Sonntag, 23. November 2014

Schlesischer Busch

Bonjour und guten Tag! Interessieren Sie sich für Dolmetschen und Übersetzen? Dann sind Sie hier auf meinen digitalen Tagebuchseiten richtig. Sonntags werde ich privat, da haben meine Einträge nicht unbedingt mit Sprachen zu tun.

Eine neue Aufnahme der Reihe Sonntagsbilder: Wer nicht weiß, worum es sich bei dem Gebäude mitten auf einer Parkwiese handelt, denkt vielleicht an ein Tra­fo­häus­chen. Seh'nse, och det is Balin!

Ergänzung: Und weil von einigen Lesern eine Auflösung bzw. Links erbeten worden sind, sollen diese folgen. Hier hat die Stadt Berlin die Ecke am Ende der Schle­si­schen Straße gut beschrieben, der Grenzwachturm kommt auch vor: klick! Die Loh­müh­len­in­sel mit ihren Uferbars und der ältesten Berliner Tankstelle (im schöns­ten Nautic style!) wurde hier letzten Juli in der Morgenpost beschrieben: klack. Zitat: "Der sanft geschwungene, weiße Bau von 1928 verschwindet fast hinter dem hellen Plastikblau einer Aral-Tankstelle." Diese Diskrepanz kann ich ja am Ende der Woche bringen, vorausgesetzt, dieselbe schenkt uns noch einige Sonnenstunden.

Grenzkontrollturm im 'Schlesischen Busch'
Schlesischer Busch: Wo früher eine Grenze war, ist heute ein Park
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Foto: C.E. (Für G.C., manchmal wächst auch
Gras über einschneidende Erfahrungen)

Freitag, 21. November 2014

Synchrondolmetscher?

Liebe Leserin, lieber Leser, hier schreibt eine Dolmetscherin und Über­setzerin. Mit meinen Fachgebieten kümmere ich um Politik, Wirtschaft, Kultur, Medien und Kino.

Blick auf den Schreibtisch, Diktiersoftware in Arbeit
"Guten Tag, hier ist die Firma Filmhütte aus M., bin ich da richtig bei Dolmetschern?"

"Ja, Sie sind hier richtig, ich bin Dolmetscherin und Teil eines Kollegennetzwerks!"

"Ich suche eine Syn­chron­dol­met­scherin. Könnten Sie mir helfen?"

"Vermutlich ja. Was suchen Sie genau?"

"Einen Synchrondolmetscher oder eine Synchrondolmetscherin!"

"Was verstehen Sie denn darunter?"

"Synchrondolmetscher? Ich denke, Sie sind der Profi!"

Spracharbeiter finden das witzig. Der kurze Dialog ist aber kein Witz, denn er be­darf einer Erkärung für Außenstehende.

Synchron: Vertonung von Filmen in einer anderen Sprache. Nach einer Roh­über­setzung wird das Dialogbuch mundgerecht getextet, dann sprechen Schauspieler die in "Takes" eingeteilten Dialogfetzen ein, dann wird das Ganze gemischt.
Dolmetschen: Übertragung von gesprochener Sprache, was nahezu zeitgleich (si­mul­tan) oder in Pausen hinein (konsekutiv) geschehen kann.

Die häufigste Dolmetschart heißt Simultandolmetschen, der Arbeitsort ist die Dol­metsch­ka­bi­ne; die Synchronarbeit findet im Synchronstudio statt.

Die Dame braucht unsere Hilfe für eine Konferenz.

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Foto: C.E. (Archiv)

Donnerstag, 20. November 2014

Speisenfolge

Bienvenue auf den Sei­ten ei­nes vir­­tu­­el­­len Ar­beits­­ta­­ge­buchs aus der Welt der Sprachen. Ich bin Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache und aus dem Englischen. Derzeit ist hier viel zu tun, deshalb werden die Einträge kürzer.

Wir leben von Sprache
Texte lektoriert, viele Buch­sta­ben herausgelesen: Jetzt koche ich uns daraus rasch eine Buchstabensuppe. Der Kollege steuert Text­schnitzel bei.

Dazu gibt's Kraut und Rüben aus einem Entwurf, der so wenig ausgegoren war, dass wir ihn vor dem Über­setzen ans Autorenteam zu­rück­ver­wie­sen haben.

Als Beilage genießen wir einen kleinen Wortsalat.

