Montag, 30. Dezember 2013

Dolmetscheralbtraum

Hallo! Sie lesen im 1. Blog Deutschlands aus der Inneren der Dolmetscherkabine. Ich bin Französischdolmetscherin und -übersetzerin, derzeit allerdings im Ur­laubsmodus.

Erholung stellt sich ein, wenn wir vergessen, wel­chen Werktag und welche Uhrzeit wir gerade haben. Ganz langsam löst sich der Kopf zwischen den Jahren von den Ar­beits­pflichten. Das Internet wird nur noch zu privaten Informationszwecken und zu einer Stunde Einlesen ins Thema des ersten Januarjobs verwendet.

Blick auf den Schreibtisch (Vogelperspektive)Und dann das! Ein Dolmetscheralbtraum! Die Eilig-eilig-Anfrage von kurz vor den Fei­er­tagen mit Ziellinie kurz nach Sylvester war des nachts wieder auf dem Tisch, Ab­ga­be­ter­min unverändert, indes war die Ar­beitszeit auf die Hälfte geschrumpft, weil da jemand nicht zurande kam mit dem Pro­jekt, bei der Honorarfrage muss ich mich kurz räuspern. Irgendwie wurde ich ge­kö­dert durch bestbezahltes Set-Dol­met­schen. Hm, da hat wohl ein anderer ver­lo­rener Großauftrag reingefunkt, für diesen Kun­den habe ich schon bei Drehs gedolmetscht.
So, los zum Einkaufen, dann in die Natur, später pauken für den gutbezahlten kom­men­den Auftrag, ein EU-Thema.

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Foto: C.E. (Archiv)

Donnerstag, 26. Dezember 2013

Winter break

Hallo, hier schreibt eine Dolmetscherin, derzeit und bis zum 6. Januar ist al­ler­dings Winterpause hier im Blog (Anfragen werden beantwortet).

Happy winter days and a good "slide into the new year"! (Which is the litterally translation of a german saying, 'guten Rutsch ins neue Jahr!')


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Foto: C.E.

Samstag, 21. Dezember 2013

Filmkrise

Hallo! Ich begrüße Sie als Leserin oder Leser meines digitalen Arbeitstagebuchs. Hier berichte ich aus der Welt der Dolmetscher und Übersetzer. Meine Sprachen sind Französisch und Englisch, letztere nur als Ausgangssprache. Heute: Links der Woche.

Auch in der Winterpause hört das Lernen nicht auf. Die Wie­der­vorlage besteht aus Film­vo­ka­bular, dem ganzen Bereich von dramaturgischen Fragen über Finanzierungs- und Pro­duk­tions­termini, Film­mar­ke­ting, -fördergesetze bis hin zu festivaltypischen Termini und Hintergründen über neue Ver­triebswege und (mögliche) Einkünfte.

Zu den Lernvokabeln gehören auch Zungenbrecher wie la déchronologisation de la chaîne de valeur, auf Deutsch etwa: Die zunehmende Abschaffung der Aus­wer­tungs­fenster (bei "Aus­wer­tungs­fenster" steckt die zeitliche Folge schon drin).

Ein altes Thema ist auch wieder präsent: Die unterfinanzierten Kinoproduktionen und die Übermacht der Fernsehveranstalter, was sich auf die Qualität der Filme auswirkt, zu diesem Thema ein aktueller Artikel von Martin Hagemann in der Frankfurter Rundschau: "Das deutsche Kino ist in der Krise".

Die neue Haushaltsabgabe spült eine Milliarde Mehreinnahmen in die Kassen der Öf­fent­lich-Rechtlichen, darüber schrieb Michael Hanfeld zu Monatsanfang im Feuilleton der FAZ. (Die Sender sprechen von der Hälfte der Summe). Warum darben denn die Kreativen dann so? (Hier ein Filmhinweis zu einem November im ZDF gelaufenen Beitrag von Meike Materne: "Gute Jahre, schlechte Jahre, Schau­spie­ler zwischen Karriere und Krise".)

Die Branche spielt den Kreativen sogar dort oft übel mit, wo sich eigentlich die Gedanken frei entfalten sollten, das Wort von der 'Content Mafia' macht die Run­de. Hierzu ein Filmlink: (Achtung, die Herren sind unbekleidet!)



Selbst in der Woche vor Weihnachten liefen hier noch Buchungen ein, nicht nur für die Berlinale. Die frühesteste Terminoption ist für Ende Mai 2014, dann ist es längst wie­der warm. Dabei wurde die Saison der Thermoskannen, Wärmflaschen, Puls­wär­mer und Schaffelle gerade erst eröffnet.

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Illustrationen: C.E. und YouTube

Freitag, 20. Dezember 2013

Bildstörung

Bienvenue! Sie sind auf der Sei­te ei­ner Dol­met­scher­in und Über­setzerin für die fran­­zö­­­si­­­sche Spra­che ge­lan­det. Hier schrei­be ich über mei­nen viel­sei­ti­gen Alltag. Heute werfen wir einen scharfen Blick auf den Schreibtisch. Und zwar in Fort­­setz­­ung meiner Texte von vorgestern und gestern.

Viele meiner Kunden sind öffentlich-recht­­li­­che Sender oder deren Töchter, denn ich habe mich (neben Politik und Wirt­­schaft) auf Medien und Film spezialisiert. Das stößt bei vielen Bloglesern auf großes Interesse. Der Begriff "Filmdolmetscher" gehört hier zu den Meistgesuchten. Leider muss ich al­­le ernstlich warnen, die in diesem Be­­reich Berufsabsichten hegen. Vielleicht liegt es daran, dass wir immer öfter unbewusst mit jenen in einem Topf geworfen werden, die wir vertonen.

Der Filmsektor aber blutet aus. Das ver­­tie­fe ich morgen mit Linktipps. Heute erst­mal ein konkretes Beispiel.

Vor kurzem bat mich ein guter Medienkunde um eine Kosteneinschätzung. Ich be­sah mir das Dokument, zählte die Zeichen, landete bei ca. 1400 Euro, Zeit: Eine Woche. Der Text, sieben Seiten mit 10-Punkt-Schrift, entsprach mit über 50.000 Anschägen inklusive Leerzeichen vom Umfang her dem Drittel bis der Hälfte eines aus­ge­wach­se­nen Drehbuchs.

Der Kunde schrieb mir daraufhin: "Leider habe ich ein zweites, günstigeres An­ge­bot er­hal­ten: 700 €" innerhalb von fünf Tagen. "Können Sie vielleicht noch was am Preis machen? Sonst muss ich mich wahrscheinlich leider für die günstigere Va­ri­an­te entscheiden."

Nein, das konnte ich nicht. Meine Antwort kleidete ich in ein Bild: "Ich habe zwei Brillen: Die eine vom Optiker um die Ecke mit voller Gewährleistung und Gra­tis­re­pa­ra­tu­ren, die Ersatzbrille habe ich mir aufschwatzen lassen, ein "günstiger" An­bie­ter aus dem Netz, das Rezept ging nach Asien, sie hat nur die Hälfte der Erst­bril­le gekostet, aber bereitet mir nach zwei, drei Stunden zuverlässig Kopf­schmer­zen. Reklamieren konnte ich sie zwar, aber sie kam nach vier Wochen un­ver­än­dert zu­­rück. Naja, wie der Optiker um die Ecke haben wir höhere Ge­steh­ungs­kosten, an­de­re Aus­bildungsstandards sowie langjährige Erfahrung ..."

So, nun hoffe ich, das ich nicht mit irgendwelchen Voodoo-Kräften gesegnet bin, wenn ich nach sowas für die Dauer eines Nachmittags natürlich ganz und gar nicht hoffe, dass die allerhochwerteste Kundschaft nicht auf irgendeine windige Pseudo-Agentur aus Bangalore reinfällt, also vom Schlage jener, die mit dem Motto "Alle Sprachen, alle Themen, 24/7 und billig" werben. Sonst könnte mein Noch-Ex-Kunde (bei der Inaugenscheinnahme der Übersetzung) vielleicht auch Seh­störungen be­kom­men! Nein, das möchte ich gar nicht.

So, ich wende mich rasch wieder der letzten seriösen Übersetzung des Jahres zu.

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Illustration: historisches Bildwörterbuch

Donnerstag, 19. Dezember 2013

Gegenwind

Willkommen auf den Seiten des ersten Weblogs Deutschlands aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. Hier berichte ich über unseren Alltag. Neben Dol­met­sch­ein­sätz­en bin ich als Übersetzerin tätig. Vor der Arbeit aber kommen die Ver­trags­ver­hand­lun­gen, die manchmal etwas komplizierter sind.

Nachtrag zu gestern. Ein Eilig-Eilig-Auftrag über die Feiertage ging bei einem gu­ten Kunden, der zu den Großen im audiovisuellen Sektor zählt, für ei­nen Preis un­terhalb des Marktwertes über den Tisch, denn offenbar hat jemand "vergessen", die branchenüblichen Zuschläge für Wochenend- und Feiertagsarbeit anzusetzen, die natürlich in den kommenden Wochen anfallen.

Dabei deutete ich einen ähn­li­chen Fall an, bei dem ich sogar weiß, dass der Auftrag für ei­nen Zeilenpreis wegging, der bei der Hälfte unseres Kosten­vor­an­schlags lag (dazu morgen mehr).

"Wie kann das sein?", fragte mich eine frühere Stu­dien­kol­le­gin, die heute als Beamtin in einer Behörde arbeitet.

Ganz einfach. "Gute Arbeit" ist ein fester Begriff im Bereich Arbeitsmarkpolitik, wir haben ihn vor einigen Wochen intensiv kennengelernt, geprägt hatten ihn einst Ge­werk­schaften. (Selbst in einer Äußerung der Altneukanzlerin tauchte er dieser Ta­ge auf.) Er bezeichnet im ar­beits­markt­politischen Feld inzwischen das Zu­sam­­men­tref­fen guter und gesunder Arbeitsbedingungen, fairer Bezahlung, wert­schätz­en­den Umgangs usw. "Gute Arbeit" ist im Sprachensektor leider schwer ein­zu­for­dern.

Woher kommt die Konkurrenz? Erstens aus dem Journalismus. Die dort ge­zahl­ten Honorare sind in den letzten 1,5 Jahrzehnten kaum erhöht, oft sogar reduziert wor­­den, dazu kommt der "natürliche" Kaufkraftverlust einer wachstumsbasierten Wirtschaft mit leichter Inflation, kurz: Dass der eine oder andere sprachbegabte Journalist hier seine Neben"butikke" aufmacht, ist verständlich, wenn auch sehr unschön, zumal es oft im Widerspruch zur eigenen Berufsethik geschieht. (Wenn z.B. erst PR-Arbeit über etwas gemacht wird, über das anschließend Berichte ent­stehen. Hier gilt: Nul ne peut être à la fois juge et partie, niemand kann zugleich Richter und Partei zugleich sein.)

