Donnerstag, 24. Juli 2014

Teleprompter vs. historische Stätte

Bonjour und guten Tag! Hier lesen Sie Notizen aus dem Berufsalltag einer Über­setzerin und Dolmetscherin beim ersten Blog Deutschlands, das im Inneren einer Dolmetscherkabine entsteht.

Vier Berufe auf einem Bild
Der Redner auf dem Monitor hat so ein durchsichtiges Dingens vor dem Gesicht, auf dem vermutlich der Text an­ge­zeigt wird. Beim Fern­se­hen nennt sich sowas "Te­le­promp­ter".
Es führt dazu, dass der Mann, der heute die in­ter­na­tio­na­le Presse informiert, schnel­ler spricht, als wenn er frei reden würde. Es geht um neue Traktorentechnik.

Im Fenster vor uns können wir den Kellnern zuschauen, die die Reste vom Empfang wegräumen. Sie hatten von hier aus die illustre Gesellschaft mit Häppchen und Ge­trän­ken versorgt. Wir befinden uns im Herzen Berlins in einem palastartigen Ge­bäu­de. Die Herren vom Service (eine Dame kann ich nicht sehen) geben sich alle er­denk­li­che Mühe, das Abräumen leise zu gestalten. So ganz klappt es leider nicht.

Die umgebende Geräuschkulisse ist aber gar nicht schlimm. Wir können wir das Geklapper und Tischerücken fast nicht wahrnehmen. Fünf Kabinen stehen in ein- und derselben Reihe in einem großen, schmucklosen Raum, Wand an Wand mit dem großen Marmorsaal, aus dem die Veranstaltung übertragen wird. Was wir am besten hören können, sind, nach den Rednerstimmen im Kopfhörer natürlich, die Dolmetscherkollegen der Nachbarkabinen. Das ist den Arbeitsbehausungen zu­zu­schrei­ben, die recht betagt anmuten.

Diverse Berufsverbände der Sprachmittlergilde haben über Jahrzehnte dafür ge­kämpft, dass unsere Kabinen gewisse Standards an Komfort und Schallisolierung auf­wei­sen. Ihre Arbeit war ebenso richtig wie wichtig. Nach aktivem Pro­be­be­woh­nen dieser historischen Hütten wissen wir das jedenfalls. Vielen Dank, li­ebe Vor­müt­ter und -väter!

Am Ende steht unser chef de cabine vor uns, ein älterer, renommierter Herr, und mein­t grinsend mit Blick auf die temporären Arbeitsstätten: "Die sind aus dem Ausland her­beige­schafft worden. Hier in Berlin könnte man sowas als Kunst­in­stal­la­tion ver­kaufen." Und er beschloss mit einem: "Ist das Kunst, oder kann das weg?"


Vokabelnotiz
Der Dolmetscherberuf ist in Sachen Stress mit dem von Piloten vergleichbar. Kein Wunder, dass auch bei uns der Boss chef de cabine heißt.
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Foto: C.E.

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