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Illustration: C.E. (Archiv)

Mittwoch, 19. November 2014

POV IV

Bonjour und gu­ten Tag! Hier bloggt eine Dol­met­scher­in und Über­setzerin. Heute folgt wieder meine Reihe POV, Point of view. Das ist der nur knapp kommentierte sub­jek­ti­ve Blick aus der Spracharbeit.

théâtre d'ombres chinoises
"Sie können das jetzt auch hier ab­le­sen!", sagt die Mi­nisterin und weist auf ihr Ma­nuskript, nachdem der Dol­met­scher zu­nächst abseits gestanden hat, um seine No­ti­zen in den Block zu schrei­ben. Er nimmt das Angebot gerne an und nä­her­t sich dem Steh­pult, einer willkommenen Schreibunterlage. Dann no­tier­t er sich weiter, was die Dame zu sagen hat.

Dolmetschnotizen sind Gedankenstützen, und sie machen Strukturen von Reden, die dann freier übertragen werden, sichtbar.

Traduction à vue, vom Blatt dolmetschen, was die Ministerin implizit vor­ge­schla­gen hat, ist eine andere Arbeitsweise. Dazu benötigen wir die Redentexte, die ab­ge­le­sen wer­den, im Voraus, um die Texte durchzugehen und mit visuellen Le­se­zei­chen zu mar­kie­ren.

"Der Fotograf, die Ministerin und ihr Dolmetscher": Der Titel des Bildes klingt nicht zufällig nach Film, es gibt dieser Tage viel in Sachen Kino, Film, Internet und der­glei­chen zu besprechen.

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Foto: C.E. (Wer sieht das Kameraobjektiv?)

Samstag, 15. November 2014

Glossare

Hal­lo und gu­ten Tag! Hier bloggt ei­ne Sprach­ar­bei­ter­in. Ich über­setze und dol­met­sche, dabei stehen die Sprachen Französisch (als Ausgangs- und Zielsprache) und Englisch (nur als Ausgangssprache) in meinem Fokus.

Dabei arbeiten wir mit Wörterbüchern, eigenen Lexiken und fremden Glossaren. Im Internet gibt es zum Glück immer mehr davon. Hier ein guter Link: Terminology websites.

zum Teil unsortiert, weil in Arbeit
Die Liste führt als Portal Sei­ten auf, bei denen auch die Nutzer ihre Listen hoch­la­den, er­gän­zen und teilen können. Diese Art von weltweitem, nicht pro­fit­ori­en­tiertem Aus­tausch ge­fällt mir sehr gut.

Mal sehen, wann unsere kom­bi­nier­te Urbanismus-Wohn­bau-Mo­der­ni­sie­rungs­lexik (siehe Bild) so weit ist, dass wir sie teilen können.

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Illustration: C.E. (work in progress)

Mittwoch, 12. November 2014

Reinschrauben

Hallo! Willkom­men! Schön, dass Sie auf den Sei­­ten meines Blogs ge­­lan­­det sind. Hier schrei­be ich über meinen Sprach­­be­­ruf: Ich bin Dol­­met­­scher­in und Über­­setzerin für die französische Sprache (und aus dem Englischen).

Den schönen, langen Sommer über haben wir jeden Tag ein wenig gelernt, oft eine Stunde lang oder zwei, nicht viel jeden Tag, dafür oft auch samstags oder sonn­tags. Hin­tergrund: Bereits vor Sommerbeginn waren wir für eine drei Monate spä­ter statt­fin­den­de Konferenz zum Thema Gesundheitsmanagement gebucht. Also haben wir uns mit der Organisation von Kran­ken­häu­sern beschäftigt, mit der Be­nen­nung von Sta­ti­o­nen, Pflegepersonal, häufigen Krankheiten in der Not­auf­nah­me etc.

Eine Art medizinischer Grundbleiche war inbegriffen. Gelernt ha­be ich mit fran­zö­si­schen Schulungsunterlagen von Pflegekräften, die im Netz öf­fent­lich zugänglich waren, außerdem mit Kursen auf akademischem Niveau, den sogenannten MOOCs.

Verschattungselemente
Ein Massive Open Online Course ist ein Se­mi­nar, das oft aus regulären Hoch­schul­an­ge­boten hervorgegangen ist. Hier verbinden sich Vorlesungsanteile mit Tests und Haus­ar­bei­ten, die anzufertigen sind. Ergänzt wird das Ganze durch Online-Foren, auf denen sich die Teilnehmer austauschen können. Ich habe die ersten Kurse ohne ein Zertifikat absolviert, fange aber jetzt an, mich auch offiziell an­zu­mel­den und "Punkte" zu sam­meln.

