Montag, 9. März 2015

Bürotage

Bon­jour und gu­ten Tag auf den Sei­ten mei­nes di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs. Ich dol­met­sche und übersetze, Hauptsprachen sind Deutsch, Französisch und Englisch (dieses Idiom nur als Ausgangssprache). Nach Rekonvaleszenz und einer sehr langen Woche in Frankreich stehen einige Bürotage an. Heute wieder der Blick auf meinen Schreib­tisch.

Arbeitsplatz (Archivaufnahme)
Arbeitsplanung
Nachbereitung der letzten Ta­ge lautet das Stichwort, also möchte ich die Wort­fel­der der in­ter­na­tio­na­len Ju­gend­ar­beit, der Aus­tausch­pro­gram­me und Frei­wil­li­gen­diens­te beackern, nein, gründ­­lich durchpflügen. Nicht tief durchgepflügt wer­den die Beete in der scho­nen­den Per­ma­frost­kul­tur im Dé­par­te­ment Landes, wo ich letzte Woche auf De­le­ga­tions­rei­se war.

Der éco-lieu Jeanot ist ein experimenteller, pädagogischer und soziokultureller Bau­­ern­­hof, der von Jugendlichen selbst aufgebaut wurde. Er passt zu meinen frü­he­ren Einsätzen zu den Themen Agroökologie, Agrarforstwirtschaft und Tran­si­tion der land­wirt­schaft­li­chen Produktionsweisen (siehe die Filme von Marie-Mo­nique Robin und Nils Aguilar). Auch hier lese ich mich weiter ein und bilde mich fort, denn nach dem Einsatz ist immer auch vor dem Einsatz.

Das Thema Jugendarbeit im länd­li­chen Raum gehört zum Thema Sozialgeographie Frankreichs, das ich auch in unregelmäßigen Abständen auf dem Tisch habe.

Frankreich steckt tief in der Krise, außerhalb der reichen Vier­tel großer Städte und der umsatzstarken Branchen herrscht an vielen Orten ein pes­si­mis­ti­scher Grundton vor: Die Preise galoppieren davon, die Gehälter wachsen nicht im gleichen Maß, Un­ter­be­schäf­ti­gung und Arbeitslosigkeit, be­son­ders unter Jugendlichen, sind große Themen.

Une autre histoire des "Trente Glorieuses", contestations et pollutions dans la France d'après-guerre Céline PESSIS, Sezin TOPÇU, Christophe BONNEUIL
Auf der Leseliste
Manche Autoren bescheinigen Frankreich eine handfeste Identitätskrise; der für Skan­dal­äu­ße­run­gen bekannte Redakteur der Zeitung Le Figaro Eric Zemmour bescheinigt seinem Land sogar Selbstmordabsichten in dem pamphletischen Buch Le suicide fran­çais, das das Jahr 1986 als Aus­gangs­punkt der moralischen Krise sieht.

Hier bietet sich eine parallele Lektüre mit dem Buch Une autre Histoire des "Trente Glorieuses" an, wie die Wirt­schafts­wun­der­ja­hre der Nachkriegszeit bis zum ersten Ölpreisschock genannt werden. Die Autoren nehmen die Begriffe Modernisierung, Pro­test­be­we­gung und Umweltverschmutzung als Grundlage für die Interpretation der Epoche.

Weitere Antworten erwarte ich vom Buch What is wrong with France? von Laurent Cohen-Tanugi.

Was lese und lerne ich sonst noch? Finanzwirtschaft (heute beginnt Mario Draghi mit seiner umstrittenen Geldschwemme), Architekturgeschichte der Stadt Paris, Ost-West-Kon­flikt aus der Sicht einer im Libanon geborenen Künstlerin. Hier darf ich für Arte gedrehtes Material simultan verdolmetschen.

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Fotos: C.E.

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