Donnerstag, 14. Februar 2013

Berlinalegeflüster: Brummen und Schnurren

Hallo! Sie lesen im ersten deutschen Weblog aus dem Inneren einer Dol­met­scher­kabine. Dieser Tage bin ich allerdings viel außerhalb derselben anzutreffen, und zwar in den Kulissen der Berlinale.

Morgens um acht, das Telefon reißt mich aus den Träumen, in die ich erst vor wenigen Stunden gefunden habe. Ich arbeite auf der Berlinale, mancher Einsatz ist erst am späten Abend, das Ende des Festivals dafür inzwischen absehbar. Damit auch das Ende der Zeitverschiebung, mit der ich mich fühle wie eine Schichtar­beiterin. Beim Aufstehen bin ich oft noch müde, und auch meine Stimme ist leicht angegriffen.

Ich gehe ans Telefon, melde mich knapp. Ob denn meine Frau da sei, werde ich gefragt. Ich bin noch nicht wach, sage wahrheits(un)gemäß, dass ich es selbst sei (denn ich bin ja nicht meine eigene Frau). Schweigen am anderen Ende der Lei­tung. Der Anrufende fragt nochmal nach, sagt diesmal meinen Namen. Ich insistiere ebenso.

Am Morgen nach solchen Tagen habe ich eine Stimme mit dem Vibrato "eines V8-Motors", sagt Gerd, der Mitbewohner der Berlinale-WG. Er erklärt den Zylinder in V-Form, der besonders häufig bei amerikanischen Autos der 1960-er Jahre vorkam. So ein eleganter Schlitten aus der "guten alten Zeit" zu sein, da habe ich nichts dagegen.

Überhaupt klinge ich auch für mich interessant. Fremd, exotisch, die Stimme vi­briert, als würde ich schnurren. Mein Mitbewohner auf Zeit, er hat zuhause selbst Katzen, erzählt, dass Schnurren nicht nur ein Wohlfühlsignal der Stubentiger sei, sondern auch bei Unsicherheit und Nervosität auftrete, ja sogar Krankheits­heilung befördere.

In der Berlinale-Lounge: Interviews mit Dolmetscher parallel zum Einlass
Das mit der Unsicherheit ken­ne ich auch. Wenn ich in Stress gerate und es recht­zei­tig mer­ke, schalte ich stimmlich "eine bis zwei" Stufen tiefer. Das Vibrato der Stimme mas­siert leicht das Zwerchfell, was sich wiederum beruhigend auf das vegetative Nervensystem auswirkt, ich atme ent­spann­ter, tiefer, habe mehr Sauer­stoff in Blut und Hirn.

Und der Sauerstoff macht, dass mir das Dolmetschen leichter fällt ... So löse ich einen Kreislauf aus, der mich weiter entspannt. Ach, und hier ein Geständnis: Leider wirkt irgendwie auch die männliche Stimme überzeugender auf mich als meine eigene (weibliche) Stimme; ich muss an Untersuchungen denken, die am Beispiel von Nachrichtensprechern das gleiche Ergebnis hatten (was sicher Ergebnis jahrzehntelanger Prägungen ist, um die Huhn-Ei-Frage schnell zu beantworten).

Kurz: So überzeugend, wie ich dann auf mich wirke, so wirke ich auch auf andere.

Gestern muss ich nachmittags um drei in den Festivalpalast, um Interviews zu dol­metschen; noch bevor ich irgendein gültiges Beweisstück aus der Tasche genestelt habe, bin ich drin, die ruhige, feste, bestimmte Stimme, mit der ich mein An­sin­nen vortrug, war einfach und klar.

Nur zu viel Schlaf darf nicht fehlen, der Berlinale-Jetlag zur Außenwelt sollte nicht zu groß sein, sonst fahre ich zu sehr "auf Reserve" und habe dann die Fähigkeit nicht mehr, mir meines eigenen Stress­levels überhaupt bewusst zu sein.

Also nochmal umdrehen, noch eine Mütze Schlaf kriegen.

Morgens um zehn, die Ghetto-Birds kreisen über Kreuzberg und Neukölln, jegliches Weiterschlafen unmöglich. Und jetzt?

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Fotos: C.E.

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