Zu Herbstanfang hatten wir dann wiederholt Kunden aus dem Bereich Ge­sund­heits­ma­nage­ment, Seuchenbekämpfung und ver­nach­läs­sig­te Tropenkrankheiten. Am Ende sind wir von unseren Themen immer begeistert.

Irgendwie können wir uns in alle Themen reinschrauben. Oder doch eher so herum: Wir nehmen nur Themen an, die uns liegen und in denen wir gerne Zeit widmen. Die Freude steigt noch, wenn die Arbeit zur Zufriedenheit der Kunden ausfällt. Beim Abschiedsessen einer der Medizinkonferenzen erreichte uns die wunderbare Frage: "Haben Sie neben Gesundheitsmanagement noch andere Spezialisierungen?" Was für eine Freude! Wir haben es also vermocht, die vielen Profis angemessen rü­ber­zu­brin­gen und uns auch mit unseren eigenen Fragen bei Tisch nicht zu dis­qua­li­fi­zie­ren.

Dieser Tage habe ich mal wieder mit Baugruppen, genossenschaftlichem Wohnen und Passivhäusern zu tun. Samstag stehen wir in der Küche einer Kunst­ge­schicht­le­rin und eines Ga­le­ris­ten, die Architektin erklärt das von ihr gebaute Mehr­fa­mi­li­en­haus. Ich bin in Vorbereitung eines Dolmetschtermins hier und stelle eine Frage. Darauf die Ar­chi­tek­tin: "Ach, Sie sind Kollegin?"


Vokabelnotiz
Verschattungselemente — éléments d'ombrage oder einfacher volets
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Fotos: C.E., die  Häuser oben und unten (rechts)
stammen von Deimel Oelschläger Architekten

Dienstag, 11. November 2014

Rechenstündchen

Willkommen auf den Seiten meines virtuellen Arbeitstagebuchs. Hier schreibe ich über den Berufsalltag von Sprachmittlern, über Sprache, kulturelle Unterschiede und Bildungstehmen.

Spontan einsetzbar sind wir schon, aber auch nicht immer. Da sucht eine Firma für in zwei Tagen (!) eine Dolmetscherin mit Deutsch als Muttersprache für DE<>FR, so kürzen wir unsere Sprachen ab. Schauen wir genauer hin.
DRINGEND! Anreise übermorgen, Abreise zwei Tage später, 1. Abeitstag acht Stun­den, 2. Arbeitstag fünf Stunden, Gegenstand: Technische Schu­lung/Se­mi­nar, 80 Teilnehmer. Businesslook, Sicherheit im Sprechen vor Publikum, her­vor­ra­gen­de Kenntnis der betreffenden Sprachen. Rei­se-, Hotel- und Restau­rant­kosten werden übernommen, Preis für das Über­setzen: 60 Euro die Stunde. Mikrofon/Kopfhörer vorhanden.
Super, schick, großes Kino, seit wann setzen Kunden unser Honorar fest? Dieser Preis pas­­st nicht zum Berufsbild und eine Flüsteranlage ist bei derart langen Ver­an­stal­tun­gen ein Problem. Denn Räume sind laut, Sprecher auch, und wenn wir die ganze Zeit reinreden, steigt der Pegel für alle. Wer wie wir mit Sprache (also mit den Ohren) arbeitet, ist akustisch besonders empfindlich.

Die akustischen Bedingungen sind ein großer Stressor und oft Grund für vorzeitiges Ermüden. Ein solches Setting bedeutet: Hier knistert einer mit dem Bonbonpapier, der Assistent kommt kurz herein und sagt der Chefin etwas, einer niest, eine an­de­re schenkt sich spru­deln­des Mineralwasser nach und der Videobeamer brummt oh­ne­hin die ganze Zeit. Für normale Zuhörer mag das kein lautes Umfeld sein, für Dolmetscher, die sich selbst "reinsprechen", also möglichst akkurat "darunter" noch die Stimme der Redner hören müssen, ist es das schon.

