, sondern mitdenkende Wesen.

Deshalb wird man uns auch in nächster Zeit nicht durch Maschinen ersetzen kön­nen, dafür sind Sprachen, Argumentationsmuster, Sprechstrategien wie Ironie, Auslassungen usw. einfach zu komplex. Oder denken Sie einfach nur an Sprach­feh­ler oder Versprecher ...

Unsere Vorbereitungszeit wird nicht extra vergütet, sie ist im Honorar inbegriffen. Die Branche denkt allerdings darüber nach, das zu ändern, seit immer mehr Kon­fe­ren­zen erst von drei auf zwei und nun auf anderthalb Tage verkürzt worden sind — bei nahezu gleich­blei­ben­der Sprecherzahl. Es gibt mehr Keynotes, die Tage werden länger, die ein­zel­nen Beiträge kürzer. Der Vorbereitungsaufwand ist damit, run­ter­ge­bro­chen auf den einzelnen Honorartag, erheblich gewachsen.

In diesem Zusammenhang erfolgt nochmal meine Warnung vor dubiosen Sprach­mak­lern, die derzeit wie die Pilze aus dem regennassen Boden schießen (sie lassen sich im In­ter­net ja auch prima mit aller vermeintlichen Seriosität simulieren): Diese bieten Ihnen als Erstkunden mög­lich­er­wei­se einen großen Preis­nach­lass an, was ja auf den ersten Blick gut klingt. Zum Dol­met­sche­r/zur Dolmetscherin ge­lan­gen von Ihrem Geld dann 40 bis 60 %. Ergebnis: Sie bekommen jemanden, der sich, weil er (oder sie) von Einsatz zu Einsatz hetzt, nicht in in der Intensität vor­be­rei­ten kann, wie Sie es zu Recht erwarten. Außerdem lassen sich erfahrene Kol­le­gin­nen und Kol­le­gin­nen auf derlei nicht ein.

Hier, wie Sie Agenturen/Sprachmakler vermeiden können: Link zu "Wie erkenne ich Freiberufler?"

______________________________  
Foto: C.E.

Mittwoch, 10. Juni 2015

POV VI: In der U-Bahn

Bonjour und gu­ten Tag! Hier bloggt eine Dol­met­scher­in und Über­setzerin. Heute folgt wieder meine Reihe POV, Point of view. Das ist der nur knapp kom­men­tierte sub­jek­ti­ve Blick auf die Spracharbeit — und was damit zu­sam­men­hängt.

Draufsicht: Drei Hände, zwei älte, eine jüngere, die eine Vokabelliste hält
Wörterliste mit Überbleibseln aus früheren Fassungen
Die alte Dame in der U-Bahn: Was lernen Sie denn da Span­nen­des?
Ich: Vokabeln.
— Ach, Sprachen konnte ich auch gut. Welche Sprache denn?
— Französisch und Englisch.
— Ach wie schön! Dann reisen Sie wohl gerne?
— Kann man so sagen.
— Ich reise nicht mehr so viel.
— Aber Sie sind in Berlin un­ter­wegs!
— Ja, jeden Tag. Ich habe sogar eine Monatskarte.
— Das ist ja schön. Oh, ich sehe, ich bin gleich da, ich muss aussteigen.
— Na dann, Kindchen, alles Gute. Sie haben doch sicher gleich eine Prüfung, oder?

______________________________
Foto: C.E.

Dienstag, 9. Juni 2015

How to work better

Hallo! Was wir Dolmetscher und Übersetzer fast täglich machen, beschreibe ich hier in meinem digitalen Ar­beits­ta­ge­buch. Heute folgt eine etwas ungewöhnliche Tätigkeit. Und da ich parallel dazu offline Englisch gepaukt habe ...


Today, I'll delete 134.000 documents, pictures and other files. Cleaning up the computer. Estimated time to comp­lete this target: approx. 4,5 years.

That's fun. The computer is something like 3 years old.
 


______________________________  
Foto: C.E. (Archiv)

Montag, 8. Juni 2015

Nicht Jacke wie Hose

Bonjour, guten Tag! Hier bloggt eine Dolmetscherin aus Berlin, Paris, Schwerin und von dort, wo Sie mich brauchen! Heute musste ich mich leider ärgern.