Zweitens von Berufsanfängern. Wir leben in Zeiten serieller Langzeitpraktika, mit denen in der Ära "globalisierten Wirtschaftens" ebenso viel Schindluder getrieben wird wie mit Niedriglöhnen, "die Regierung" (Hartz IV oder Elternhaus) zahlt ja die Dif­fe­renz. Das Pikante hieran ist, dass sich Neulinge so ihre Berufsperspektiven ka­putt­ma­chen.

Drittens: Wiedereinsteiger und gelangweilte, versorgte Ehegesponse. Ich möch­te hier niemanden bashen und kann jeden verstehen, dem der Berufseinstieg Mühe bereitet, auch den Nachwuchs. Aber auch hier: Warum soll der Partner/die Part­ner­in oder die Behörde eigentlich indirekt Unternehmen subventionieren, die ihren Auf­­wand im Grunde normal kalkuliert hatten? Hier gibt es derzeit viele Mit­nah­me­ef­fek­te à la "Alle reden von Krise, wir testen mal, ob das nicht billiger geht".

Viertens: Windige "Agenturen" und ihre "Übelsetzer". Konzept: Teuer verkaufen, billig einkaufen, am besten in Asien oder über Seiten, auf denen sich die Sprach­fach­leu­te im gegenseitigen Unterbietungswettkampf um die Aufträge streiten sol­len. Etliche dieser "Agenturen" verdienen den Namen nicht, haben vom Fach kei­nen blas­sen Schim­mer. Neulich bekam eine Kollegin, die Texte zur In­nen­ein­rich­tung von La­den­ge­schäf­ten übersetzt, sie war im studierten Erstberuf Architektin, eine Ab­sage von einem langjährigen Stammkunden, für den sie für 0,20 € je Wort über­setzt hatte (Franzosen rechnen anders als wir). Wenig später trudelte der Text bei ihr wieder ein, über eine der Genannten, zum unvergleichen Satz von 0,05 € pro Wort.

Und was ist mit der Qualität? 
1. Der "Dolmetsch"-Amateur überträgt zwei von fünf Ad­jek­ti­ven, lässt jeden dritten oder vierten Satz aus, verdreht hier den Inhalt, verkürzt dort in ent­­stel­­len­der Weise. Bei dem ersten Hinhören mag der Out­put recht souverän wirken. Bei genauem Hin­hö­ren klingen in­des in der Über­tra­gung alle Sprecher gleich.

2. und 3. Hier ist von holprig bis hervorragend alles möglich. Gegenlesenlassen durch einen Profi ist aber immer nötig, vor allem, wenn die Übersetzung in eine Sprache ging, die im Hause des Auftraggebers niemand auf Muttersprachniveau beherrscht. Bei Profis (z.B. uns) ist das Korrekturlesen schon im Preis drin.

4. Hm, haben Sie schon mal eine Bedienungsanleitung für ein mittelteueres Elek­tro­nik­teil eines mittelgroßen Importeurs aus Asien gelesen? Manchmal hat sogar Google Translate eine höhere Trefferquote.  

Und woher wissen Kunden, woran sie sind? Bei anonymen Internetagenturen oder Freelancern außerhalb jeglicher Netzwerke gibt es nur die angedeuteten Er­ken­nungs­merkmale. Und es gibt selbst große Agen­tu­ren mit aufsehenerregenden Namen, die eher die Simulation einer solchen sind, sie heißen frei variiert: King Interpreting, World linguistics, Globalquickwords, 24/7 Lan­gua­ge Bros. Der groß­spre­cher­i­sche Name kann ein Hinweis sein. Oder sie entdecken als "Referenzen" das Gotha der deutschen Medienwelt, wobei es sich bei näherem Hinsehen nicht um Kunden, sondern das Ergebnis aggressiver PR-Arbeit handelt.

Kurz: Auf die meisten hier vorgestellten Varianten dürfen sich spielfreudige Men­schen gerne einlassen, immer auf die Gefahr hin, dass Reparaturarbeiten am Ende teurer kommen als eine normale Erstübersetzung.

Und jetzt? Wenn Sie die Wahl haben zwischen einem groß wirkenden Restaurant, auf dessen Speisekarte Spezialitäten aus 24 Ländern in einer Liste mit 288 Ge­rich­ten aufgeführt sind und einer kleinen Gaststätte mit einer, maximal zwei Lan­des­kü­chen und drei Vorspeisen, drei Hauptgerichten und drei Desserts, für welches Lokal würden Sie sich entscheiden?

Am sichersten fahren Sie mit Sprachmittlern, die mit wenigen Sprachen werben, aber Teil eines Netzwerks sind, die also auch Fachleute mit der gesuchten Ar­beits­spra­che und/oder Spe­zia­li­sie­run­g kennen und empfehlen können.

Zum Glück wissen das schon viele unserer treuen Kunden.

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Fotos: C.E. (Archiv)

Mittwoch, 18. Dezember 2013

Asapitis

Will­kom­men auf den Sei­ten ei­nes vir­­tu­­el­­len Ar­beits­­ta­­ge­buchs aus der Welt der Sprachen. Ich bin Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache und aus dem Englischen. Hier denke ich über unsere Berufswelt nach — und ris­kiere den Weihnachtsfrieden.

Asap! Asap klingt in seiner Atemlosigkeit nicht zufällig "zack, zack!" recht ähnlich. Auf je­den Fall schwingt bei der Abkürzung von as soon as possible deutlich mehr Eile mit, als wir es von der Langfassung gewöhnt sind. Bedenklich wird die Chose dann richtig mit ihrer verbalen Medikalisierung, wenn also aus asap die Asapitis wird.

Die griechische Endung -itis (ίτις) gab zunächst einen sprachlichen Hinweis auf ein körperliches Leiden, erst etwa im 17. Jahrhundert entstand daraus die Sub­stan­ti­vie­rung, die sich überwiegend auf Entzündungen bezog. Heute wird sie der Ein­fach­heit halber bei den meisten (aber nicht bei allen) Entzündungen verwendet.

Also, lieber Kunde: Danke für die Anfrage. Für wann wäre die Übersetzung fer­tig­zu­stel­len? — Am besten zu gestern, gut, zur Not haben wir noch einige Tage Zeit. Wie, das ist nicht möglich? Aber Sie haben doch Computer!

Übersetzungen entstehen von Hand, sie sind aufwendig, zeitraubend, die Rechner unterstützen uns nur. Die Vielfalt der Spra­chen, diverse Ebenen, Dia- und So­zio­lek­te, kulturelle Einflüsse wie Zitate, Stil­for­men und rhetorische Muster, nicht zu sprechen von (aus Computer- oder Kin­der­sicht) so schweinischen Dingen wie Ironie sorgen dafür, dass unserer Branche die Aufträge noch lange nicht ausgehen wer­den. Hand­arbeit braucht Zeit, am besten an nor­ma­len Werktagen, un­be­ein­flusst von fa­mi­liären Ver­pflich­tun­gen oder Feiertagen.

Diese Zeilen entstehen eine Woche vor Weihnachten. Die große Pause steht an.

Im Januar geht's mit vereinten Kräften neu los. So staune ich nicht schlecht, als ich mich dieser Tage um einen umfangreichen Kostenvoranschlag kümmern darf. Etwas Arbeit zwischen den Jahren und nach Sylvester, damit hatte ich gerechnet. An­stel­le des Drehbuchs landeten 200 eng beschriebene Seiten in meiner Mail­brief­box, Material für eine AV-Produktion, 450.000 Anschläge inklusive Leer­zei­chen. Das ent­spricht vier normalen Drehbüchern.

Durchschnittlich kostet die Übersetzung eines nicht so schweren, normal langen Drehbuchs um die 3000 Euro. Ich fing also an zu rechnen. Doch hier prallten drei Dinge aufeinander, wenn nicht vier: Weihnachten und anschließende Urlaubszeit, Masse, Termindruck ... und die Tatsache, dass zu Jahresende die meisten von uns erstmal "durch" sind.

Der Dezember ist nicht nur ein Stressmonat mit seinen sozialen Verpflichtungen und der Vorbereitung der Jahresendruhe im Kreise der Lieben, sondern auch ein Monat, in dem in den meisten Fällen bis zur Monatsmitte erledigt sein muss, was sonst bis zum Monatsende Zeit hat. Kurz: Wer von uns könnte sich einer solchen Arbeit überhaupt annehmen?

Ich rechnete. Wie viel Tage Teamarbeit an den Werktagen im angefragten Zeitraum sind nötig, mit wie vielen Feiertagszuschlägen wäre zu rechnen? Wenn mehrere an ein- und demselben Textwerk arbeiten, tauchen im Kostenvoranschlag zwei weitere Posten auf: Einmal müssen Stile vereinheitlicht werden, zum anderen die Kollegen und Kol­le­gin­nen gesucht und die Arbeit aufgeteilt werden. Kurz: Ich kam zu einer Summe X, zu der 150% an Zuschlägen und Entgelten für den Zusatzaufwand hin­zu­ka­men.

Flexiblität ist alles, oder?
Die Summe gefiel dem po­ten­tiel­len Kunden nicht. Also wur­de ein Teil des Textes als vorrangig erklärt, etwas we­ni­ger als die Hälfte. Ich rech­ne­te nochmal. Setzte den Stammkundentarif an (gerade erst haben wir fürs Mut­ter­haus gedolmetscht), zählte die Tage mit Zu­schlä­gen aus, be­rech­ne­te anteilig Um­bu­chungs­ge­büh­ren einer Reise.

Heraus kam eine Summe, die durchaus moderat war. Zwischendurch übersetzte ich für mich etwas zur Probe, um meine Affinität mit dem Text und die Ge­schwin­dig­keit zu testen, und ich sandte dem potentiellen Kunden das Ergebnis. Ich stellte mich auf Weihnachten, Wochenenden, Sylvester und Neujahr mit täglich vier Ar­beits­stun­den ein und risikierte dabei auch noch den Hausfrieden.

Dann kam die Absage. Man habe sich für ein kostengünstigeres Angebot ent­schie­den. Ich muss an einen anderen Großen der audiovisuellen Welt denken, der durch die Umstellung auf die Haushaltsabgabe jetzt ca. eine halbe Milliarde mehr Geld im Säckel hat. Bei einer seiner Töchter gingen neulich Aufträge für 50 % des jah­re­lang be­zahl­ten, durch­schnitt­li­chen Marktpreises über den Tisch. Die in letzter Zeit immer häufiger auftretende Asapitis gepaart mit Preisdumping, den Trend könnt' ich mir sparen. Darauf mit den Laufschuhen eine Runde Dopamin tanken gehen!