Und handelt es sich hier um einen Zufall, dass hier nicht von ei­ner zwei­ten Kol­legin/einem zweiten Kollegen die Rede ist? Bei allem, was länger als 20, 30 Mi­nu­ten dauert, brauchen wir die zweite Kraft. Dolmetschen ist mentaler Leis­tungs­sport, Multitasking, dazu braucht es ein besonderes Training. Die einzelnen Dol­metsch­pha­sen sind wie Sprintläufe. Keinem Sprinter würde man abverlangen, in seinem Sprinttempo einen Marathon zu laufen.

Dass unsere Ar­beit hier "übersetzen" und nicht "dol­mets­chen" genannt, wird, ge­schenkt!

Hier unsere Art des Rechnens:
(Tagessatz 750 Euro) hoch 2 plus Überstundenzuschlag (ab sechs Stunden netto) von 120 Euro pro Dolmetscher(in) vor Steuern plus Nebenkosten (Technik, Reise, Kost/Logis), Reisezeitvergütung am 12.11.


In Berlin koste die Stunde Wahrsagen bei der beliebtesten Glaskugeldame hun­dert Euro, so die Kolleginnen, und man müsse acht bis zwölf Wochen auf einen Termin warten. Ich weiß schon gleich und ganz kostenlos, dass sich auf die Suchmeldung da oben kein Profi melden wird.


P.S.: Die Tagessätze sind nur ein Beispiel und können bei sehr anspruchsvollen Themen auch darüber liegen. Bei längeren oder regelmäßigen Einsätzen sowie weniger gut dotierten Kunden oder für Projekte, die aber wichtige und span­nen­de Ziele verfolgen, geben wir Nachlässe.
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Illustration: eigene Tabelle

11.11.

Hallo! Sie haben zu­fäl­lig oder ab­sicht­lich eine Seite meines digitalen Ar­­beits­­ta­­ge­­buchs auf­ge­schla­gen. Ich bin Dol­metscherin und Übersetzerin für Politik, Wirt­schaft, Me­dien, Soziales und Kultur.

Gleich noch ein Gedenktag, dieser 11. November, und nein, ich meine nicht "elf Uhr elf", den Beginn des Karnevals und der "fünften Jahreszeit". In Frankreich ist heute Feiertag zum Gedenken an den Waffenstillstand des Ersten Weltkriegs. Für mich ist und bleibt dieses Aufeinandertreffen merkwürdig.

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Foto: folgt

Montag, 10. November 2014

Filmtipps

Bonjour, guten Tag! Sie lesen im ersten Dolmetschweblog aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. Derzeit hält Deutschland inne und gedenkt der Geschichte. Dazu einen Medientipp.

Vor genau 76 Jahren bekam die Judenverfolgung durch die Nazis zum ersten Mal an vielen Orten gleichzeitig eine eindeutige, brutale Gestalt. Kurios, dass sich die Reichsprogromnacht und so viele andere Ereignisse in Deutschland das Schick­sals­da­tum 9. November teilen müssen.

Die französische Fernsehprogrammzeitschrift Télérama zeigt dieser Tage einen Do­ku­men­tarfilm im Netz über die Geschichte einer jungen jüdischen Frau im von den Deutschen be­setzten Paris. (Leider ist der Film nicht untertitelt. Er zeigt aber viel Foto- und Filmmaterial aus der Zeit und sehr behutsam gefilmte "Subjektiven", die vor allem aus Blicken auf architektonische Details bestehen.)

Hélène Berr, une jeune fille dans Paris occupé via Telerama_Doc, Regie: Jérôme Prieur.

Hélène Berr (1921-1945)
Hélène Berr, sie studierte damals Li­te­ra­tur und Sprachen, war einige Jahre älter als Anne Frank und ist im selben Lager gestorben, ebenfalls kurz vor der Be­frei­ung.

Der Film basiert auch auf einem Tagebuch, das vor einigen Jahren auch auf Deutsch vorgelegt worden ist.


Sprung in die Gegenwart, gleich noch ein Filmtipp: Von Marie-Monique Robin äuft noch bis morgen am frühen Abend "Wachstum, was nun?" im Arte-Wie­der­ho­lungs­ka­nal Arte+7. In Zeiten, in denen die Anfälligkeit unseres Lebensraums längst au­gen­fäl­lig geworden ist, rufen viele weiterhin ständig nach mehr Wachstum. Was wäre ein alternatives Wirtschaften jenseits der Größer-weiter-schneller-Logik?

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Foto: Hélène Berr

Sonntag, 9. November 2014

Sebastianstraße gestern Nacht

Guten Tag oder guten Abend! Hier bloggt eine Berliner Spracharbeiterin.