Anzug mit Testbildmuster
Mann mit Sendungsbewusstsein
Eine international tätige Firma aus dem Bekleidungssektor möchte eine neue Serie von Commercials drehen. Die Firma ist (auch) intensiv zwischen Frankreich und Deutschland tätig. In Berlin sollen die Auf­nah­men für die Werbefilme stattfinden. Im Vorfeld gibt es einen kurzen Tag zur Kon­takt­aufnah­me, dann ist ein Crea­tive workshop geplant, wie die Werbefilmer auch in einem deutschen Satz sagen, die­ser soll zwei Tage dauern, dann folgt ein Tag mit der Chef­eta­ge aus Paris, an­schlie­ßend drei mal zwei Drehtage in Berlin und Hamburg, am Ende noch ein Tag bei der Roh­schnitt­ab­nah­me. Zehn Tage sind es also insgesamt. Ich schreibe den Kos­ten­vor­an­schlag.

Als ich am ersten Tag, es waren drei Gespräche à maximal 50, 60 Minuten mit et­li­chen Pausen dazwischen angekündigt, ausnahmsweise alleine gedolmetscht hatte, habe ich wiederholt klargestellt, dass wir eigentlich zu zwei hätten sein müs­sen. Damals habe ich, als ausgerechnet das erste Gespräch doch gut 70 Mi­nu­ten lang dauerte, vor allen deutlich die Grenzen dessen, was so ein armes Dol­met­scher­hirn zu leisten im­stan­de ist, aufgezeigt: Ich bat um eine Pause. Anschließend wurden nochmal knapp 20 Mi­nu­ten drangehängt.

Wand, mit Nähmaschine und Maßband bemalt
Früher war die DDR das Billiglohnland
Die anderen Termine am Tag waren kurz, der eine dauerte knapp 40, der andere nur 25 Minuten. Alle waren glücklich über meine Arbeit und äußerten sich darüber hocherfreut, mich gefunden zu haben. Abends wurde auf die begonnene Zu­sam­men­ar­beit angestoßen. Tags drauf klin­gel­te es an der Tür, der Kunde hat mir sogar noch einen großen Blumenstrauß und Pralinen ins Büro geschickt.
Dass wir eigentlich immer zu zweit ar­bei­ten, hatte ich bei meinen Dankesworten auch noch einmal schriftlich bekräftigt. (Der erste Termin war so kurz­fris­tig an­be­raumt, dass ich auch niemanden mehr hinzuziehen konnten, denn er lag direkt zu Beginn der Kon­gress­sai­son.)

Wir rechnen mit zwei Dolmetscherinnen für zehn Tage. Drehs dauern meistens lange, Außendrehs besonders: hier geht's auch ums richtige Licht und darum, dass gerade kein Flugzeug zu hören ist. Wir kalkulieren daher mit einer höheren Summe als der sonstigen Verhandlungsbasis, die der Satz des Auswärtigen Amtes ist. Wir legen den Solo-Eil-Tarif vom ersten Termin zugrunde und erläutern das auch, dazu kommt ein kleiner Mengenrabatt, das ist branchenüblich.

Out of the blue geht die große Feilscherei los. To make a long story short: Das in­ter­na­tio­na­le Bekleidungslabel möchte auf jeden Fall nur eine Dolmetscherin dabei haben, und es besteht auf einem großen Mengenrabatt, mehr als 450 Euro möchte es nicht pro Tag zahlen, das Ganze als Pauschale, 4500 Euro, "bis das Projekt ab­ge­schlos­sen ist".

No way. Erstens kann ich nicht beeinflussen, welche Art von Problemen die Fer­tig­stel­lung der Filme möglicherweise verzögert. Außerdem weiß ich, was für Summen in der Werbebranche üblich sind und dass da alles extra kostet. Es tut weh, dass ausgerechnet an der nicht wertgeschätzten Spracharbeit geknausert werden soll. Und nach einem solchen Arbeitstag als Solo-Sprachartist ist ein Dolmetscher na­he­zu brain dead, weil der Haufen Wer­be­fuz­zis, der immer im Wechsel atmet, nach­denkt und spricht, ständig mehrstimmig mit (oft falschem) Denglish um sich wirft.

No hand shaking
Geiz ist eine ansteckende Krankheit
Dolmetschen ist extrem an­stren­gend, wenn Leute aber innerhalb eines Satzes ständig die Sprache wechseln und dann auch noch schlecht sprechen, ist die Anstrengung doppelt so groß, die Stab­über­ga­be unter uns Kol­le­gin­nen oft schon nach zehn Mi­nu­ten fällig.

