Samstag, 14. Dezember 2013

(Un)Stimmiges

Hallo auf den Blog­sei­ten einer Über­setzer­in und Dol­met­scherin. Heute: Links der Woche.

Heute zoomen wir uns langsam rein in den Beitrag. Erster Anfang: Macht ein Arzt oder ein Pilot einen Fehler, gibt es schlimmstenfalls Tote. Machen Banker Fehler, nein: Machen Politiker Fehler, die zur Pervertierung des Bankensystems führen (und zur Ausnutzung der Verhältnisse durch Bankster), können Staaten pleite ge­hen. Macht ein Informatiker Fehler, können ganze Rechensysteme durch ein Vi­ren­ein­falls­tor Schaden nehmen, Abläufe stocken, Sicherheitskomponenten bei Atom­kraft­werken aussetzen usw.

Dagegen ist das Fehlerpotential von Übersetzern und Dol­met­schern gering, prak­ti­zie­ren wir doch in der Regel das Vier-Augen-Prinzip. Vergessen Sie den Flirt unter Dolmetschern, wie Javier Marías ihn in "Mein Herz, so weiß" beschrieben hat, mut­wil­li­ges Falschdolmetschen kommt bei uns nicht vor.

Zweiter Anfang: Wenn Filmaufnahmeleiter und Sprachmittler kleine Fehler ma­chen, gibt es Missverständnisse, Nachfragen, vielleicht wird etwas doppelt er­le­digt oder es entsteht Leerlauf. Das geschieht hoffentlich sehr, sehr selten. In der Regel läuft aber alles wie ge­schmiert, will sagen: Die Arbeit von Aufnahmeleitern, Über­setzern und Dol­met­schern ist der Allgemeinheit meistens nicht bewusst, sie wird erst dann sichtbar, wenn etwas nicht so läuft, wie es soll.

Wie in der abgelaufenen Woche: Der Gebärdendolmetscher auf Nelson Mandelas Beerdigung hat mit ausdrucksloser Miene irgendwelche knappen Gebärden in die Luft gezeichnet, das Rauschen der Gazetten war anschließend groß. Tagelang wurde gemutmaßt, wie das passieren konnte. Offenbar war ein Nicht-Profi unter Tarif angeheuert worden — oder vielleicht doch ein Fachmann, der jedoch einem schizophrenen Schub ausgesetzt gewesen sei, der also andere Worte fremder Stim­men übertragen hätte? Dazu schrieb mir A., ein Freund und Ge­bär­den­sprach­dol­met­scher: "Habe gelacht beim Vi­de­o­schau­en, es sind immer dieselben Hand­be­we­gungen. Schon während der Rede twitterte Wilma, einzige gehörlose [süd­af­ri­ka­ni­sche] Parlamentsabgeordnete, nach wenigen Minunten: 'Entfernen. Der Mann ist kein Dolmetscher!'"



Ich fürchte, der heutige Beitrag wird bald wieder zu den meistgeklickten zählen. Wir hatten das schon mal, als La Toya Jackson in der Dresdener Semperoper einen Preis im Namen ihres Bruders entgegennahm und der Dolmetscher an­geb­lich nur Rückkopplungen zu hören bekommen haben soll. Sichtbarmachung entsteht hier durch Fehler.

Das Ausmaß des öffentlichen Interesses an den verschie­de­nen Berufen ist stets analog zum jeweiligen Scha­dens­po­ten­tial. Wir dürfen uns freu­en, dass wir so selten zum Thema werden.

Das wäre der erste Schluss: Wir sind Dienstleister und fallen immer dann angehem auf, wenn wir gar nicht auffallen. Sätze wie: "Wir haben ja gar nicht gemerkt, dass Sie da waren, es war, als würden wir ein- und dieselbe Sprache sprechen", sind stets die schönsten Komplimente. Zweites Ende: Über den Vorfall bin ich doppelt erschrocken. Jantjie, der Mann, der für Nelson Mandelas Trau­erfeier gebucht wur­de, soll ein Wie­der­ho­lungs­tä­ter gewesen sein, im­mer wie­der habe er sich trotz feh­len­der Qua­li­fi­ka­tion als Gebärdensprachdolmetscher anstellen lassen, in meh­re­ren Fällen soll er auch für di­ver­se Straftatbestände vor Gericht gestanden haben (und wegen einer psy­chi­schen Er­kran­kung nicht verurteilt worden sein). Es wird sicher Reaktionen auf diese "Ein­sätze" gegeben haben. Schade, wenn sich die Or­ga­ni­sa­to­ren so wenig für die Mei­nun­gen jener interessieren, für die verdolmetscht wird.

Dem Vernehmen nach soll für diesen Einsatz als Honorierung eine 60 Euro ent­spre­chen­den Summe geplant gewesen sein, vermittelt von einer Agentur, die in­zwi­schen abgetaucht ist. Dazu schrieb "The Guardian": Whereas the standard fee for an interpreter is 1,300 to 1,700 rand a day, (...) Jantjie was being paid just 800 rand a day. Hier kommt zu mangelndem Interesse an der Qualität und Lücken in der Sicherheitskontrolle auch noch die Verachtung eines Berufsstandes hinzu, die sich in Honorardumping niederschlägt.


Die anderen Links der Woche gelten auch dem Thema Stimme, allerdings im ersten Wortsinn: Eine Sendung des WDR, hier: klick!, und einmal auf Arte: klack! Die Pro­gram­me ergänzen einander sehr gut.
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Illustrationen: YouTube und Twitter

1 Kommentar:

Th. hat gesagt…

Hi Caro,

schau mal, ein schicker Kommentar!
Hier draufklicken!


Schönen 3. Advent wünscht:
Th.