Wegen eines Baugerüsts konnte ich nicht exakt den gleichen Standort einnehmen, wie im Herbst 1989.


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Foto: C.E.
Idee der Lichtgrenze: Christopher und Marc Bauder

Samstag, 8. November 2014

25

Bonjour, guten Tag! Hier schreibt eine Dol­met­scher­in und Über­setzerin für die fran­zösische Sprache. Themen, die mit deutscher Geschichte zu tun haben, be­ar­bei­te ich meistens gerne. Das hat seine Gründe.

September vor 25 Jahren war ich mit meinem Vater zu Besuch in Berlin, wir mach­ten einen langen Spaziergang die Mauer entlang. Er erzählte mir von seinem Ber­liner Leben, das Jahrzehnte zurücklag, er hatte den Mauerbau in Berlin erlebt; ich war damals erfüllt von meinen Anfängen im Hörfunk. Als blutjunge Studentin hatte ich das Glück gehabt, ein Praktikum beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu er­gat­tern und anschließend frei weiterarbeiten zu dürfen. So pendelte ich in diesem Jahr 1989 viel vom Studienort Paris zum Sender Freies Berlin.

Die Westberliner sahen die Mauer damals kaum noch; sie schien sie auch nur wenig oder gar nicht zu bedrücken. Für das Gros der Westdeutschen gehörte die DDR längst nicht mehr zu Deutschland, und das nach dem Mauerfall schnell aufgelöste "Bun­des­mi­nis­te­ri­um für innerdeutsche Beziehungen" war weit von den ost­deut­schen Realitäten ent­fernt.

Zwei Filme habe ich damals belichtet. Einer ging verloren, weil das Fo­to­fach­ge­schäft, das den zweiten Film zur Entwicklung angenommen hatte, nach dem 9. November geschlossen war. Der andere zeigt nur Mauerabschnitte auf unserem Weg durch Kreuzberg und fremde Menschen auf einem Hochstand. Meinen Vater habe ich nicht portraitiert, und er auch mich nicht.


Ohne die Verquickung meiner Familie mit der deutschen Teilung und wenn ich nicht in der Nacht des Mauerfalls in Berlin gewesen wäre, würde ich heu­te in Frankreich oder Spanien leben. Mit meiner gesamtdeutschen Identität war ich im alten Westdeutschland immer ein wenig fremd, was mir das Auswandern nach Frankreich und das Ankommen in Paris erleichtert hatte. Heute wundere ich mich manchmal, wieviel Ignoranz mich in Deutschland fortgesetzt umgibt. (Wenn die aus dem Ausland kommt, tut es zwar weh, ist aber weniger überraschend.) 


Hier (fast) die gleiche Stelle, aber 25 Jahre später: klick.
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Foto: C.E. (Archiv)

Freitag, 7. November 2014

Aufwachen im Hotel

Geplant oder zufällig sind Sie mitten in meinem digitalen Arbeitstagebuch ge­lan­det. Ich habe beruflich mit Sprache zu tun. Unsereiner leidet nicht selten an über­schar­fer Wahrnehmung, was Idiome angeht.

Auch die Blüte ist ein Blickfänger
Ein früher Morgen: Die auf­wa­chen­de Sprach­ar­bei­ter­in in der "Herberge auf Zeit" glück­­lich zu machen, ist ab und zu einfach. Hier ein klei­nes Mad­ley aus Zi­ta­ten von vor Ort, abgerundet durch Netzfunde.

Zu Kontinentalfrühstück wer­den un­se­re Kunden jeden Mor­gen von 5:00 bis 7:00 Uhr in die Buffet gegen Gebühr an­ge­bo­ten.

Frühstück Express für diejenigen, die nicht so stark Frühstück brauchen  kon­­zi­piert. Hier ist die Chance, etwas zu schnell, aber komplett, bevor Sie Ihren Ar­beits­tag oder Sightseeing in Paris zu packen.

Es bietet auch die Möglichkeit, das Frühstück zu genieben. Das Royal Hotel **** Europa Frühstück (7:00 bis 10:00 Uhr) wird alle Ihre Be­dürf­nis­se helfen Ihr Speisen zu komponieren:
Sind Sie Frühstück eher "salzig" oder eher "Zucker" ? Französisch traditionellen Ge­bäck ? Backene Kartoffeln ?
Scheiben Brot (Normalpapier, vollständige ...), Zwieback ? Oder einer Flasche des Champagner?
Die verschiedenen Rottöne der Konfitüre Auswahl nehmen Ihre Blicke gefangen.

