Dienstag, 30. Oktober 2012

Die kein Namensschild haben

Willkommen auf den Seiten meines Blogs. Ich arbeite mit Sprache und berichte hier über Dolmetscher und Übersetzer ... aus subjektiver Perspektive. Meine Arbeitssprachen sind (bilateral, also in beide Richtungen) Französisch und Deutsch, zudem arbeite ich in einigen Fachgebieten auch aus dem Englischen. Wenn ich nicht dolmetsche, sitze ich oft am Übersetzerschreibtisch.

Die Subjektive der Dolmetscherin: Vor mir Papier, Stift, Computer, die Redner haben ihre Schilder. Und vom Publikum sehe ich nicht viel, nur das Licht hinter den Fenstern ...
Wenn Filmleute Zeit auf der Bildebene gewinnen müssen, weil im Ton etwas passiert, nennen sie das "metern".
Den Ausdruck habe ich auch schon von Kameramännern gehört, die nicht erfreut waren, im Rahmen von immer knapper werdenden Zeitbudgets mehr zu schneidendes Material am Tag herstellen zu müssen.

Heute habe ich auch gemetert. Auf dem Weg vom morgendlichen Dolmetscheinsatz wurde ich von der Straße weg für den nächsten verpflichtet, per Mobiltelefon, 49 Minuten vor dem Einsatz. (Ich hab mich natürlich über den Auftrag gefreut, aber das war bei weitem mein Buchungskurzfristigkeitsrekord.) So waren dann meine Wege "metern", die konsekutiv verdolmetschten Gespräche bzw. Beiträge auch: Es war durchweg interessant, nur leider höchst anstrengend.

Ich weiß nicht, was diese Woche los ist. Wo ich auch hinkomme, überall schlechte Akustiken. (Die Woche ist noch jung, ich wünsche mir positive Überraschungen).
Ein Einsatzort war eine Kirche, da passten die vorhandenen Kugelmikros nicht zur gesprochenen Sprache. Auch hat mich der Redner beim Sprechen immer angesehen, sich damit vom Mikrophon weggewandt, wie mir nachher berichtet worden ist, weshalb der O-Ton nicht so gut verständlich war. (Das muss ich mir merken, beim nächsten Mal auch darauf achten!)

An einem anderen Ort gab es die ganze Zeit Echos ... es klang wie einst die Hinterbandkontrolle. Bei den alten Bandmaschinen, auf denen das lief, was anno dazumal "Schnürsenkel" genannt wurde, wurden von Toningenieuren für die perfekte Tonüberprüfung oft die "Hinterbandkontrolle" angestellt, also der Ton von einer Stelle hinter dem Aufnahmekopf abgenommen. Da hörten wir in der Sprachaufnahme parallel Ton 1: direkt, durch den kleinen Studiolautsprecher, und Ton 2: zeitversetzt ... Beim Dolmetschen allerdings führte es dazu, dass ich erst ein Wort dachte, es aussprach und es mit minimalem Zeitverzug selbst hören durfte. Die Sache ist als Vorgang ja Silbe für Silbe zu multiplizieren an Sprachbestandteilkonfusion im Dolmetscherhirn.

Ach so, und mir ist noch eine Definition für unseren Stand der Sprachmittler eingefallen, bei öffentlichen Veranstaltungen stimmt das in der Regel: Wir sind jene, die kein Namensschild haben. Dafür gab es schöne Komplimente. Und eine Frau meinte, das hat mir gefallen: "Sie haben mit so viel Liebe übersetzt! Es war zu spüren, dass Sie den Beruf lieben, den Sie ausüben!"

Sowas kommt nur noch selten, daher besonders vielen Dank, und es ist ein schönes, zudem kostengünstiges Treibmittel.

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Foto: C.E.

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