Vokabelnotiz: AV — alles mit "audiovisuell" (entsprechend konjugiert)
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Foto: C.E. (Archiv)

Dienstag, 17. Dezember 2013

Übersetzung und Kreativität

Hallo! Absichtlich oder zufällig haben Sie die Blogseiten einer Fran­zö­sisch­dol­met­scherin angesteuert, die auch übersetzt. In der lichtärmsten Woche bereitet sich in Europa alles auf die Winterpause vor. Zeit fürs Innehalten. Und bevor ich den letzten Kostenvoranschlag des Jahres schreibe, lese ich Zeitung.

Der Autor Adam Thirlwell ist mir als Stimme zum 1. Mal bei meinem Leib- und Magensender France Culture be­geg­net, dem französischen Kulturfunk. In der ZEIT spricht er über Schwie­rig­keit und Reiz literarischer Über­setz­un­gen.

Dem Artikel lässt sich unter anderem entnehmen, warum Edgar Allan Poe auf Fran­zösisch der bessere Schriftsteller ist. Ich schließe mit einem anderen Dichter.
Eine Übersetzung ist keine Kopie, sie ist ein Schöpfungsakt.
(José Ortega y Gasset)
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Logo: DIE ZEIT

Montag, 16. Dezember 2013

Endspurt

Bienvenue, welcome, guten Tag (oder Abend)! Ich begrüße Sie auf den Seiten meines virtuellen Arbeitstagebuchs. Heute: Blick auf |den Schreibtisch| das Dolmetscherpult.

Heute letzter Dolmetschtag des Jahres, es sei denn, es mel­det sich noch ein Über­raschungs­kun­de. Die Kol­le­gin­nen senden schon Post aus den Urlaubsorten.
Dabei lerne ich weiter, auch für die Zeit "zwischen den Jah­ren" habe ich schon Fach­li­te­ra­tur bestellt: Eu­ro­pa­po­li­tik auf Englisch für den ersten Ja­nu­ar­ter­min.

Für diesen Einsatz ist uns nämlich eine Italienerin aus Brüssel avisiert, die, so heißt es, gerne mal eben spontan aus dem Französischen ins Englische fallen solle. Kaum ist mit Re­gie­rungs­bil­dung der deutsche Wahlkampf beendet, kündigt sich der Eu­ro­pa­wahl­kampf an.

Was mich weiter beschäftigt: Finanz- und Schuldenkrise (da war seit Juni Pause we­gen der Wahlen), bedingungsloses Grundeinkommen (das jetzt sogar schon FAZ-Autoren befürworten), Filmwirtschaft bzw. Medienfinanzierung.

In den letzten Wochen war ich zwischendurch leicht grippalifiziert und an­ge­hei­sert; jetzt kann ich meine Texte beim Schreiben wieder laut lesen um zu prüfen, ob Melodie und Rhythmus stimmen. Hoffentlich senkt das meine Tippfehlerquote. Auf jeden Fall schon mal ein großes Dankeschön ans private Lektorat dieses Blogs!

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Foto: C.E.

Samstag, 14. Dezember 2013

(Un)Stimmiges

Hallo auf den Blog­sei­ten einer Über­setzer­in und Dol­met­scherin. Heute: Links der Woche.

Heute zoomen wir uns langsam rein in den Beitrag. Erster Anfang: Macht ein Arzt oder ein Pilot einen Fehler, gibt es schlimmstenfalls Tote. Machen Banker Fehler, nein: Machen Politiker Fehler, die zur Pervertierung des Bankensystems führen (und zur Ausnutzung der Verhältnisse durch Bankster), können Staaten pleite ge­hen. Macht ein Informatiker Fehler, können ganze Rechensysteme durch ein Vi­ren­ein­falls­tor Schaden nehmen, Abläufe stocken, Sicherheitskomponenten bei Atom­kraft­werken aussetzen usw.

Dagegen ist das Fehlerpotential von Übersetzern und Dol­met­schern gering, prak­ti­zie­ren wir doch in der Regel das Vier-Augen-Prinzip. Vergessen Sie den Flirt unter Dolmetschern, wie Javier Marías ihn in "Mein Herz, so weiß" beschrieben hat, mut­wil­li­ges Falschdolmetschen kommt bei uns nicht vor.

Zweiter Anfang: Wenn Filmaufnahmeleiter und Sprachmittler kleine Fehler ma­chen, gibt es Missverständnisse, Nachfragen, vielleicht wird etwas doppelt er­le­digt oder es entsteht Leerlauf. Das geschieht hoffentlich sehr, sehr selten. In der Regel läuft aber alles wie ge­schmiert, will sagen: Die Arbeit von Aufnahmeleitern, Über­setzern und Dol­met­schern ist der Allgemeinheit meistens nicht bewusst, sie wird erst dann sichtbar, wenn etwas nicht so läuft, wie es soll.

Wie in der abgelaufenen Woche: Der Gebärdendolmetscher auf Nelson Mandelas Beerdigung hat mit ausdrucksloser Miene irgendwelche knappen Gebärden in die Luft gezeichnet, das Rauschen der Gazetten war anschließend groß. Tagelang wurde gemutmaßt, wie das passieren konnte. Offenbar war ein Nicht-Profi unter Tarif angeheuert worden — oder vielleicht doch ein Fachmann, der jedoch einem schizophrenen Schub ausgesetzt gewesen sei, der also andere Worte fremder Stim­men übertragen hätte? Dazu schrieb mir A., ein Freund und Ge­bär­den­sprach­dol­met­scher: "Habe gelacht beim Vi­de­o­schau­en, es sind immer dieselben Hand­be­we­gungen. Schon während der Rede twitterte Wilma, einzige gehörlose [süd­af­ri­ka­ni­sche] Parlamentsabgeordnete, nach wenigen Minunten: 'Entfernen. Der Mann ist kein Dolmetscher!'"



Ich fürchte, der heutige Beitrag wird bald wieder zu den meistgeklickten zählen. Wir hatten das schon mal, als La Toya Jackson in der Dresdener Semperoper einen Preis im Namen ihres Bruders entgegennahm und der Dolmetscher an­geb­lich nur Rückkopplungen zu hören bekommen haben soll. Sichtbarmachung entsteht hier durch Fehler.

Das Ausmaß des öffentlichen Interesses an den verschie­de­nen Berufen ist stets analog zum jeweiligen Scha­dens­po­ten­tial. Wir dürfen uns freu­en, dass wir so selten zum Thema werden.

Das wäre der erste Schluss: Wir sind Dienstleister und fallen immer dann angehem auf, wenn wir gar nicht auffallen. Sätze wie: "Wir haben ja gar nicht gemerkt, dass Sie da waren, es war, als würden wir ein- und dieselbe Sprache sprechen", sind stets die schönsten Komplimente. Zweites Ende: Über den Vorfall bin ich doppelt erschrocken. Jantjie, der Mann, der für Nelson Mandelas Trau­erfeier gebucht wur­de, soll ein Wie­der­ho­lungs­tä­ter gewesen sein, im­mer wie­der habe er sich trotz feh­len­der Qua­li­fi­ka­tion als Gebärdensprachdolmetscher anstellen lassen, in meh­re­ren Fällen soll er auch für di­ver­se Straftatbestände vor Gericht gestanden haben (und wegen einer psy­chi­schen Er­kran­kung nicht verurteilt worden sein). Es wird sicher Reaktionen auf diese "Ein­sätze" gegeben haben. Schade, wenn sich die Or­ga­ni­sa­to­ren so wenig für die Mei­nun­gen jener interessieren, für die verdolmetscht wird.

Dem Vernehmen nach soll für diesen Einsatz als Honorierung eine 60 Euro ent­spre­chen­den Summe geplant gewesen sein, vermittelt von einer Agentur, die in­zwi­schen abgetaucht ist. Dazu schrieb "The Guardian": Whereas the standard fee for an interpreter is 1,300 to 1,700 rand a day, (...) Jantjie was being paid just 800 rand a day. Hier kommt zu mangelndem Interesse an der Qualität und Lücken in der Sicherheitskontrolle auch noch die Verachtung eines Berufsstandes hinzu, die sich in Honorardumping niederschlägt.


Die anderen Links der Woche gelten auch dem Thema Stimme, allerdings im ersten Wortsinn: Eine Sendung des WDR, hier: klick!, und einmal auf Arte: klack! Die Pro­gram­me ergänzen einander sehr gut.
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Illustrationen: YouTube und Twitter

Donnerstag, 12. Dezember 2013

Gefahr durch Fleischkonsum

Hallo! Sie lesen im 1. Blog Deutschlands aus der Inneren der Dolmetscherkabine. Ich bin Französischdolmetscherin und -übersetzerin. An konferenzfreien Tagen lernen wir, bereiten Einsätze nach oder kümmern uns um Buchhaltung und Kon­takt­pfle­ge.

Es gibt Tage, die sind nicht leicht. Eigentlich wollte ich heute einen schillernden, schwebenden, schönen Rückblick auf die 13. Französische Filmwoche schreiben, die gestern in Berlin zuende gegangen ist. Stattdessen schreibe ich zwei Kon­do­lenz­brie­fe.

Einer dieser Briefe geht an die Adresse von Bekannten, die einen Sohn in meinem Alter verloren haben. Als der schwarzumrandete Umschlag bei mir eintraf, dachte ich erst, der Großvater der Familie sei gestorben, doch es stand ein völlig un­er­war­te­ter Name auf der Traueranzeige.

Französische Apotheke: Grünes KreuzVor einiger Zeit war ein an­de­res Familienmitglied in Berlin mit einer akuten Entzündung ins Krankenhaus eingeliefert worden, ich erinnere mich noch gut, dass erst das 3. An­ti­bi­o­ti­kum angeschlagen hat, ich verdolmetschte einige Ge­sprä­che mit Ärzten und Pfle­gern. Die Es­sens­ge­wohn­hei­ten des Patienten waren noch kein Thema.

Der Verstorbene musste sich wegen eines einfachen Sturzes von der Leiter in sei­nem eigenen Atelier in medizinische Behandlung begeben. Auf der Station wurde er dann plötzlich krank und von einem sehr aggressiven Virus befallen. Kein An­ti­bi­o­ti­kum hat angeschlagen.

Vorher war er bis auf die Folgen des Sturzes kerngesund gewesen, ein Mann wie ein Baum, sportlich-alpin. Die Familie zählt zu den regelmäßigen Fleischessern. Vielleicht ist das ein Hinweis.

Immer mehr Antibiotika werden in der Tiermast eingesetzt, auch ohne jegliches Symptom. Im europäischen Vergleich zähle Deutschland zu den Spitzenreitern im Einsatz von Antibiotika in den Ställen, 2012 seien mehr als 1600 Tonnen der Medikamente verabreicht worden, berichtete der Spiegel vor wenigen Wochen.

Das bleibt nicht ohne Folgen. Die medikamentöse Waffe stumpft im Kampf gegen baktierielle Krankheitserreger ab. Schätzungen zufolge sterben allein in der EU jedes Jahr 25.000 bis 100.000 Menschen an erworbenen Antibiotikaresistenzen. Ein Dossier dazu brachte vor kurzem der Deutschlandfunk.