Auf Wunch bringen wir auch das Früstück in Ihr Zimmer.

Eine große Auswahl an warmen und kalten Getränken wird Ihre Momentaufnahme zu begleiten.

!! Gute momento !! Unser bester Preis für Ihren Aufenthalts, XYZ Euros.

Die aufmerksame Ausstattung und ein freundlicher Service sorgen dafür, dass Sie garantiert wiederkommen!

Heute kann ein großer Tag sein, so verpassen Sie nicht Ihre Chance und genießen Sie ein gutes Frühstück im Royal Hotel **** Europa. 

"Hotel Moderne" steht drauf, aber der Eindruck vermittelt sich, als würde der Leuchtkasten mit der Inschrift die ganze Fassade zusammenhalten ...
Die Textbeispiele sehen so aus, als würden sie von hier stammen
Solche 'über­set­ze­ri­schen' Glanz­leistun­gen sind ja lustig, aber sie er­in­nern an irgendwelche Pi­nö­kel aus Plastik für drei Cent asia­ti­scher Provenienz, die kein Mensch braucht und deren Be­die­nungs­an­lei­tung sich so liest, als hätte sie ein Computer übersetzt. Traurig, dass es sowas bei renommierten Hotels heute noch gibt.

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Fotos: C.E. (Die Namen der Hotels
wurden, sofern möglich, geändert.)

Donnerstag, 6. November 2014

Gift!

Will­kom­men auf den Sei­ten ei­nes vir­­tu­­el­­len Ar­beits­­ta­­ge­buchs aus der Welt der Sprachen. Ich bin Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache und aus dem Englischen. Heute ist mir bei der morgendlichen Zeitungslektüre einiges aufgefallen.

alte Kasse
21,50 € gab es in den Nuller Jahren je Seminarstunde (Ost)
Die "Zeit" berichtet endlich an­ge­messen über die Situation der freien Lehrbeauftragten an deutschen Hochschulen, hier am Beispiel der Mu­sik­hoch­schu­len. Ich kenne das Problem seit den Nuller Jahren, weil ich selbst jahrelang un­ter­rich­tet habe. Meine Versuche, das Thema bei den Medien un­ter­zu­brin­gen, waren alle fehl­ge­schla­gen. Die "Zeit" bringt eine schimpfende Anne-Sophie Mutter.

Offenbar war der Zorn der weltberühmten Geigerin nötig, um die Mauer der Ig­no­ranz einzureißen. Dabei ist die Sache wirklich ein alter Hut und gilt für alle freien Hochschullehrerinnen und -lehrer, die hierzulande roundabout 30 % der Lehre ga­ran­tie­ren (in manchen Fächern bis zu 45 %). Mit der Demokratisierung der Bil­dung in der westdeutschen Bundesrepublik nahm die Zahl der Lehrenden zu, nicht aber ihre Bezahlung. Sie wurde oft eingefroren: Was damals 40 DM waren, sind heute 20 Euro, das ist die Unterkante des Honorars für die gehaltene Stunde, womit Vor­be­rei­tung, Wege- und in der Regel nicht vergütete Prüfungszeiten abgegolten sind.

Ziehe ich jetzt noch Materialkosten ab, wissenschaftliche Bücher stehen nicht im­mer gleich bei Veröffentlichung in den Bibliotheken, und das, was auf der Le­se­liste der "Freien" steht, noch seltener, sind die freien Hochschullehrer die geknechteten Ein-Eu­ro-die-Stun­de-Jobber der hiesigen Bildungslandschaft. Denn viele hoffen lan­ge auf den steinigen und statistisch unwahrscheinlichen Aufstieg. Wer Professor wer­den möchte und sich habilitiert hat, darf unentgeltlich lehren, muss es sogar einmal im Jahr, um seine Lehrberechtigung nicht wieder einzubüßen.

Diese Situation und dass die Honorare der freien Hochschullehrer seit den 1970-er Jahren nicht mehr angepasst wurden, folgt der reinen Marktlogik von Angebot und Nachfrage. Kurz, wir haben es hier mit einer Bildungswüste Deutschland zu tun, Frau Merkel!