Und auch die Filmfachtermini sind nicht ohne.

Der weltberühmte Herren- und Damenschneider, auch er lässt in Asien nähen, macht einen zweistelligen Mil­liar­den­um­satz im Jahr. Seine Anwälte hired er dort­selbst sicher auch for some bucks! Nee, nee, ich bin not amused.

Und ich mache mir über "meinen Kunden" ebenso viele Sorgen wie über unsere Branche. Wen werden sie da jetzt verheizen? Und mit welchem Ergebnis?

______________________________  
Foto: C.E. (Fabrikmauer aus Crimmitschau)

Sonntag, 7. Juni 2015

Berlin

Hallo und guten Tag! Hier schreibt eine Dolmetscherin und Übersetzerin aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. Ich arbeite in Paris, Nizza, Berlin, Köln und dort, wo meine Kunden mich brauchen. Höchste Zeit für das Sonntagsbild.

Die kommende Woche bin ich wieder durchgehend in Berlin. Neulich habe ich dort gewohnt:


______________________________
Foto: C.E.

Freitag, 5. Juni 2015

Eier, Wolle, Milch und ... Titten

Herzlich will­kom­men. Hier bloggt ei­ne Über­setz­er­in und Dol­met­sche­rin für die fran­zö­si­sche Spra­che. Meine Kunden kommen aus den Bereichen Politik, Wirt­schaft, Soziales und Kultur. Freitags sind wir hier unter uns, da darf ich etwas garstig sein. Und schlüpfrig wird es obendrein.

Schaufensterpuppe mit Eiffelturm auf dem Kopf
Pariser Chic
Über den Ticker eines meiner Verbände und Zusammenschlüsse lief neulich fol­gen­des Gesuch:
Liebe Kollegen,
für einen Arte-Dreh in Paris am So­und­so­viel­ten suchen wir zur Un­ter­stüt­zung unseres Drehteams noch einen Ka­me­ra­as­sis­ten­ten/Ton­mensch mit eigenem Auto und der Fähigkeit, französische Antworten sinngemäß ins Deutsche zu dol­met­schen.
Wer kann mit Empfehlungen helfen?
Ich habe herzlich gelacht und |spontan| im Affekt geantwortet:

"Lieber Kollege,
warum soll der Tonmensch nicht auch noch das Catering liefern und abends einen kleinen Striptease hinlegen? Paris, Stadt der Liebe, wir Franzosen sind doch da Profis!? Das Ganze natürlich zum Honorar eines Produktionsfahrers, bien sûr ! 

Nee, Scherz beiseite, das geht so nicht zusammen. Auf guten Ton zu achten ist viel Arbeit, nachsteuern, die Kamerabewegungen im Blick haben beim Angeln usw., das weiß ich von meinen wenigen Einsätzen als improvisierte Tonfrau (nach Aus­bil­dung als Hörfunkjournalistin).

Da ich im Zweitberuf Dolmetschen studiert habe, weiß ich aus Theorie und sehr viel Praxis, dass für sinngemäßes, gutes Übertragen nicht nur sehr viel geistige Präsenz und sprachliches Können notwendig sind, sondern auch die entsprechende Fähigkeit des Zusammenfassens, am besten unterstützt durch Mitschreiben der zentralen Stichpunkte.

OK, ist ja eine kleine Sache, Eurem Eierlegendenwollmilchtier auch noch einen weiteren Arm anzuhexen, oder? Sorry für meinen Sarkasmus, aber das geht auf eine solche Anfrage leider nicht anders. Finanzdruck durch die Sender nach unten weiterzugeben sollte Grenzen haben, sonst können wir jeden Anspruch, wahr­haf­ti­ge, wichtige und gute Programme für TV und Kino zu machen, gleich aufgeben.

P.S.: Nach dem Dolmetschen bin ich immer so groggy, dass ich mich nie-nie-nie ans Lenkrad eines Autos setzen würde, denn damit würde ich Menschenleben in Gefahr bringen. Dolmetschen erfordert eine zweihundertprozentige geistige Präsenz. Danach zwingt einen der Zentralrechner immer wieder in den Sekundenschlaf."

Nach Absenden meiner Antwort flatterten mir viele schöne Ermunterungen in den Briefkasten. Die schönste war die hier: "Was in Paris noch schwieriger sein soll ist, einen Parkplatz zu finden, weshalb Hamburger Filmteams (...) schon mal einen Fahrer EXTRA mitnehmen, der dann spazieren fährt während des Drehs." Stimmt!