Heute Abend, 19.30 Uhr, bringt Deutschlandradio Kultur in der Reihe "Zeitfragen" einen Beitrag über das Thema: "Tod aus dem Stall, wie Antibiotika aus der Tier­zucht den Menschen bedrohen". (Link folgt, sofern ich ihn auf der neu­ge­stal­te­ten Seite finde.)

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Foto: C.E. (Französische Apotheke, Archiv)

Mittwoch, 11. Dezember 2013

Kulturfalle

Herzlich willkommen auf den Seiten meines digitalen Arbeitstagebuchs. Als Fran­zö­sisch­dol­metscherin notiere ich hier unter Wahrung dienstlicher Ge­heim­nis­se Epi­so­den meines nicht immer erfreulichen Dolmetscheralltags. Heute plaudere ich mal wieder (nicht) aus dem Nähkästchen.
 
Neulich durfte ich kurzfristig das informelle Mittagessen eines fran­zö­sisch­spra­chi­gen Politikers mit deutschen Pressevertretern dolmetschen. Es ging um ein Me­dien­the­ma, das nicht frei ist von Bezügen auf die große Politik, Fin­an­zie­rung der Me­dien und Rechtliches, Stichwort: Welthandelsabkommen.
In den genannten Bereichen arbeite ich oft, die Lexik umfasst mehr als 20 Seiten; zu französischer Filmwirtschaft und -förderung habe ich Mitte der Nuller Jahre an der Uni unterrichtet.

Vor dem Mittagessen war ein Hearing mit Politikern und Fachleuten angesetzt. Ich war eingeladen, diesem aus dem Publikum zu folgen. Zum Mittagstermin war ich übrigens erst am Spätnachmittag des Vortages gebucht worden, 17.20 Uhr. Für den anschließenden Abend hatten wir seit langem  Konzertkarten, an Vor­be­rei­tungs­ma­te­ri­al gab es wenig. Kurz: Ich paukte kurz und intensiv, ging ohne Reue aus und beruhigte mich damit, dass ich noch den Vormittag Zeit haben würde.

Der eben ein Vormittag bei einer verdolmetschen Ver­an­stal­tung war. Schick, dachte ich, die Kolleginnen in der Ka­bine werden länger im Vor­aus gebucht worden sein, die An­hö­rung gut vorbereitet haben. Da kann ich mir noch aktuelle Termini ablauschen und im Netz prüfen, denn von einem früheren Termin vor Ort hatte ich noch Wlan-Zugang.

Nun, vielleicht war nicht nur ich kurzfristig gebucht worden — oder es hatte sich wieder die Kulturfalle aufgetan. Die geht so: "Kultur ist einfach, ich gehe re­gel­mä­ßig ins Kino, kein Problem." Elegantes Paraphrasieren ist eine Kunst für sich, das Hear­ing dauerte drei Stunden mit Pausen, ich klinkte mich also bewusst 30 Mi­nu­ten aus, steckte mir Klassik in die Lauscher, surfte hochkonzentriert durch diverse leicht auffindbare Dokumente und wandte mich dann wieder der Ver­an­stal­tung zu. In der Pause klärte ich mit einem Fachmann noch Hintergründe.

Später durfte ich schmunzeln, das Wort "Meritokratie" fiel auf Französisch, seit ei­ni­ger Zeit macht es ja auch auf Deutsch die Runde, und meine Tischnachbarn tu­schel­ten sich etwas zu, weil offenbar Unklarheit herrschte: Bei ihnen war "Me­di­o­kra­tie" angekommen, und sie fragten sich, ob nun das Herrschaftsprinzip der Me­dien oder das der Mittelmäßigkeit gemeint gewesen sei.
 
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Foto: ein anderer Ort, Datenschutz!

Dienstag, 10. Dezember 2013

Gedankenfelder

Bien­ve­nue ! Schön, dass Sie auf den Sei­ten meines Blogs ge­lan­det sind. Hier no­­tie­re ich nahezu täglich, wie der Sprach­be­ruf, ich bin Französischdol­met­scherin und -über­setzerin, die Sicht auf den All­tag verändert.

Dolmetschen ist immer auch interkulturelle Arbeit. Das beinhaltet, von den Vor­ur­tei­len der einen gegenüber den anderen zu wissen — und sich in län­der­spe­zi­fi­schen Besonderheiten auskennen zu lernen. Mit Frankreich und Deutschland war das für mich viel Arbeit, und zugleich dank einer anderen "interkulturellen Er­fah­rung" völ­lig selbstverständlich.

Ich bin in "Westdeutschland" geboren (wie es "Westberliner" ab Mitte 40 noch heute sagen), im anderen Teil Deutschlands lebte aber der Großteil der Verwandtschaft, so lernte ich von Kin­des­ta­gen an, dass Begriffe ihr jeweils eigenes Hinterland ha­ben können, dass As­so­zi­a­tions­ket­ten mitunter andere sind, dass sich je nach Si­tu­a­tion mö­gli­cher­wei­se ein- und derselbe Mensch anders ausdrückt.

DolmetschpultUnd manchmal bedeutete schon auf Deutsch ein- und dasselbe Wort sogar etwas anderes, zum Beispiel das Wort Konsum (mit langem, be­ton­tem U) als Synoym für Ver­brauch, Einkauf und das, was man sich leisten kann. Auf Ostdeutsch war der Konsum, das O betont, das U kurz, ei­ner der Lä­den der Stadt, in der meine Familie lebte.

Dann kam sehr früh Frankreich hinzu. Ich durfte ohne zu vergleichen eintauchen in die französische Kultur und Sprache. Das war mein Glück. Nur so konnte ich die Vernetzungen der Worte und vieles von dem, was mitschwingt, überhaupt lernen.

Sprachkenntnisse allein machen niemanden zum Übersetzer oder Dolmetscher. Die Übertragungsarbeit folgt Kulturtechniken und Regeln, die sich ler­nen lassen. Davor aber stand harte Arbeit. Es hat sich so angefühlt, als würde ich Fran­zö­sisch und auch Deutsch ein weiteres Mal lernen. Ich musste nämlich die Entsprechungen ler­nen, die oft bestehende Nähe als solche erkennen, die Unterschiede wahr­neh­men, die Übergänge üben, ich durfte un­ter­schied­li­che Gedankenfelder un­ter­schied­li­cher Kulturen dort in Übereinstimmung bringen lernen, wo sie über­ein­stim­men, und anderswo klar die Verschiebungen spüren lernen. Diese sind oft historisch be­dingt, das hilft beim Lernen. Oft ergeben sich diese Erkenntnisse aber nur im Alltag. So entwickelt sich ein erweitertes Sprachgefühl.

Ein Sprachgefühl auch für komische Dinge: Selbst gerechnet wird hier und dort an­ders. Zahlenbeispiele habe ich schon öfter gebracht. Auch in der Phi­lo­so­phie gibt es zentrale Unterschiede zwischen beiden Ländern, gerade weil Frankreich und Deutschland einander hier immer wieder bereichert und angeregt ha­ben. Hier geht et­li­ches auch aufs Konto schlechter Übersetzungen; ich habe mich immer ge­wei­gert, diese in die Hand zu nehmen, weiß aber, dass diese Ebene zum vollen Be­grei­fen der Miss­ver­ständ­nis­se nötig wäre.

Zum Abschluss noch zwei einfache Beispiele für diese Verschiebungen im Alltag. Wer als Dolmetscherin oder Übersetzerin das im Schlaf kann, hat seine Kulturen wirklich verinnerlicht. So sagen zum Beispiel die Deutschen in "14 Tagen" oder in "zwei Wochen", auf Französisch heißt das dans quinze jours, also in 15 Tagen. Bitte jetzt keine Fragen, ich weiß auch nicht, warum das so ist. Auch die mittelfristigen Wettervorhersagen erstrecken sich in Frankreich über 15 Tage, in Deutschland über zwei Wochen.

Auch ihren Kalender verstehen die Franzosen sehr oft anders. La rentrée, dieser kollektive "Almabtrieb" runter von den Bergen, weg von den Stränden und Dörfern (bei Großmuttern), wenn das schulische, politische, soziale, akademische und li­terarische Leben wieder anfängt (la ren­trée sociale, la rentrée politique, la rentrée sociale, la rentrée universitaire, la rentrée littéraire), dieser kollektive Start in die neue Saison wird in Frankreich nicht selten wie ein Jahresanfang ge­wer­tet.

Wenn im November oder Dezember jemand l'année dernière sagt, letztes Jahr, dann ist mit großer Wahrscheinlichkeit die Zeit vor der Sommerpause ge­meint. Jetzt, so kurz vor dem Jahreswechsel, klingt das für deutsche Ohren ir­ri­tie­rend.

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Foto: C.E. (Archiv)

Montag, 9. Dezember 2013

Infusion

Hallo auf den Blog­sei­ten einer Französischdolmetscherin und -über­setzer­in, da­ne­ben arbeite ich mit Englisch, allerdings nur als Aus­gangs­sprache. Meine Ar­beits­schwer­punk­te sind Politik, Wirtschaft, Soziales und Kultur. Hier denke ich auch über Unterscheide meiner Länder nach.

Ein gemütlicher Abend bei Freunden in Frankreich stand bevor, mit den Kindern war ich kurz deux baguettes holen, und als ich wiederkomme, zeigt sich meine Rei­­se­­be­glei­tung irritiert. Der aus Deutschland stammende Gast spricht näm­lich nur ein wenig Französisch. Und er war gerade von einem grippalen Infekt ge­ne­sen. Noch etwas ist wichtig als Hintergrundinformation: Die Hausherrin war vor ihrem Studium Krankenschwester.

Auf jeden Fall erwartete uns eine merk­wür­di­ge Stimmung, eine minimale Ver­stim­mung war mit Händen greifbar. Ich hakte nach.
Der deutsche Reisende war durch­ein­ander, denn die Gastgeberin hatte ihm eine "In­fu­sion" angeboten. "Wir sind hier doch nicht im Krankenhaus!", meinte er mit leicht unterdrückter Empörung.
Hier hat die vermeintliche Nähe der fran­zö­sischen und deutschen Sprache uns einen Streich gespielt! Als "falsche Freun­de" (faux amis) werden Begriffe mit hohem Verwandtschaftsgrad bezeichnet, die aber in den jeweiligen Kulturen etwas anderes bedeuten.

Meinem Bekannten war an diesem Abend schlicht und ergreifend ein Kräutertee angeboten worden, weil er doch noch schlapp wirkte und weder Wein noch Wasser trinken mochte. Der Kräutertee heißt l'infusion, das kommt von faire oder laisser infuser, ziehen lassen.

