Montag, 30. März 2015

Vor- und Nachbereitung

Guten Tag oder guten Abend! Sie sind mit­ten in ein Ar­beits­ta­ge­buch hinein­ge­ra­ten, in dem sich al­les um Spra­che, Dol­met­schen, Über­setzen und Kult­uren dreht. Als frei­be­ruf­li­che Sprach­mitt­lerin ar­bei­te ich in Pa­ris, Berlin, Marseille und dort, wo man mich braucht. Der Schreib­tisch einer Dolmetscherin ist oft auch mobil, und Vorbereitung ist die halbe Miete. Heute wieder: Blick auf den Schreibtisch.

Vor einem Ladengeschäft sitzt eine junge Frau mit dem Klapprechner an einem improvisierten Tisch
Das "Terrassenbüro", gesehen in Neukölln
Montag um acht ist ein denk­bar schlechter Termin, um ein Interview zu verdolmetschen. Vor allem der Montag nach einer Zeitumstellung an ei­nem schlechtwettrigen Wo­chen­en­de, wo es kaum Spaß gemacht hat, sich draußen auszupowern. So schlecht, dass der mobile urban wri­ting-Desk mehr eine Wunsch­vor­stel­lung oder eine Art Heraufbeschwörung ist.

Und nein, auf dem abgebildeten Fahrrad habe ich mich nicht zu nachtschlafener Zeit im Straßen dem Straßenverkehr ausgesetzt. Es gibt Tage, an denen ich meinen Kunden mit der Rechnung die Taxiquittung mitschicke. Notiz an mich selbst: Ab 2016 mit der Zeitumstellung schon Donnerstag oder Freitag anfangen, je­den­falls mit der vorgezogenen Zubettgehzeit.

Welche Themen liegen auf dem Schreibtisch?
  • Nordafrika, der vereiste Frühling der Demokratie
  • Flüchtlingspolitik
  • Sanitäre Situation in den Flüchtlingscamps der sogenannten Dritten Welt
  • Waffenlieferungen in Krisenregionen
  • Deutsch-französische Beziehungen
  • Zukunft des Euro
  • Französische Tax credits (crédits d'impôts) für ausländische Dreh­ar­bei­ten im Hexagon (ab 01.01.2016)

Die Dolmetscharbeit besteht übrigens zum größeren Teil aus Vor- und Nach­be­rei­tung, auch wenn manchmal ein Thema dabei ist, das ich aus dem Effeff be­herr­sche, so frische ich doch immer die Kenntnisse auf. Die sichtbar beim Kunden ver­brach­te Zeit ist wie die über die Was­­ser­­ober­­flä­­che her­aus­ragende Spitze des Eis­bergs: Ohne großen Eisblock darunter gibt es sie nicht.

Interviews zu dolmetschen ist immer wie eine große mündliche Abschlussprüfung zu bestehen. Die Themen beschäftigen mich im Zusammenhang mit der Sprach­ar­beit für ein Interview, Hintergrundgespräche und ein Seminar.

Dabei würde ich heute Abend viel lieber in Berlin auf die Filmpremiere eines fran­zö­si­schen Films gehen und hätte dortselbst am liebsten auch Film­ge­spräch und zu­vor die Pres­se­in­ter­views gedolmetscht so­wie am Electronic Press Kit mitgearbeitet. Aber das ist leider heutzutage fest in der Hand der berichterstattenden Jour­na­lis­ten, wobei dabei eher (meistens) sinngemäß und verkürzend übertragen wird. Schade. (Auch das ein Verfall der Pres­se­ethik, siehe dazu die Debatte über die Medien der letzten Woche.)

Vokabelnotiz
die Spitze des Eisbergs — la partie émergée de l'iceberg (wörtlich: siehe oben)


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Foto: C.E. (Archiv)

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