Dienstag, 12. Februar 2013

Berlinalegeflüster: Fachdolmetscher

Hallo beim Blog einer Dolmetscherin und Übersetzerin! Hier können Sie mehr über unsere Arbeit erfahren. Derzeit arbeite ich in den Kulissen der Berlinale.

Stellen Sie sich vor, Sie brauchen eine neue Brille. Gehen Sie dann zum Hals-/Nasen-/Ohrenarzt? Natürlich nicht, sondern zum richtigen Facharzt. Und wie es spezialisierte Doktoren der Medizin gibt, ist der Markt voller spezialisierter Dolmetscher.

Berlinale 2013, hier geben sich die Stars und auch die Sprachmittler die Klinke in die Hand. Und leider ist nicht jede(r) offenbar einschlägig vorgebildet. Auf zu verdolmet­schende Einzelinterviews bereite ich mich vor, indem ich manchmal auch andere frei zugängliche Interviews verfolge, Publikumsgespräche (ins Englische übertragen) oder die entsprechende Berlinale-Pressekonferenz. Vor einigen Tagen musste ich leider hören, wie ein Dolmetscher aus "Und dann haben wir die Motivsuche für das Projekt gemacht" den Satz Puis, on s'est mis à chercher les objectifs pour ce projet de film gemacht hat. (Zurückübersetzt: "Dann haben wir angefangen,die Ziele für das Filmprojekt zu suchen.") Hier steckt dahinter, dass l'objectif synonymal zu le but verwendet werden kann, also "das Ziel".

Quel objectif ? Das "Objektiv" könnte ich, wenn ich nach der Methode "stille Post" verfahre, und so arbeiten wir ja auf internationalen Konferenzen, wenn es eine, zwei Haupt- und mehrere Nebensprachen gibt, frei als "Optik" weiterübersetzen. Also eine 35 mm-Optik oder wie? Nein, es ging um das, was die Franzosen als repérage bezeichnen, also das Sich-umschauen-vor-Drehbeginn ... und eben "Motive" finden.
Hier hilft leider nur Sarkasmus ...

Gestern als Verdolmetschung gehört:
le plan — das Bild (statt die Einstellung)
la séquence — die Bilder (OK, aber die "Sequenz" wäre besser gewesen)
série de plans — Bilderablauf (nein, eine Abfolge von Einstellungen)
trop de rushes — zu viele Bilder (nein, zu viel gedrehtes Material)
faire agir la phantaisie — zu inneren Bildern anregen (geht klar ...*)

Das Innere einer Dolmetscherkabine mit Pult, Computern und Blick nach draußen.
Mich ärgert, dass es offenbar Kolleginnen und Kollegen gibt, die das Thema "Film" auf die leichte Schulter nehmen. Die denken: Ist ja Kultur, ins Kino gehe ich ohnehin, das hab' ich längst drauf. Donnerstag erwartet mich die nächste Veran­stal­tung mit solchen Nicht-Fach­dolmetschern.
Ich gehe aus inhaltlichem Interesse hin.

Vor sechs Jahren waren wir da stellenweise schon mal weiter. Hier ein Bericht aus der Kabine, meine liebe "anamorphotische Vorsatzlinse". Und noch was zum Schmunzeln, denn es kann auch sehr hübsch "danebengehen": Hier mein Lieb­lings­schman­kerl, der höchst kreative Einsatz von Dolmetscherkollegen bei einem Panel zum Thema "Filmfinanzierung", Stichwort: "Ein Happy End kann nicht garantiert werden".

Bei alldem hilft nur eins: nicht ärgern, nur wundern.

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Foto: C.E. (Archiv)

(*) normalerweise schon, aber hier in
dieser Häufung nur absurd

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