Meine Lieblingskräuterteevarianten, die in Frankreich sehr gut bekannt sind, ha­ben wir dann gleich probiert: eine Tasse réglisse-menthe und eine Tasse ver­veine. Réglisse ist Süßholz, das für die Lakritzherstellung verwendet wird, hier mit Minze gemischt. Verveine wird in Deutschland auch immer öfter angeboten, Verbena-Tee.

Im Krankenhaus aber werden perfusions verabreicht (vollständig: la perfusion in­tra­veineuse).

Der Abend wurde dann doch noch ganz gemütlich, mit Kräutertee und Kräu­ter­schnaps. Aber das ist eine andere Geschichte.

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Foto: C.E.

Sonntag, 8. Dezember 2013

Bier!

Bien­ve­nue und will­kom­men auf den Sei­ten meines Blogs. Hier schreibe ich aus Dol­met­scher- und Übesetzersicht über die Arbeit mit und in Sprachen. Heute: Unerwartete Momente im Dolmetschalltag als Sonntagsfoto.

Dieser Tage stehen in Berlin alle Zeichen auf Film: Die europäischen Filmpreise werden vergeben, die französische Filmwoche feiert frankophones Kino, eine andere Reise heißt "Around the World in 14 Films". Natürlich bin ich als Dol­met­scherin mit meiner Filmspezialisierung auch dabei.

Mit 25 Minuten Puf­fer verlasse ich die Wohnung. Drei Sta­tio­nen, zweimal War­ten und einmal Umsteigen später fo­to­gra­fiere ich ge­ra­de wieder einen Leser im öf­fent­li­chen Raum, da macht die U-Bahn, die hier eine Hoch­bahn ist, eine Vollbremsung. Neben mir sitzt eine Frau, die sich ihre Fla­sche lässig zwi­schen die Knie ge­klemmt hat, um die Hände fürs Handy frei­zu­ha­ben. Es pas­siert, was auf dem Bild zu erahnen ist: Der Inhalt der Bier­flasche landet in großen Teilen auf meiner Hose.

Wasseralarm im Hochsommer wäre wohl hinnehmbar gewesen. Aber gezuckerte oder ver­gorene Getränke auf der Hose, die dann langsam abtrocknen, die riechen und/oder kleben, das geht nicht. Also schnell zurück nach Hause, umgerüscht und zum Event gerauscht. Ich war drei (als Ziffer: 3!) Minuten vor Beginn da. An einem verregneten Wochenendtag schrumpft die Stadt beachtlich — vom Rücksitz eines Ta­xis aus gesehen.

Merke: Immer mindestens einen weiteren sauberen Anzug im Schrank haben, das ist wohl eine weitere goldene Regel für unsereinen. Und da ich wiederholt erlebt habe, dass gerade bei Delegationsreisen oder Terminen außerhalb Berlins die Rück­kehr­zeiten ... naja, dass also bestenfalls die Überstundenregelung gegriffen hat und ich dann wiederholt um fünf nach Ladenschluss vor der chemischen Reinigung stand, sind einige dieser Berufsuniformen am besten ma­schi­nen­wasch­bar. Sind nur leider schwer zu finden. Modehersteller: Macht mal mehr Elegantes aus Na­tur­ma­te­rial, das wirklich pflegeleicht ist!

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Foto: C.E.

Samstag, 7. Dezember 2013

Sprachmamsell

Bonjour oder bonsoir ! Absichtlich oder zufällig sind Sie auf den Seiten des di­gi­ta­len Arbeitstagebuchs einer Sprachmittlerin gelandet. Hier schreibe ich über den Berufsalltag und was mich nebenbei so beschäftigt.

"Wo stecken denn die Sprachmamsell'n?", fragte letztens ein Kunde seinen Kollegen bei einem Abendessen augenzwinkernd, als er mit einem Menschen aus einem an­de­ren Sprachgebiet ins Gespräch kommen wollte. Wir saßen in einer Art Ausflugs­dampfer an langen Tafeln, der seine nächtliche Runde um den Berliner Stadtkern zog, und ließen uns ein mehrgängiges, ausgewähltes Menu schmecken. (Das Was­ser­fahr­zeug fährt natürlich ohne Dampf und gehört zu einem großen Hotel.)

Das mit den Mamsellen war insofern richtig, als dass wir für die französische Spra­che angeheuert worden waren und das Wort vom französischen mademoiselle ent­lehnt wurde. Ab dem 18. Jahrhundert bezeichnete der Begriff eine leitende Haus­wirt­schafterin. In gewisser Weise stimmte sogar das, waren wir doch in leitender Position für die Beförderung der Wirtschaft zuständig.

Komisch, die meisten Dolmetscher sind Frauen. Diese Woche fiel mir daher fol­gen­de aktuelle Nachricht auf: Weibliche und männliche Gehirne sind unterschiedlich verschaltet. Was wir immer ahnten, beschrieben Wissenschaftler der University of Pennsylvania. Dank MRT-Untersuchungen kamen sie den räumlichen Strukturen von Neuronen näher. Ergebnis: Im Großhirn der Frauen gibt es mehr neuronale Ver­bin­dun­gen zwischen den beiden Hemisphären.

Bei männlichen Gehirnen sind dafür die Nervenzellen innerhalb der Hirnhälften enger miteinander verknüpft. Die Vermutung geht nun dahin, dass Frauen in­fol­ge­des­sen stärker auf dem Feld von Analyse und Intuition sind, Männer dafür besser Ziele wahrnehmen und diese leichter auf Handlungen ausrichten können. Wie bei vielen anderen neuronalen Prozessen auch, lassen sich diese Unterschiede erst ab der Pubertät beobachten. (Deutsche Meldung hier: Deutschlandfunk, auf Englisch: The independent, Erstveröffentlichung: PNAS.)

Hm, Gleichstellung der Geschlechter in der Kabine hat zum Glück noch niemand gefordert. Und auch nicht an den langen Tafeln von Restaurantschiffen. Die Ant­wort auf die Frage unseres Kunden war einfach: Die eine saß am anderen Ende des "Saals", die andere (ich) direkt neben ihm. Seine Wahrnehmung war nur auf seinen Gesprächspartner direkt vor ihm gerichtet.

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Foto: wird nachgeliefert

Donnerstag, 5. Dezember 2013

Strauchelnde bitte was?

Hallo! Hier bloggt eine Sprachmittlerin. So ein Ar­beits­ta­ge­buch aus der Dol­­met­­scher­­kabine gebiert seltsame Textformen. Darf ich vorstellen: Die The­a­ter­kri­tik-Kritik.

Theaterdialoge, "in Halbsätzen von gelegentlich professionell strauchelnden Si­mul­tan­über­setzerin­nen übermittelt", das soll laut Hörfunkkritik seit gestern Abend vor­erst regelmäßig im Schauspiel Stuttgart stattfinden.

Das Stück "Liebe Kannibalen Godard" aus der Feder von Tho­mas Jonigk beruhe auf dem Film "Week-End" von Jean-Luc Go­dard. Das Theaterstück scheint al­ler­dings die Kritikerin wenig überzeugt zu haben: "Nicht sinister genug für schwar­­zen Hu­mor" und "lei­ern­de Schauspieler", so beschreibt je­den­falls Cornelie Ueding, wie sie die Premiere erlebt hat.

http://srv.deutschlandradio.de/themes/dradio/script/aod/index.html?audioMode=2&audioID=4

Die Aktualisierung des Stücks bestehe, so ist ab Minute 3'40''  im Deutschlandfunk (Sendung "Kultur heute") zu hören, in der Hinzufügung jeweils eines Menschen aus Afrika und einem arabischsprachigen Land, die sich, in europäische Abendanzüge gekleidet, mithilfe von Sprachmittlern elegant verständlich machen würden.

Naja, und dann fällt leider der Begriff "Simultanübersetzerinnen". Nur kurz: Si­mul­tan­über­setzer gibt es nicht, denn das Wort "simultan" bezieht sich auf Dolmetschen (mündlich), während Übersetzer nur schriftlich übertragen. Zur Absurdität des von der Theaterkritikerin verwendeten Begriffs hier ein Bild.

Stellen wir uns einen Schriftsteller vor, der sein Buch abgeschieden von der feind­li­chen Außenwelt in seiner Denkerklause fabriziert, die Dachschräge heimelig über sich, den Leib in einen dicken Wollpulli gehüllt, in der Ecke flackert ein Feu­er­chen im Kanonenöfchen, auf der Fensterbank steht ein Kaktus vor den etwas trü­ben Scheiben.

Und neben dem mit Papierbergen zugestapelten Dich­ter­schreib­tisch aus dunklem Holz steht eine lichtgraue, blitzende Dolmetscherkabine mit sau­ber­ge­wie­ner­ten Fenstern, die zwei 'Si­mul­tan­über­setzer­in­nen' außerordentlich gute Sicht auf den Ort des Geschehens bietet. Und die elegant gekleideten Damen tippen im Wechsel nun ganz simultan die Übersetzung dessen, was unser Autor da nie­der­schreibt.

Wie war der zentrale Satz nochmal? "... in Halbsätzen von gelegentlich pro­fes­sio­nell strauchelnden Si­mul­tan­über­setzerin­nen übermittelt." Wieso eigentlich Halb­sätze?! Und pro­fes­sion­el­les Straucheln von Spracharbeiterinnen, was darf ich mir darunter vorstellen?

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Illustration: Der neue Player vom D-Radio

Mittwoch, 4. Dezember 2013

Untertitel ...

Will­­­­­kom­­­­­men auf den Sei­­­­­ten des ersten deut­­schen Blogs aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bine. Ich bin Dol­­met­­scher­in und Über­s­etzer­in für die fran­­zö­­si­sche Spra­­­che und aus dem Eng­­li­schen. Hier denke ich über un­­­se­­ren Be­­­ruf nach.

 ... übersetzen wir gerne, das ist eine schöne und zugleich langwierige Arbeit. Für einen Spielfilm veranschlagen wir normalerweise eine Woche. So viel Zeit ist au­ßer­halb fabrikmäßiger Übersetzung dafür nötig, wenn Qualität die zentrale Rolle spielen soll.

Für Schmunzeln sorgen indes automatische Untertitelungsdienste —YouTube bietet einen solchen an, basierend auf Googles "machine translation"-Dienst, sofern be­reits Untertitel als Ausgangstext vorhanden sind. Dazu muss der Nutzer auf den ro­ten Pfeil rechts am Bildrand unten klicken. Ein interaktives Menü öffnet sich, und eine weitere Schaltfläche neben "CC" (was für 'closed caption' steht) führt zu Be­dien­op­tio­nen, über die aus den jeweils angebotenen Sprachen ausgewählt werden kann.

Aber typisch für computergenerierte Übersetzung lesen sich auch hier die Er­geb­nis­se mitunter wie kryptische Rätsel.