Für die Rente lässt sich da nichts zurücklegen. Damals deckte mein fürstliches Ho­no­rar bei 1,5 Veranstaltungen nicht einmal die deutsche Krankenversicherung im Lehrzeitraum ab, da der "Eingangspreis" für Freiberufler willkürlich hoch angesetzt worden ist.

Wer bleibt übrig in der freien Lehre? Der sogenannte "Mittelbau" ist in den letzten Jahrzehnten bewusst "abgeschmolzen" worden. Übrig bleiben Dozenten, die vor allem für die Erledigung anderer Aufgaben entlohnt werden und die sich nicht sel­ten von Zeitvertrag zu Zeitvertrag hangeln und Leute mit festem Gehalt, die, weil's den Lebenslauf schönt, ein wenig unterrichten, ferner von Ein­kom­mens­trans­fers durch Part­ner, Eltern, Grundsicherungsamt Begünstigte, darunter auch Men­schen ohne echte Alternativen. Hier findet eine reine Zufallsauswahl statt, soziale Kri­te­ri­en sind wirksam, inhaltliche Kriterien allenfalls sekundär. Soll dieses re­prä­sen­ta­ti­ve Panel den Nachwuchs "formen"?

Einmal hatte ich an einem x-beliebigen Tag, an dem beides anfiel, den direkten Vergleich. Eine Stunde Lehre vor Studis: Ein Euro. Eine Stunde Dolmetschen eines politischen Frühstücks: netto 300 Euro (*). Kein Investment in die Zukunft!

Und noch ein Punkt landet langsam in den Medien, endlich! Vor längerer Zeit habe ich hier über die Plastikhüllen als Wärmeverbundisolierung gewettert, die zu­neh­mend unsere Häuser verunstalten. Dass die auch noch brandgefährlich sind, war vielen schon lange klar. Der Spiegel berichtet nun über Behörden-Tests: Däm­mung an Mil­lionen Häusern kann Brände anfachen. Der verbaute Kunststoff mit seinem Chemi­ka­li­en­cock­tail wird seit Jahren zum Beispiel an die Special-Effects-Menschen vom Film verkauft und heißt dort Brandbeschleuniger.

Beim Brand von Styropordämmplatten entstehen oft giftige Dioxine. Ich hatte so einen Fall mal als Übersetzerin mit Plastikfenstern der ersten Generation, die im Feuer so viel Gift freigesetzt hatten, dass das Haus abgerissen werden musste.

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Foto: C.E. (Archiv)
(*) was 35,3 % der Gage war. Der Rest
entfiel auf Vorbereitung und Anreise.

Mittwoch, 5. November 2014

streikbedingt

Bienvenue und herzlich willkommen beim ersten Weblog Deutschlands aus dem Inneren der Dolmetscherkabine! Hier schreibt eine Übersetzerin und Dol­met­scher­in, deren zweite Hauptarbeitssprache Französisch ist.

1700 Euro netto im Monat nach 20 Jahren, in dieser Größenordnung liegt das Ein­kom­men von Lokführern und ich kann ihren Streik verstehen. Auf der anderen Sei­te nervt die Streikerei mächtig. Neulich war meine Schwester hier, aber weil ihr Abend­zug bestreikt wurde, eilte sie nach dem Mittagessen aus dem Haus und der geplante Sonntagsspaziergang an einem sehr sommerlichen Herbsttag musste aus­fal­len. Schade, denn wir sehen uns nur dreimal im Jahr!

Zugfenster, vorbeisausende Landschaft, Laptop, Buch, Textmarker
Das Leben in vollen Zügen genießen
Damals lag mein Minus wegen streikbedingt verlorener Auf­trä­ge bereits bei 1.950 Euro, ein Job ließ sich verlustfrei tauschen, bei einem anderen Tausch fiel mir der schlech­ter­be­zahl­te Auftrag zu. Diese Woche kommen 750 Euro auf die Rechnung drauf. (Ach­tung, bei Freiberuflern sind Umsätze nicht gleich Ein­kom­men. Die Bank rechnet mit ca. 50 % Gestehungskosten.)

