Montag, 18. Februar 2013

Berlinalegeflüster: Rückschau

Willkommen auf den Seiten des ersten deutschen Blogs aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. In der letzten Woche war ich am Potsdamer Platz und habe Stars verdolmetscht. Daneben habe ich auch ein offenes Ohr für die Kolleginnen und Kollegen gehabt.

 "Die Rückseite des Dekors": Berlinalebär auf der Fassade, gesehen von innen durch die Glaswand hindurch.
Wie direkt darf ich sein? Ab wann ist etwas frech? Hört mein Gegenüber im Stress mein Lächeln am Telefon? Wie kann ich Ironie Menschen vermitteln, die ich noch nicht kenne?
Noch bin ich nicht alt (oder renommiert) genug, um frei heraus meine Meinung äußern zu dürfen, aber ich mache kräftig Gebrauch davon. Der Satz, um den es mir hier geht, wäre etwas in der Preislage von "Ihr kaputtes Auto bringen Sie doch auch nicht in eine Fahrradwerkstatt, oder?"

Film ist kein leichtes Feld und wird von vielen unterschätzt ... wie manches andere Kulturthema auch.

Beim Buchen von Dolmetschern wird in diesem Sektor oft nicht auf die Spe­ziali­sie­rung ge­ach­tet. Dabei gibt es gerade in diesem Bereich im Schnittpunkt zwischen Kunst, Kreati­vi­tät, Wirtschaft, Marketing, internationale Beziehungen, klassischer und hoch­mo­derner Technik viele Fachtermini, die im Vorfeld gepaukt werden müssen (viele nehmen das ernst und dolmetschen hervorragend, leider nicht alle). Zur Untermauerung hier noch ein paar Berlinalenachträge zum Thema "Film­sprache".

Nicht gefallen hat mir die Übertragung "wir bekommen einen Vorschuss von der Filmförderung" für le CNC nous accorde l'avance sur recette, die "selektive Pro­duk­tions­förderung des CNC" war also gemeint. Auch nicht schlecht: "Ich drehe immer an natürlichen Orten" für je tourne toujours en décor naturel, da dreht also jemand 'nicht im Studio' oder immer 'am Originalschauplatz' (je nach Kontext).

Die Klassiker unter den Irrtümern sind wohl der régisseur de plateau, der nicht mit Regisseur oder 'Setregisseur' zu übersetzen ist, denn ein régisseur auf Französisch wird auf Deutsch "Aufnahmeleiter" genannt. Auch ist eine doublure hier nicht das "Fut­ter" eines Mantels oder Filmstoffs, sondern schlicht das "Double". Nicht er­funden werden kann außerdem der französische Begiff für "Filmabtastung", also Finger weg von palper un film, es handelt sich nicht um verknotetes Gewebe, balayage ist das Wort, das hier fallen muss. Alles echte Vokabeln, zum Beispiel auch, dass die deutsche "Handkamera" auf Französisch caméra à l'épaule (rück­über­setzt: Schulterkamera) heißt.

Für "Motivsuche" hatte ich erst letzte Woche etwas gehört, das rückübersetzt so viel wie "wir suchen unsere Ziele" lautet, 2011 vernahm ich "Bilder suchen", chercher des images, das ging zumindest schon in Richtung repérage.

Neben den Fachtermini fallen in manchem Filmgespräch auch Eigennamen und Filmtitel. Schon sehr be­dau­er­lich, wenn stets von drei Namen nur einer in der anderssprachigen "Ver­sion" genannt wird ... und dann oft auch noch falsch. Einer guten, tiefergehenden Verständigung dient das jedenfalls nicht.

Ob das jetzt Zitate vom Gang hinter den Dolmetscherkabinen seien oder in Natura Vernommenes, will die Mitarbeiterin wissen. Über Interna schweigen wir Dolmet­scherinnen und Dolmetscher. Außerdem bin ich noch nicht alt (oder renom­miert) genug, um frei heraus meine Meinung äußern zu dürfen, aber ich mache (falls mich Kollegen fragen) kräftig Gebrauch davon. Nur meine Lexik, die verschenke ich nicht einfach so, denn sie ist das Ergebnis von mehr als einem Jahrzehnt Be­schäf­ti­gung mit dem Thema.

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Foto: C.E.

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