Zum Thema fällt mir schließlich noch Woody Allen ein mit seinen auf dem Haus­dach untertitelten Gedanken, der berühmte Flirt mit Paralleltext. Und auch der britische Sketch über diskriminierende Untertitel:

 

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Quelle: YouTube

Dienstag, 3. Dezember 2013

Merci beaucoup XII

Bonjour ! Rasche Grüße aus der Buchhaltung, soviel zum Thema "Arbeitstagebuch einer Dolmetscherin". Dazu darf ich mich heute schon wieder über eine Spiegelung freuen. Manches Kundendankeschön fällt detaillierter aus. Das freut mich. 

Bernard Payen, Caroline Elias
"Im Rahmen des vom Verband der deutschen Film­kri­tik abgehaltenen Podiums „Kritik macht Kino“ am 23.11.2013 im Berliner Arsenal dol­metsch­te Caroline Elias das Gespräch für den Kurator und Filmredakteur Bernard Payen, Se­maine de la Critique Cannes/Cinémathèque Fran­çaise als einzigem französischsprachigen Podiumsteilnehmer.

Mit der für eine „Flüster­dol­met­scher­in“ ge­bo­ten­en Zurückhaltung über­trug sie das ein­ein­halb­stün­di­ge Gespräch in pro­fes­sion­el­ler Weise. Für das Publikum gab sie die Äußerungen Pay­ens mit leichter Zeitversetzung und in einer mo­de­ra­ten Lautstärke wieder, was ermöglichte, dass frankophone Zuhörer ohne Pro­ble­me den Ori­gi­nal­bei­trä­gen Payens folgen und die Nicht­fran­zö­sisch­spra­chi­gen eine fast si­mul­ta­ne und lebendige, wortgewandte Ver­dol­met­schung erhielten." (Dunja Bialas, Vorstandssprecherin, Verband der deutschen Filmkritik)

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Foto: Christine Kisorsy

Montag, 2. Dezember 2013

Schafsbibel

Liebe Leserin, lieber Leser, herzlich willkommen auf den Seiten meines digitalen Arbeitstagebuchs. Hier schreibe ich stets unter Wahrung der Berufsgeheimnisse über Episoden meines Alltags als Dolmetscherin und Übersetzerin.

Das Wort des heutigen Titels ist ein phonetisches Anagramm. Leider soll es doch tatsächlich Menschen geben, die Übersetzern maschinenübersetze Texte "zum Kor­rek­tur­lesen" zusenden in der irrigen Annahme, dass das Procedere "Unkosten" ein­spa­ren helfen würde. Manchmal schieben kluge Menschen aber auch komische Sätze in diese Maschinen und alle freuen sich über den Stuss, der am Ende da­bei raus­kommt. Hier ein von mir illustriertes Beispiel, das sich im Netz anfand.
schafsbibel.de "Each language learner is assigned a tier representing the quality of their translations" // "Jede Sprache Lernenden ist ein Tier, das die Qualität ihrer Übersetzungen zugeordnet"
The tier bedeutet hier Stufe, Level. Umso schöner, was heute von einer lebendigen Kundin an mich lebendige Über­setzerin ins Mailpostfach flatterte: "... vielen Dank für die schnelle Übermittlung, wir waren mit der Übersetzung außerordentlich zufrieden."

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Foto: schafsbibel.de ;-)

Freitag, 29. November 2013

Aus dem Norden

Willkommen auf der Seite einer Französischdolmetscherin und -übersetzerin mit Hauptarbeitsort Berlin. Hier können Sie Einblicke nehmen in unseren Alltag, zu dem auch das Aufschreiben von Begriffen und Redewendungen zählt.

Vokabelnotiz: Dieser Tage, ein seated dinner mit Menschen aus der Me­di­en­welt, immer abwechselnd saßen Männ­lein und Weiblein auf ihren Stühlen. Derlei wird "Bunte Reihe" genannt, nicht zu verwechseln mit dem, was in West­fa­len un­ter "west­fälischer bunter Reihe" ver­stan­den wird, nämlich genau das Gegenteil davon, also eine Sitzordnung, die Frauen und Männer trennt, was laut Wikipedia auf alte Kir­chen­tra­di­tio­nen zurückzuführen sei. (Es gibt wohl Dinge, die er­schlie­ßen sich nur Menschen, die vor Ort sind.)

Wir aber waren im Norden. Der Abend war schön, lang und sehr nahrhaft. Die eine oder der andere musste sogar zwi­schen­durch einen Gang aus­lassen. Dann fiel der Ausdruck: "auswärts dickt nicht". Der Schnack käme aus Schleswig-Hol­stein, heißt es. In diesem nördlichsten Bundesland schei­nen viele Damen ausschließlich zu Hause zu speisen.

Denn von dort ist mir sonst nur der "schleswig-holsteinische Schreitbagger" bekannt für eine Person weiblichen Geschlechts mit überaus beachtlichen Aus­maßen. Aber das ist alles andere als political correct, das nehm' ich augenblicklich zurück!

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Foto: wird nachgeliefert

Mittwoch, 27. November 2013

Beine hoch und runterkommen

Bien­ve­nue ! Wie schön, dass Sie auf den Sei­ten meines Blogs ge­lan­det sind. Hier schrei­be ich, wie der Sprach­be­ruf, ich bin Dol­met­scherin und Über­setzerin, den All­tag verändert. Sogar auf die Nächte wirkt er sich nicht selten aus.

Wenn ich mich entspanne, ist mein Ruhepuls nomalerweise immer, wie er sein soll: Bei 60 Schlägen in der Minute, wie bei einem langsamen Satz von Bach.

Nach dem Dolmetschen ist das anders. Samstagabend stieg ich ohne jeglichen An­flug eines Gedankens an Lampenfieber auf die kleine Bühne im großen Saal des Ki­nos Arsenal am Potsdamer Platz. Eine Regisseurin und Filmkritiker diskutierten über die Frage "Was kann Kritik, was hat sie verlernt, wofür brauchen wir sie heute?" Ich saß neben Ber­nard Payen, der heute für die Cinémathèque Française und die Semaine de la Cri­tique in Cannes Programme kuratiert. Nach der Dis­kus­sion wurde der Sieg­fried Kra­cauer-Preis für Filmkritik vergeben, da dolmetschte ich weiter, auf dass der Gast aus Frankreich sprachlich nicht abgehängt sei. Insgesamt werde ich etwa drei Stunden lang (mit Pausen!) aktiv gewesen sein. (Hier ein Nachtrag: Das Dankeschön des Veranstalters.)

Anschließend wurde gefeiert. Ich war glücklich, mich mal wieder in der Szene aufhalten zu dürfen, in der ich viele Berufsjahre verbracht habe. Um Mitternacht war ich zu­hau­se und hundemüde. Schlafen konnte ich trotzdem nicht. Das Herz­chen bum­mer­te. Um zwei Uhr in der früh lag der der Ruhepuls noch bei 100. Ich bin durch­schnitt­lich sportlich und nicht fett ... und fragte mich, was ich tun kann, um wie­der runterzukommen.

Also saß ich kurz darauf in der Küche und war auf Facebook unterwegs. Ein Freund aus den USA mutmaßte zu viel Kaffee, das war es nicht, nur das Adrenalin der Dau­er­kon­zen­tra­tion, er riet zu einem langweiligen Film. Hm, TV habe ich nicht, mein Verhältnis zu Kino ist ein anderes und überhaupt, der Computer strahlt wach­mach­en­des, blaues Licht aus, also wollte ich nur wenig Zeit hier zubringen. "Milch mit Honig" nach einem Wannenbad, rät Kollegin Giselle, ich verhielt mich folgsam. Katjas Vorschlag mit dem Whiskey scheiterte an den unzureichenden Vorräten. Und Jean empfahl Akupressur, dann entstand eine kurze Diskussion, ob sie wirksam ist, wenn man sie bei sich selbst ausführt.

Nein, keine Angst, diese Hinweise kamen nicht alle noch in der Nacht, die Sprach­branche zeichnet sich nicht durchgängig dadurch aus, dass ihre Mitglieder unter Schlaflosigkeit leiden. Zumal die Hinweise ja von Menschen kamen, die das He­rum­wäl­zen im Bett erfolgreich bewältigt hatten! Ich habe vorgegriffen.

Kurz vor fünf war ich jedenfalls weiterhin müde, Schlaf stellte sich nur für Se­kun­den ein. Kurz nach sieben wachte ich auf und hatte auf Englisch geträumt, wie ich Gespräche zwischen Historikern und Diktatoren aus der europäischen und la­tein­ameri­ka­ni­schen Geschichte verdolmetscht hatte — noch dazu mit schlechten Ar­beits­be­dingungen, keine Sicht auf die Redner, keine Kopfhörer, nur zu leise ein­ge­stell­ten Lautsprechersound. Dolmetscheralbtraum!

Nach zehn Uhr wachte ich gerädert auf und fand eine schöne Würdigung meiner Arbeit durch eine Berlinaleverantwortliche inmitten der Ein­schlaf­­me­­tho­­den­­dis­­kus­sion! Wie schön!

Caroline Elias interpreted meetings of historians with historical dictators - while dreaming. And bad working conditions over the top! /24 novembre, 07:04 // Linda Söffker Liebe Caroline, ich fand das übrigens super wie Du gedolmetscht hast. Sehr angenehm. Aber leider zu wenig gewürdigt mit einem Dankeschön an Dich!! / 24 novembre, 10:29 // Caroline Elias Danke, Linda! Das freut mich zu hören. Und die beste Würdigung ist immer eine Weiterempfehlung [Pouls au repos tjs / Ruhepuls noch immer 80, normalemt./sonst 60].

Die Moral von der Geschicht': Ab Mitte Dezember frische ich meine Kenntnisse in Autogenem Training auf, das ist beschlossene Sache. Denn es ist sinnvoll, Ent­span­nungs­tech­niken in ruhigen Phasen zu lernen, damit sie in Stressphasen angewandt werden können.

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Illustration: facebook

Dienstag, 26. November 2013

Dumping mit öffentlicher Hilfe?

Will­kom­men beim 1. Web­log aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bine Deutsch­lands. Hier berichte ich regelmäßig über meine Arbeit. Heute kommentiere ich eine aktuelle Fundsache.

No, we are not amused! Die Übersetzer- und Dolmetschercommunity hat sich in den letzten Tagen hierüber ausgetauscht: Eine GmbH in Köln, die ver­mut­lich im Auf­trag der deutschen Arbeitsverwaltung tätig wird, fördert Lohndumping in einem hochqualifizierten Bereich:

Übersetzer/-in auf 400,00 -Basis für spanisch / deutsche Übersetzungen | Unsere Erwartungen an Sie: Für diverse Übersetzungsarbeiten suchen wir regelmäßig spanisch- und deutschsprechende Aushilfskraft auf 400,00 €-Basis. Neben Übersetzungsarbeiten sollten Sie auch in der Lage sein, einem unserer Mitarbeiter die spanische Sprache zu lehren.