Freiberufler haben keine Streikkasse. Und ob ich am Ende die 4.090,00 Euro für eine Bahncard 100 in der 2. Klasse (bei Ein­mal­zah­lung) erreichen werde? (Und wenn ja, wo kann ich mir die dann abholen? [Ja, das ist jetzt Ironie.]) Das könnte ich vielleicht sogar schaf­fen, wenn ich den Pilotenstreik mitrechne, der ja auch schon in einen der vier oder fünf wichtigsten Konferenzmonate des Jahres fiel. Denn bevor die Kosten der Um­bu­chun­gen für anreisende Spracharbeiter ins Un­er­mess­li­che steigen, halten es alle Beteiligten für zu­mut­bar, dass Kollegen aus der Region kurzfristig, also mit geringster Vorbereitung, in die Kabine gehen ... und wir manchen Auftrag, der nicht zum Fachgebiet gehört, hier übernehmen. Der Stress steigt weiter.

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Foto: C.E. (Archiv)

Dienstag, 4. November 2014

abgebissen

Hallo! Sie haben ein digitales Logbuch aus der Welt der Sprachen angesteuert. Hier schreibe ich über meinen Berufsalltag als Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache. Auch, wenn ich privat bin, sammele ich Wörter.

Es ist Zeit, eine kleine Vokabelnotiz nachzutragen. Neulich waren wir privat bei einer Familie eingeladen, die aus dem Baltikum kommt.

Wodka wärmt in der kalten Jahreszeit
Es gab Fischbrötchen und ähn­li­che Happen, Obst und Kekse. Zum Auftakt aber wurde Wod­ka serviert. Meine Al­ko­hol­er­fah­run­gen sind höchst über­schau­bar, ich gehöre zu den Menschen, die gerne mal ein Glas Wein zum Essen trinken. Anfangs nippte ich am Wod­ka­be­cher­chen.

Dann wurde mir das richtige Wodkatrinken erklärt.

In einem Zug getrunken, sofort Fischbrötchen dazu gegessen, empfand ich die Wir­kung als ganz angenehm. Ich wurde nicht extrem müde und war nicht weniger spon­tan als sonst, es ist also auch keine paradoxe Reaktion eingetreten.

Das Nippen am Wodka, so wurde mir beigebracht, beschreiben Menschen, die aus baltischen Ländern kommen, so: Ich hatte nur vom Wodka "abgebissen".

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Foto: C.E.

Montag, 3. November 2014

Sprachen sind Teamarbeit

Bonjour und gu­ten Tag! Sie lesen in meinem virtuellen Arbeitstagebuch, hier blogge ich als Dol­met­scher­in und Über­setzerin.

Drei Damen im Büro mit Schreibmaschine, Wandkalender und Papierstapel
Blusen sind heute nicht mehr Pflicht
Heute ist Pro­jekt­ma­na­ge­ment­tag. Zu Wochenanfang erledige ich gerne die Buch­hal­tung, und dass prompt drei Kostenvoranschläge mit viel Zahlenwerk reinkommen, stört nicht, ich mache heute kaum Wortarbeit. Die engste Kollegin darf zwi­schen­durch auf viele Angebote drauf­schau­en, bevor sie an die Kunden gehen, denn vier Augen sehen mehr als zwei.

Außerdem muss sie wissen, was ich für sie mit an Land ziehe; eine gute Zeit­pla­nung und intensive Vorbereitung sind bei uns der halbe Aufwand. Dabei ist das meiste Teamarbeit, im Büro, bei Übersetzungen und in der Kabine.

Nur selten sitzen wir allein beim Kunden. Das hat verschiedene Gründe. Ab einer gewissen Dauer dieser absonderlichen Anstrengung, die das Dolmetschen darstellt, verschwindet nämlich jede Selbstkontrolle. Wir sind die Multitaskerinnen schlecht­hin: Wir hören dem Redner zu, übertragen im Kopf, sprechen, hören uns selbst beim Sprechen zu und ergänzen, korrigieren und justieren nach, was an ge­än­der­tem Sinn von Sprecherseite oder an Uneindeutigkeit im Übertragungsprozess auf­ge­kom­men sein mag.

Nur in allergrößten Notsituationen sind wir mal länger allein, falls etwas über Ge­bühr dauert, oder wie vor einem Jahr, da war Barack Obama in der Stadt, und die Sicherheitsstufe bei Gebäuden der Bundesregierung war kurzfristig erhöht worden, die Kollegin wurde nicht durchgelassen, denn ihr Na­me stand nicht auf ir­gend­einer Liste. Oder aber ein Termin war zu kurzfristig anberaumt und alle an­de­ren Dol­met­scher schon unter Vertrag, wie hier: Neulich im Adlon.

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Foto: Privatarchiv (c)