Warum das böse T-Wort in der Überschrift in kleinen Buchstaben erscheint, lässt sich nur mit der uns selbstverständlich gewordenen Diplomatie erklären. Dolmetscher sind eher Leisetreter. Über Dolmetschen und Direktheit steht hier mehr.

______________________________  
Foto: C.E.

Donnerstag, 4. Juni 2015

Ausflug an den Stadtrand

Bon­jour, hel­lo und sa­lut ... auf den Sei­ten die­ses Blogs. Hier schreibt eine Dol­met­scher­in und Über­setzerin über ihren All­tag in Ber­lin, Paris oder Spandau, meine Arbeitssprachen sind Französisch und Englisch (hier als Ausgangssprache).

Die Speiseröhre führt nicht in den Magen
Gute Nerven wünscht mir meine Mutter noch am späten Abend. Mit den besten Wün­schen einer befreundeten Ärztin ver­las­se ich am Morgen das Haus, Aus­spra­che­training der Fachtermini gibt mir eine Kollegin per Mobiltelefon auf dem Weg. Es ist nicht immer einfach, meinem Beruf nachzugehen, aber was ich heute erlebe, ist der Alltag von Ärztinnen, Ärzten und Pfle­ge­per­so­nal. Gut gerüstet mit einer Vokabelliste und medizinischen Texten auf Deutsch und auf Französisch trete ich die lange U-Bahnfahrt an. Das Reiseziel ist die Stadtrandstraße; wie es dort aussieht, passt zum Namen. Hinter Ein­fa­mi­lien­häu­sern, Schrebergärten und Obstwiesen liegt ein Krankenhaus.

Den lustigen Teil ziehe ich vor, dann habe ich ihn hinter mir, denn zum Lachen ist mir nicht zumute: Ernährung via Tropf nennen die Deutschen eine Infusion, en fran­çais la perfusion, was zu verhuddeln nicht angesagt ist, denn unter une in­fu­sion verstehen Franzosen wiederum ... Kräutertee! (Ich habe das hier sicher schon mal gebracht, aber mit einer solchen eher lustigen "Auffrischung" begann gestern Nacht meine medizinische Lernstunde. Die Buchung war kurzfristig.)

Der Rest war traurig. Zwischen OP-Planung und Elterngespräch wurde ich begrüßt, spielte Mäuschen und schrieb erst einmal Medizinerjargon mit. Es geht um ein Frühgeborenes mit extrem niedrigem Geburtsgewicht, das nach etwas mehr als der halben 'Brutzeit' das Licht des Berliner Himmels erblickt hat. Zusätzlich zu seiner extremen Unreife leidet es unter einer "Oesophagusatresie", von Oesophagus (Öso­pha­gus, die Speiseröhre) und Atresie (nicht gebaut oder später durch eine na­tür­li­che Öffnung oder Kanal geheilt), l'atrésie de l'oesophage, auch Spei­se­röh­ren­ver­schluss genannt. Am Vorabend habe ich Wörter wie Verengung (Stenose) und pa­ren­te­ra­le Ernährung (pE, unter Umgehung des Verdauungstraktes) gepaukt.

Und wieder hat mich mein Beruf aus dem stillen Übersetzerstübchen her­aus­ge­ris­sen und mitten ins Leben hineinkatapultiert. Dabei ist die Vielfalt dessen, womit wir uns beschäftigen, wohl kaum zu überbieten. Bei meinem letzten Auftrag ging es um die Eröffnung einer Kunstausstellung, das vorletzte Gespräch drehte sich um einen Grauwasserkreislauf für einen Berliner Haushalt. Wir Dolmetscher sind Lern­pro­fis und lernen alles, wenn es nur einen lebendigen Bezug dazu gibt.

Zurück ins Krankenhaus. Im Patientenangehörigenaufklärungsgespräch geht es um den Verlauf einer anstehenden Operation und um die möglichen Gefahren. So et­was zu verdolmetschen nimmt mich regelmäßig ziemlich mit. Kurz beschleicht mich der Gedanke, dass das Kind so früh auf die Welt kam, weil sich die Natur ge­sagt hat, dass es mit der Fehlbildung am Ende nicht lebensfähig sein wird.