Die Frage ist natürlich, ob die gesuchte Person einen halben Nachmittag in der Woche in dem Unternehmen zubringen soll, womit ihre Leistungen mit 25 Euro die Stunde vergütet werden würden, oder doch vielleicht eher häufiger. Komisch, An­zei­gen wie "Für diverse Rechtsberatungstätigkeiten und für die Betreuung un­se­rer Vertragsabteilung suchen wir eine(n) erfahrene(n) Rechtsanwalt/-anwältin auf 400 Euro-Basis ..." finden sich nirgends. Nur mit unsereinem glaubt man of­fen­bar, es machen zu können.

Wie war das gleich noch? Was ab Januar 2014 zum 450 Euro-Job wird, wurde einst eingeführt, damit Unternehmen kurzfristig auftretende Spitzenauslastung mit un­qua­li­fi­zier­ten Kräften ohne großen Verwaltungsaufwand abfedern können und um Rück­keh­rern in die Arbeitswelt den Wiedereinstieg zu erleichtern. Meistens han­delt es sich dabei um Aushilfstätigkeiten im Versand, Pakete packen vor Weih­nachten zum Beispiel, in Gastronomie und Handel.

Dass diese sozialversicherungsfreie Beschäftigungsmöglichkeit in den letzten Jah­ren zu negativen Aus­wüchsen geführt hat, ist inzwischen sogar im Bun­des­kan­zler­amt an­ge­kom­men. In Newsgroups, über die sich Sprachfachleute austauschen, berichtet eine junge Kollegin sogar davon, dass ihr in noch jüngeren Jahren von einer Agentur einmal ein 400 Euro-Job für 40 Wo­chen­stun­den Arbeit angeboten worden sei.

Diese Art Beschäftigungsverhältnis hat sich in den letzten Jahren nicht nur als Arbeitsplatzvernichtungsmaschine entwickelt, die Altersarmut derjenigen, die sich darauf einlassen (müssen), ist programmiert.

Von Spitzenlastabfederung kann hier keine Rede sein: Bei der ausgeschriebenen Stelle, das ist eindeutig, tritt das Arbeitsaufkommen nicht überraschend und vermutlich auch nicht völlig geballt auf, es handelt sich auch nicht um un­qua­li­fi­zier­te Tätigkeiten. Die zweite oft vorgebrachte Begründung für diese Ver­trags­form, dass eine "geringfügige Beschäftigung" ein "Sprungbrett" zurück in den 1. Arbeitsmarkt bieten solle, hat, sozialwissenschaftlichen Stu­dien zufolge, bislang nur in Aus­nah­me­si­tu­a­tionen funktioniert.

Mich ärgert diese Anzeige sehr; sie beschädigt unseren Berufsstand. Übersetzen, Dolmetschen und Sprachunterricht sind keine "Aushilfsarbeiten". Und dass sich hier der Staat an der Abwertung beteiligt, denn wer weiterklickt, wird über Seiten des Jobcenters weitergeleitet, ärgert mich noch mehr. Passend dazu: "Datenreport 2013 — Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland", kann hier als PDF (12,2 MB) heruntergeladen werden.


P.S.: Last but not least ist es nicht selbstverständlich, dass jemand, der übersetzt oder dolmetscht, auch ein guter Pädagoge ist. 
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Illustration: jobkontakt GmbH, Köln

Montag, 25. November 2013

Genauigkeit

Hallo! Hier verzeichnet eine Dolmetscherin und Übersetzerin Notizen aus dem Alltag. Das schließt besondere Fundstücke mit ein.

Übersetzer sind die genauesten Leser (Korrekturleser). Sie nehmen den Autor beim Wort.
Günter Grass
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Sonntag, 24. November 2013

(Kunst)Lichterzeit

Hallo auf den Blog­sei­ten einer Über­setzer­in und Dol­met­scherin. In der Blo­go­sphä­re gehen manch­mal Fragen rum, die wie das #apfel­nuss­man­del­kern-Stöckchen beim Stafettenlauf von Blog­ger zu Blogger wandern. Wibke Ladwig hat mir das Blogstöckchen von Garten2null.de zu­ge­wor­fen, es geht um die Jahrezeit, in der wir uns befinden. 

Wie gestalten Sie das Jahresende?
In Familie: Ritueller Büchertausch, draußen ist es kalt, drinnen warm, die Spei­se­kam­mer voller Spezereien und es wird stundenlang gekocht, erzählt, dis­ku­tiert, Bilder aus dem ab­lau­fen­den Jahr betrachtet, Rückschau gehalten.

Welche lustigen Geschichten haben Sie zu Advent, Weihnachten oder Silvester erlebt?
Als ich acht Jahre alt war, durfte ich bei Nachbarn, die Kinder im Alter von drei und fünf hatten, den Nikolaus spielen. In meinen roten Frottee-Bademantel ge­hüllt, die roten Gummistiefel an den Füßen und eine Nikolausmaske vor dem Ge­sicht, deren Bart ich mit Watte verlängert hatte, ging ich aus dem Haus und über die Straße. Auf dem Weg ins Mietshaus, in dem die Familie wohnte, kam mir jemand entgegen: Ein ausgewachener Nikolaus! Pantomimisch lüften wir die gedachten Hüte, nickten einander zu, der große Nikolaus sagt zum kleinen: "Herr Nikolaus, guten Abend!", der kleine zum großen: "Gute Arbeit wünsch' ich!" Sehr filmisch. Dass sich mir die­se Szene derart "eingebrannt" hat ins Gedächtnis, zeigt, dass ich früh einen Sinn hatte für Szenen und Bilder. Eine meiner Spezialisierungen als Dolmetscherin und Übersetzerin, den Filmbereich, finde ich hier wieder.

Was bedeutet Ihnen der November oder der Dezember?
... Dunkelheit und dass das Wirtschaftsleben nochmal beschleunigt, bevor eine satte Ruhe einsetzt.

Was verbinden Sie mit der Lichterzeit?
Tee auf Stövchen, Weintrauben, Birnen, Walnüsse, Tageslichtlampe, Zeitungen in der Küche
Herbstdeko mit Bullauge
Der natürliche Lichtmangel zu Jah­res­en­de macht mir schwer zu schaffen. Mich ret­tet aber meine Ta­ges­licht­lam­pe, die als heller Schirm auf dem Ess­tisch steht und mir immer wie ein Bull­au­ge im Flieger mit Blick auf Himmel und Wol­­ken­decke vor­kommt, von oben na­tür­lich. Dass schon zu heid­ni­schen Zei­ten die Win­ter­son­nen­wen­de mit Licht ge­fei­ert wurde, kann ich nach­füh­len.

Auf was freuen Sie sich jetzt besonders?
Aufs Batterienauftanken zu Jahresende. Manchmal bietet der Berliner Winter auch große Kälte, die ich mag, weil dann der Himmel blau ist. Aber es gibt auch Monate ohne eine einzige Sonnenstunde wie Januar 2013. Also erhoffe ich erstmal nichts, sondern nehme, was kommt. Ändern kann ich's ja ohnehin nicht.

Was nervt Sie jetzt mehr als im übrigen Jahr?
Schon gestern hörte ich in die ersten Knaller auf der Straße. Das mag ich gar nicht, vor allem, weil es so viele gelangweile, kaum empathische Menschen gibt, die der­lei vom Balkon oder in geschlossenen Räumen werfen. Ein Bekannter einer Freun­din war Berufsmusiker, bis neben ihm in der U-Bahn so ein Teil explodierte. Ich ge­he in diesen Wochen nur mit Ohropax aus dem Haus, muss dann auf meine ge­lieb­ten Kultur- und Politiksendungen des französischen Hörfunks über Kopfhörer ver­zich­ten.

Wie gestalten Sie Ihren Garten, Ihr Haus oder Ihre Wohnung?
Zunächst muss ich sensible Pflanzen und einiges an blauem Glas in die Wohnung holen, was auf dem Balkon den Sommer verbringt. (Mit dem blauen Glas "ankere" ich diese Farbe, denn der Berliner Himmel ist nur einige Wochen im Jahr rei­se­pros­pekt­taug­lich.) In der Wohnung weisen nur wenig selbstgebastelte Sachen auf den Winter hin aber nie vor Anfang Dezember! Freitag sah ich in Ber­lin überall schon Weihnachtsdeko, vor Totensonntag! Das stört mich genauso wie die Armeen von Schokonikoläusen, die zuverlässig exakt dann in der Quen­gel­zo­ne der Su­per­markt­kas­sen aufmarschieren, wenn die Sonnenbrillen und Strohhüte von den Son­der­ver­kaufs­flächen abgeräumt worden sind.  

Welche Bücher lesen Sie jetzt oder haben sich vorgenommen zu lesen?
In meinem Arbeitszimmer stapeln sich ungefähr 30 Bücher in drei Sprachen, alles queerbeet. Ja, in der dunklen Jahreszeit lese ich (noch) mehr als sonst.

Und die Frage aller Fragen: kaufen Sie jetzt schon Geschenke ein? 
Jein, weil hier schon viele Präsente warten. Als Kind einer kinderreichen Familie habe ich in der Regel im August die ersten Sachen in der Hand, bei denen ich ans Jah­res­en­de denke.


So, ich werfe das Stöckchen bei Texttreff.de in die Luft, wer fängt es wohl auf?
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Foto: C.E. (Archiv)

Donnerstag, 21. November 2013

Wer den Cent nicht ehrt ...

Bon­jour, wel­come, gu­ten Tag oder Abend! Sie sind punkt­genau in der Ar­beits­welt einer Sprach­mitt­lerin ge­lan­det. Was ich mache? Hier schrei­be ich über meine Tä­tig­keit als Dol­met­scherin und Über­setzerin. Vor der eigentlichen Arbeit liegt aber die manchmal peinvolle Phase der Honorarverhandlung.

Wir tippen die Farbe von den Tasten ...
... ist des Euros nicht wert, das stimmte früher, als die Redensart noch anders ging, das gilt auch noch heute. Gefeilscht wird manchmal um kleine Be­trä­ge, so kennen wir es. Einem guten Kunden geben wir gerne einige Prozent Rabatt, denn re­gel­mä­ßi­ge Aufträge in hohem Umfang reduzieren den Mar­ke­ting- und Verhandlungsaufwand. Anders ist es, wenn sehr große Nachlässe eingefordert werden, zum Teil geschieht das ziemlich direkt.

Es fühlt sich mitunter so an, als hätte mit Beginn der Spekulationskrise, deren Folgen auf die Staats­haus­halte abgewälzt wurden, manch einer seine gute Kinderstube vergessen. Da kommt schon mal ein sehr bestimmtes: "Bei dem Umfang muss das billiger zu haben sein." Wer sagt das? Jemand, der zum Beispiel irgendein digitales Pinökel in China bau­en lässt und weltweit vertreibt. Wie rechnen ei­gent­lich un­se­re Kun­den?

