Sonntag, 19. Januar 2014

Berlin im Rückblick

Bonjour ! Interessieren Sie sich für Dolmetschen und Übersetzen? Dann sind Sie hier auf meinen digitalen Tagebuchseiten richtig. Sonntags werde ich privat, das muss dann nicht unbedingt mit Sprachen zu tun haben: Sonntagsbilder!

Ein Jahr voller historischer Rückblicke hat begonnen. Heute schaue ich mit dem Sonntagsbild auch zurück, vor allem in Textform, mit ein em Archivbild und einem Link. Fürs Fo­to­gra­fie­ren ist mir in diesen grauen Januartagen das Licht zu knapp. 

Ich muss um die sechs, sieben Jahre alt gewesen sein, als ich zum ersten Mal Ber­lin besucht habe. Ich er­in­ne­re mich an die Landung in Tempelhof, wir gingen zu Fuß übers Flugfeld und musste an die TV-Nachrichten denken. Meine Mutter hatte ein Jahr zuvor ein Fernsehgerät angeschafft. Ich durfte Informationssendungen sehen, sesame street, Les Gammas und die Nachrichten, danach ging es "ohne Kom­men­tar und Wetterkarte" ins Bett.

Flugzeugcrashs kamen bei den Abendnachrichten auch vor. Meine Mutter hat mir bei schlimmen Bildern immer die Augen zugehalten. Auf jeden Fall soll ich, halb als Witz, halb ernsthaft, bei unserem Marsch übers Flugfeld kommentiert haben: "Wir sind ja gar nicht abgestürzt!"

Ich war als Göre für meine teils spontanen, teils naiv-gespielten Sprü­che bekannt. Als sich Tante L. einmal über meine Altklugheit beschwerte, wandte ich ein: "Was kann ich denn dafür, dass ich klüger bin, als ich alt bin, das muss ich wohl geerbt haben!" Und ein wenig flackert die Flughafen-Kommentarszene in meiner Er­in­ne­rung noch auf. Hier ist vor allem das kinetische Gedächtnis aktiv: Ich sehe links von uns Han­gars und habe noch ein Gefühl für meine eigene Körpergröße im Ver­hält­nis zu der meiner Mutter.

Die Autorin dieser Zeilen bei der Oma in Sachsen
Wir fuhren auch in den Osten Berlins. Als Kind mit sächsischer Großfamilie im Hintergrund kannte ich die DDR. Ich se­he auch noch das Bild vor Augen, das sich mir von der S-Bahn he­run­ter in Straßen bot. Sie kamen mir mir wie Spiel­zeug­stra­ßen vor, wenige Autos fuh­ren dort, viele Menschen eilten mit 'Einholbeuteln' über die Straße und es war am Abend dunkler als im Westen.

Die S-Bahn hatte gerade den Bahnhof Friedrichstraße gen Westen verlassen. Einige Meter weiter befestigten (oder er­neu­er­ten) Arbeiter auf der Brücke links und rechts der Geleise riesige Metallplatten, die die Sicht behinderten. Ich werde in Richtung Berliner Ensemble und Albrechtstraße gesehen haben.

An noch etwas erinnere mich mich lebhaft: Die Geisterbahnhöfe im DDR-Un­ter­grund. Einige Linien führten weiterhin unter Ostberliner Stadtgelände hindurch (Netzplan hier), verbanden den Nordwesten der Stadt mit dem politisch "westlich" liegenden, südlichen Teil des Berliner Ostens, Kreuzberg genannt. Ich drückte mir in der langsam fahrenden U-Bahn die Nase platt beim Betrachten der toten Bahn­steige, der Zugwärterhäuschen ohne Licht und Ansage, bei manchen waren die Fenster zugemauert und nur noch schießschartenartige Löcher und manchmal schemenhaft ein, zwei Aufpasser zu sehen.

An den Wänden hing an manchen Stellen noch uralte Werbung für längst nicht mehr im Handel befindliche Waren. (Schade, dass da nach der Wende nicht etwas für spätere Generationen unter Glas gesichtert wurde.) Und in der Mitte des Bahn­steigs waren Treppen, die nur jene Geister hochgehen konnten, die ab einer ge­wis­sen Höhe Stufe für Stufe schrumpfen konnten — bis sie am Ende Mauerwerk durch­drin­gen mussten. (Hier war die Treppe wohl im Bereich der Decke bzw. des Fuß­bo­dens des darüberliegenden Geschosses dichtgemacht worden.)

Daran hat mich die Rezension eines Buches erinnert, hier, auf "Spiegel on­line". SPON zeigt eine schöne Bilderstrecke aus dem Buch von Gerhard Sälter und Tina Schaller: "Grenz- und Geisterbahnhöfe im geteilten Berlin". Letztes Jahr im Ber­li­ner Christoph Links Verlag erschienen, 144 Seiten.

Gleich noch ein Lesetipp dazu: Heinz Knobloch, "Stadtmitte umsteigen" (1982). Er erzählt von einem "wohnzimmergroßen Fleck" auf dem Boden in der Station glei­chen Namens. Von ihm stammt auch ein von mir gerne zitierter Satz: "Misstraut den Grünanlagen!"

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Foto: Heiner Elias (Archiv)

2 Kommentare:

MaNiTou hat gesagt…

Welch' eine Schönheit, ein hübsches Kind.
Dies ist mehr als ein Kompliment, es handelt sich um eine tatsächliche Bemerkung
Herzlichen Glückwunsch.
MaNiTou

caro_berlin hat gesagt…

Thank you for the flowers.