Neugeborenes im Brutkasten
Brutkasten mit Ventilator
Auf der anderen Seite wäre der Spei­se­röh­ren­ein­griff keine große Sache, wenn der Winzling nicht gar so mini wäre. Und Früh­gebo­re­ne haben in Deutschland eine immer bessere Prognose.

Die Hauptperson des Tages, zwei Handvoll Baby, liegt derweil nebenan im Brutkasten. Es wird nur über "das Kind" gesprochen, erst am Ende wird am Rand erwähnt, welches Geschlecht das aus dem Nest gefallene Vö­gel­chen hat. Sein Name fällt in der ganzen Zeit, ich bin anderthalb Stunden vor Ort, kein einziges Mal. Ich wünsche ihm, seinen Eltern und seinen Ärzten von Herzen das Allerbeste.

______________________________  
Fotos: Wikicommons und C.E.

Mittwoch, 3. Juni 2015

Ausführliche Notizen

Will­kom­men auf der Sei­te ei­ner Fran­zö­sisch­dol­met­scher­in und -über­set­zer­in aus Berlin. Hier kön­nen Sie Einblicke in meinen Alltag nehmen. Letzte Woche im Cen­tre Français de Wedding, einem der deutsch-fran­zö­si­schen Orte Berlins: Blick in den Notizblock, es war übrigens ein ehrenamtlicher Einsatz.
 
Wir Dolmetscher notieren im Falle von zeitversetzem Dolmetschen das, was gesagt und nachzusprechen ist, mittels Notizen in Form von Symbolen und sprach­un­ge­bun­denen Kürzeln. Soweit die Theorie. Diese Kürzel sind oft grandios in ihrer Ein­fach­heit und Veränderbarkeit.

Hier ein Beispiel:
inte —  interessant (ohne Unterstreichung)
inte —  sehr interessant (einfache Unterstreichung)
inte — außerordentlich interessant (doppelte Unterstreichung)
inte — nicht ohne Interesse  (gepunktete Unterstreichung)
........

Schon mit der Punktlinie stoße ich an die Grenzen dessen, was der Pro­gram­mier­code html erlaubt. Unterstrichen in Wellenform würde bedeuten: kein Interesse; inte — kein Interesse mehr.
 
Notizentechnik arbeitet mit Abkürzungen und vor allem mit Symbolen (siehe un­ten). Inte ist schon sehr lang, was aber nur daran liegt, dass int bereits mit "in­ter­na­tional" belegt ist. Diese Methode ist auf jeden Fall wunderbar für Sätze wie: "Ich möchte heute die hier ver­sam­mel­ten Arbeitgeber, Arbeiter und Personen der Zivilgesellschaft in der deutschen Hauptstadt begrüßen! Wir als Unternehmen arbeiten mit unseren Fa­bri­ken seit Jahren auf dem Weltmarkt, und wir tun alles dafür, dass das auch in Zei­ten der Globalisierung so bleibt!" Sie eignet sich weiter für Zahlen, Daten, Fakten (Bild­bei­spiel über Bildungsstatistik).

Zu L'Absence von Mama Keïta
Schwieriger mit Symbolen abzubilden sind Sätze wie diese: "Beim Dreh mussten wir sehr große Unterschiede überwinden. Die senegalesischen Schauspieler haben nicht viele Möglichkeiten, in Übung zu bleiben und sich zu professionalisieren, denn dort wird nur alle drei Jahre ein Film gedreht. Ich musste daher mit sehr viel Verständnis an die Sache herangehen. Ich durfte nicht ungeduldig sein, was ich sonst oft bin, durfte zugleich keine Abstriche in Sachen Qualität machen ..."
Dafür kenne ich keine Zeichen, jedenfalls nicht auf die Schnelle. Je länger ein Ge­spräch dauert, je feiner und verästelter es wird, desto mehr neige ich zum mehr oder weniger wörtlichen Mitschreiben.

Meistens notiere ich in der Zielsprache, außer, ich bin schon recht müde vom Ein­satz. In der Ausgangssprache notiere ich alles, zu dem mir in der Zielsprache nicht gleich die Entsprechung einfällt. Bin ich mir nicht ganz sicher, kann es sein, dass ich sogar beide Varianten aufschreibe, konkretes Beispiel (rechte Spalte, ab 8. Zeile): le jeune premier — der jugendliche Held.