Die Entwicklung des Pinökels hat die Summe X gekostet, das Investment muss sich über den Ver­kauf möglichst rasch amortisieren. Ist das vorab investierte Geld wieder eingespielt, also einige Zeit spä­ter, ist die Konkurrenz sicher auch schon so weit: Sie hat das Mo­dell (irgendwo im Ausland) abgekupfert oder so ver­ein­facht, dass sich kein Patentgericht dafür in­te­res­siert. Sie verkaufen billiger als "unsere" Firma.

Da die Ent­wick­lungs­kosten (hoffentlich!) wieder zurückgeholt sind, wird nun die Beispielfirma ihren Preis senken, um im Wettbewerb besser da­zu­ste­hen. (Ja, ich weiß, manche Erfindung ist schnell geklaut; deshalb müsste das An­zapfen deutscher Datenströme der Kanzlerin im Grun­de ein sehr gro­ßer Dorn im Auge sein.) Zurück von der Situation des Anrufers zu jener der Angerufenen.

Wir Übersetzer und Dolmetscher entwickeln gar nichts, es sei denn, die eigenen Sprachkenntnisse über die Jahre weiter. Außerdem nimmt die Anzahl der Fachgebiete, in denen wir arbeiten, besten­falls regelmäßig zu. Bei der konkreten Arbeit müs­sen wir allerdings immer wieder von vorne an­fan­gen, wir sitzen immer die gleiche Zeit an Kabinen­pult oder Schreibtisch. Jede neue Arbeit ist wie eine Neuentwicklung.


Natürlich können wir auf Erfahrung zurückgreifen, können eventuell ein "Trans­la­tion Memory System" nutzen, also eine Art digitales Kontextwörterbuch, das aus früheren Pro­jek­ten ähnliche Lösungen herausfiltert und anbietet, mehr allerdings nicht. (Und gerade im künstlerischen Bereich sind solche Übersetzungsspeicher sinnlos. Ich habe mir nie eins angeschafft.)

Kurz: Unsereiner entwickelt jedes Mal neu, testet den "Protoypen", entwickelt ihn bis zur |Marktfähigkeit| Abgabefähigkeit: Das bedeutet übertragen, nachschlagen, feilen, lernen, üben und am Ende doch noch einmal Korrektur lesen. Oder wie zu Wo­chen­an­fang. Da musste ein schon im Sommer abgeschlossenes Projekt aufgrund eines Computerproblems über Nacht erneut getippt werden, um vom Kunden wei­ter­be­ar­bei­tet zu werden. Das Schreibbüro hat seine Sache gut gemacht, nur mit den Einzügen, die so ein Drehbuch aufweist, hat es nicht so recht geklappt.

Also habe ich meinen Nachtschlaf verkürzt und saß von sechs bis halb neun Uhr morgens am Schreibtisch, las Korrektur und vereinheitlichte das Layout. (Eine Optimierung hät­te wohl noch mehr Zeit beansprucht.) Hier führt die Masse der Arbeit auch nicht ge­ra­de dazu, dass es schneller geht, hier gilt nur der alte und immer wieder gern zitierte Slogan: Put on some appropriate music. Bite down hard. Get it done.

Den Mehraufwand werden wir unserem Kunden nicht in Rechnung stellen, denn niemand kann nachvollziehen, wo und zu welchem Zeitpunkt sich der Virus, der mit Zeitabstand sein unschönes Antlitz gezeigt hat, eingeschlichen hat.

Dass wir Sprachmittler kostenbewusst arbeiten, liegt oft darin begründet, dass wir Einzelkämpfer sind, die sich häufig zu einem Netzwerk zusammengeschlossen ha­ben (oder mit Kollegen Korrekturdienstleistung tauschen). Anders als so manche große Agentur, die mehr Geld in Werbung und re­prä­sen­ta­ti­ve Büros als in die End­fer­ti­gung investiert, bekommen die Kunden bei uns "mehr Sprachdienstleistung" für ihr Geld. Ein kurzes Beispiel mit Zahlen kommt morgen.


Vokabelnotiz:
Pinökel ist ein umgangssprachlicher Begriff für einen winzigen nadelähnlichen Ge­gen­stand (Herkunft: Ostwestfalen bis Norddeutschland).
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Fotos: C.E. (Archiv)

Mittwoch, 20. November 2013

Küchenutensilien

Hallo! Sie le­sen hier ei­ne Sei­­­te des ersten Web­logs aus dem In­neren der Dol­met­scher­ka­bine. Ich schreibe als Dol­met­scherin und Über­setzerin für die fran­zö­sische Spra­che und aus dem Eng­li­schen über un­se­ren Beruf­sall­tag. Eine Liebe zu Spra­chen haben sicher alle von uns schon im Kindesalter entwickelt.

Gestern und heute habe ich mich jeweils verschrieben beim Versuch, einen kurzen Blog­ein­trag zu texten. "Verschrieben" möchte ich hier im Sinne wie "verlaufen" oder "verirrt" verstanden wissen. Das ist eine individuelle Verwendung der Sprache, ich genehmige sie mir, aber ich dränge sie niemandem auf.

Mancher fremde Sprachgebrauch wird einem als Bürger mitten in Europa von den Bildungseinrichtungen aufgedrängt. Auch dann, wenn Begriffe allzusehr nach ei­nem schlechten Kalauer klingen.

Drei Kochlöffel mit Loch darin: LochlöffelRückblende: Marburg an der Lahn, vergangenes Jahr­hun­dert. Im polytechnischen Un­ter­richt der hessischen in­te­grier­ten Ge­samt­schu­le hatten wir Haus­wirt­schafts­un­ter­richt. Ich fand das gut und lehrreich. Mein Cousin in der DDR ging schließ­lich auch auf eine poly­tech­nische Ober­schu­le, und viel über Technik wollte ich auch lernen.

Wenn da nicht die Klassenarbeiten gewesen wären! Die Fragen waren oft an Ein­fäl­tig­keit kaum zu überbieten. Einmal, wir hatten gerade diverse Kü­chen­ge­rät­schaf­ten durchgenommen, sollten wir auf die Frage antworten: "Wie nennt man einen Kochlöffel mit Loch darin?"

Für den Fortgang der Geschichte muss ich jetzt erzählen, dass wir an Grup­pen­ti­schen saßen, dass ich in allen Fächern außer Mathe einigermaßen gute bis gute Noten hatte und dass ich zu denjenigen zählte, die den Ton angaben. Außerdem war ich gerade erst mit 12 Jahren große Schwester geworden, weshalb ich in der Fach­un­ter­richts­stunde vor der Klassenarbeit zu Baby und Mutter ins Krankenhaus durfte.

Aus Gründen, an die ich mich nicht erinnere, verließ die Lehrerin kurz den Klas­sen­raum, ich wurde angestupst, Finger deuteten auf die bewusste Frage. Ich zuckte mit den Achseln und ließ ein als Kalauer gemeintes: "Bestimmt Lochlöffel" fallen.

Wenig später erhielten wir die Klassenarbeiten zurück. Vor unserem Tisch stehend sagte die Lehrerin: "Hier sitzen fünf, die sehr gut aufgepasst haben, denn alle haben die Kochlöffelfrage völlig richtig beantwortet! Alle, bis auf eine ..." Ich wurde trotzdem auch gelobt dass ich nicht abschreiben würde, sei hiermit bewiesen. Die Frage wurde zudem nicht gewertet, denn ich hatte den Stoff ja wegen Ba­by­be­suchs­ur­laubs verpasst. Ja, ich glaube, wir haben manche unserer Lehrer nicht ernstgenommen.

Verwissenschaftlichung von Nicht-Wissenschaftlichem heißt das.

Aber sonst war die Schule toll. Viel besser, als das naturwissenschaftliche Gym­na­si­um in Baden-Württemberg, auf dem ich mich anschließend einige viel zu lange Jahre mit zum Teil rechts­ex­tre­mem Lehrpersonal herumquälen musste. Unser Chemie-Fachleiter, der mich besonders gepiesackt hatte, ließ sich mit Eintritt ins Rentenalter von den Re­pu­bli­ka­nern aufstellen. Mal 'ne Frage: Wurde ihm eigentlich auch aus an­ti­de­mo­kra­ti­schen Gründen die Pension gekürzt, wie es mit den DDR-Funktio­nä­ren und anderen im Staatsapparat tätigen (z.B. Chefdolmetschern) der Fall gewesen ist?

Aber das ist eine ganz andere Geschichte.


P.S.: Mit Bildungsstudien lässt sich noch heute nachweisen, dass in der DDR im Schnitt die besseren Schulen standen, ging es hier doch um den positiven Wett­be­werb, möglichst viele Talente zu entdecken und zu fördern. Im Westen hing/hängt schulischer Erfolg oft vom Nachhilfebudget der Eltern ab; das gräßliche Wort "Se­lek­tion" führte nämlicher Chemiefachleiter täglich ins Feld.
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Foto: C.E.

Montag, 18. November 2013

Mark Twain (1)

Bon­jour! Hier bloggt eine Dol­met­scher­in und Über­setzer­in für die fran­zö­sische Sprache. Die­ser Tage eile ich zwischen Kabine und Bibliothek hin und her. Tags­über sind noch Ka­pazitäten frei, abends erhole ich mich mit dem guten Buch ...

Mal wieder Mark Twain zur Hand genommen, nachdem ich mit den weltbesten Patensohn bei seinen Schritten von der Kinder- zur Jugendliteratur begleiten durfte.

Twain (1835–1910) reiste 1878 durch Deutschland. Was er darüber schrieb, liest sich stellenweise, als hätte es ein angeschwipster Anthro­po­lo­ge verfasst. Die Deutschen beschrieb er als "warmherzig, gefühlvoll, impulsiv, be­geisterungs­fä­hig, beim zartesten Anstoß kommen ihnen die Tränen, und es ist nicht schwer, sie zum Lachen zu bringen." OK, keine Einwände, Euer Ehren!

Mit der deutschen Sprache wurde er nicht warm. Sein Résumé: "Die deutsche Sprache sollte sanft und ehrfurchtsvoll zu den toten Sprachen abgelegt werden, denn nur die Toten haben die Zeit, diese Sprache zu lernen." Meine heiße Lese­empfehlung, "Die schreckliche deutsche Sprache", ist auch online lesbar.

Der Text ist zudem für Dolmetscher relevant, ich sage nur 'das Verb kommt am Ende'. Na, dann kann die Welt aber mal froh sein, dass es uns Übersetzer gibt. Wir sind, laut Twain, "verwegene Kämpfer, die den Turm von Babel angreifen.“

Dann ist ja alles klar. So, nun will ich mal weiterkämpfen, am Abend weiterlesen.

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Foto: M.T. (Wikimedia, creative commons)