Dienstag, 7. Januar 2014

Wortschatzarbeit

Willkommen auf den Blogseiten einer Französischdolmetscherin. Neben der Kon­fe­renz- und Messearbeit übersetze ich auch, und zwar Treatments und Dreh­bü­cher, Projektkonzepte und Finanzierungspläne. Hier blogge ich seit Februar 2007.
 
Wortschatzarbeit ist das A und O unserer Tätigkeit. Dazu freuen wir uns immer über Hinweise und Material von unseren Kunden. Dann beginnt der unsichtbare Teil unserer Arbeit: Hintergründe lesen, Zusammenhänge verstehen, Lexiken aufbauen, abgleichen, ergänzen, denn wir arbeiten hier oft mit dem Kollegen oder der Kollegin aus der Kabine eng zusammen.

WORTSCHATZ als Begriff aus Nadeln und gespannten Fäden, von der Sonne beschienen und einer Markise teilbeschattetDass unsere Vorbereitungsarbeit
auch das Lernen von Re­de­wen­dun­gen, das Lesen und Ver­wal­ten von Dokumenten wie Zei­tungs­aus­schnitten oder eigens erstellten Datenbanken ein­schließt, mag einleuchten. Dass viele unserer Kunden sich dieser Vorarbeiten nicht bewusst sind, leider ebenso.
 
Wir sind ja in der Vor­be­rei­tungs­zeit nicht für sie sichtbar. Aber es wie mit diesem ab­ge­bil­de­ten Wortschatz hier, der mir vor ei­ni­ger Zeit in einem Hamburger Schau­fenster auffiel: Mit Schlag­schat­ten ist nur Wort­satz les­bar, normal be­lich­tet ist der Wortschatz er­kenn­bar, das Bild oszilliert aber in Rich­tung Wort­satz. Mit sehr viel Licht, ja einer Überbelichtung, sind die sonst hellen Teile zum Teil wie ausgefressen, das Wort ist aber eindeutig.

Mit der Lernerei ist es wie mit den Kontrasten: Je mehr wir wissen, desto mehr können wir das Gehörte in der anderen Sprache als Eindruck rekonstruieren, hier: den schillernden Effekt nachbauen. Bei einer oberflächlichen Beschäftigung mit einem Thema, wenn die akustischen Bedingungen des Einsatzes schlecht sind oder der Redner in Rekordtempo durch ein geschriebenes Manuskript eilt, gibt es al­ler­dings nur einen flüchtigen Eindruck wie von einem unterbelichteten Bild, oder aber es fehlt die Zweideutigkeit und die hellen Partien sind hässlich verfärbt bzw. nicht erkennbar.

Manchen Kunden lässt sich diese einfache Erkenntnis allerdings nicht vermitteln. Letztes Beispiel: Eine 1,5-stündige Talkshow zu einem aktuellen politischen The­ma, im Rahmen von Theaterarbeit soll die Debatte über einen Internetkanal ver­breitet werden, es werden zwei Leute für je 375 Euro angefragt.

Das Vorgängerteam bekam insgesamt 250, "leider war das Ergebnis nicht ver­wend­bar!" Wir wundern uns, dass man so viel Großzügigkeit und "nur" 1,5 Stunden netto nicht einen Vier­tel­ta­ges­satz auf­gerufen hat.

Profis rechnen so: Voller Dolmetschtag, 750 Euro je Person, da eine Woche Vor­be­reitung nötig ist. Dieses Honorar müsste zudem je Nase mal zwei gerechnet wer­den — für die Übertragung der Nutzungsrechte. Für den Kunden wären das 3000 Euro statt der beim ersten Einsatz bezahlten 250 Euro, also mehr als zehn Mal so viel, wie die Veranstalter ursprünglich veranschlagt hatten.

Der Job inklusive richtiger Vorbereitung macht ca. 43 Stunden Arbeit nötig. Bei den anschließend angebotenen 375 Euro pro Person kommen wir auf 8,72 €. Das liegt schon mal über Mindestlohn für Nicht- oder Geringqualifizierte, super!

Abgesagt. Irgendein Berufsanfängerteam wird sich da wohl leider reinreiten.

So, weiterlernen für den nächsten gutbezahlten Dolmetscheinsatz. Tagsüber habe ich Kostenvoranschläge geschrieben, mich gewundert ... und Kernthesen eines Interviews exzerpiert. Am Rande hier noch der Tagesumsatz: Null Euro, weil es Vor­be­reitung bzw. Nacharbeiten waren.

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Foto/Montage: C.E.

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