Symbole und der Buchstabe "E"
Diese Mitschrift hat mir beim Dol­met­schen als visuelle Stütze geholfen. In der Situation selbst habe ich aber frei gesprochen und dabei die In­for­ma­tionen zusammengefasst. Der Redner, es handelt sich um den Regisseur Mama Keïta, der ganz wunderbar über seinen Film L'Absence sprach, berichtete ein­mal mit zwei inhatlich nicht mo­ti­vier­ten Schlei­fen in der Menge von drei­ein­halb No­tiz­zetteln lang, was zu be­wäl­ti­gen mir beinahe Sze­nen­app­laus ein­ge­bracht hät­te.

Und für den jugendlichen Helden gibt es einfach mal kein Symbol, es sei denn, ich hätte mir mal selbst eines ausgedacht, weil z.B. bei einer Konferenz über Dra­ma­tur­gie sehr häufig von einem solchen die Rede gewesen wäre.


P.S.: Sind mir Eigennamen nicht bekannt, schreibe ich sie so auf, wie ich sie höre, Beipiel rechts oben: der vor zwei Jahren verstorbene Mouss Diouf, der einen Zu­häl­ter gespielt hat.
______________________________  
Foto: C.E.

Dienstag, 2. Juni 2015

Wolke

Berlin, Hauptstadt der Kräne
Bonjour, guten Tag, hier bloggt eine Über­set­zer­in und Dolmetscherin. Derzeit war­ten alle darauf, dass das Frühjahr etwas sta­bi­ler und wärmer wird. Oder aber wir küm­mern uns nur auf einer rein sprach­li­chen Ebene um das Wetter.

Schön war das Wetter, nicht eine Wolke war am Himmel. 
Schön war das Wetter nicht, eine Wolke war am Himmel. 

Dieser Beispielsatz passt zum Opa, hier: klick!
Weiter im Text:

Er will, sie nicht.
Er will sie nicht.

Hier, nimm ein Gummi, Bärchen!
Hier, nimm ein Gummibärchen.

______________________________
Foto: C.E.

Montag, 1. Juni 2015

Wochenübersicht

Welcome, bienvenue, hier bloggt eine Dolmetscherin und Übersetzerin über ihren Berufsalltag. Meine Sprachen sind Französisch (als Ausgangs- und Zielsprache) und Englisch (Ausgangssprache). Ich arbeite in Paris, Berlin, Köln und im­mer dort, wo Sie mich brauchen. Derzeit bin ich in Berlin und habe noch Kapazitäten frei.

Simultane Verdolmetschung eines Arte-Drehs im Nebenraum
Was steht an? Für Arte re­cher­chie­re ich derzeit im Rahmen der Produktion einer Serie über Schlaf, Schlaf­pro­bleme und deren ge­sund­heit­li­che Folgen. Es passiert höchst selten, dass un­ser­einer "einschlägige Vor­bil­dung" in die Arbeit einfließen lassen kann. Viele Jahre hatte auch ich unruhige Nächte. Das ist vorbei, hier habe ich darüber berichtet.

Für ein anderes Projekt fasse ich das Wissen über Permakultur, Agro­forst­wirt­schaft, Milpa und alternative Formen des Wirtschaftens und der Landwirtschaft zu­sam­men. Zum Thema war ich wiederholt tätig, transition towns sind mir auch durch Dolmetscheinsätze ein Begriff.

Ich lese und lege Kärtchen an zum Thema sozialer und ökologischer Stadtsanierung im Hinblick auf die Begleitung einer Delegationsreise, die sich Berlin zum Ziel ge­nom­men hat. Auch hier beschäftige ich mich erneut mit dem Thema, inzwischen zum dritten Mal.

Planung ist die Grundlage
Anbau eines Küchen- und Ba­de­zim­mertrakts steht dann auf dem Plan, nicht in meiner Wohnung, sondern bei einem Kunden. Ich dol­met­sche gerne für (Innen-)Ar­chi­tek­ten, Bau­herren und Hand­wer­ker. Hier halte ich mich ständig auf dem Lau­fen­den, nicht zuletzt auch durch Tagungen und Sendungen wie "La maison", die ich auf YouTube oder France 5 sehe.

Dann übersetze ich für Kunden noch einen Brief und telefoniere mit einer Be­­hör­de. Last but not least steht die Nach­be­reitung meiner überwiegend kon­se­ku­ti­ven Dol­metsch­einsätze der letzten zwei Wochen an, Wahlkampf in der Türkei, geo­po­li­ti­sche Lage in Nordafrika, Tunesien und Algerien.

______________________________
Fotos: C.E. (Arbeitsplätze, Archiv)