Mittwoch, 29. August 2012

Autsch!

Hallo, hier lesen Sie, was Sie sonst niemals hören würden, denn hier berichtet eine Dolmetscherin aus dem Inneren einer nach DIN schallisolierten Kabine. Ich lebe und arbeite in Berlin, Paris und dort, wo ich gebraucht werde — und ich notiere hier so manches, was Kollegen und mir bei der Spracharbeit in Berlin, Paris und anderswo auffällt ... (wenn ich nicht gerade am Übersetzerschreibtisch sitze). Wie Sie uns erreichen und buchen können, steht übrigens gleich rechts.

Verwaschene Hinweistafel aus einer Holzfabrik: Arbeiten Sie immer mit Arbeitsschutz ("travaillez toujours avec le protecteur". Dem armen Krokodil wurde von der Schneidemaschine der schöne, lange "Schnabel" in viele kleine "Partituren" verhackstückt ...
Arbeiten Sie immer mit Arbeitsschutz
Es gibt Tage, da läuft in meinem sprachbetonten Alltag alles akustisch prima. Und an anderen Tagen funken sie uns böse rein, selten sind es echte Funkgeräte wie die irgendwelcher Privatleute, weitaus öfter stört uns das Knatter-knatter-pieps-piiieps der Mobiltelefone. Oder aber es gibt eine andere Störquelle im Raum. Sowas wie neulich fürchten wir immer.

Die Technikprobe eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn war problemlos verlaufen, da hatte man aber das Zusatzlicht für die Videokamera zwischendurch wieder ausgeschaltet. Als es dann losging, hörte ich erst das Podium, dann Knurps-knurps-knack-knack und dann ein echtes Funkloch, einundzwanzig, zweiundzwanzig, dann war der Ton wieder da. Wenig später: Knurps-knurps-knack-knack und Funkloch, dann durfte ich weiter die Rede verfolgen.

Dieses Stakkato war natürlich nicht nur schmerzhaft fürs arme Ohr, das sich dauernd anstrengen musste, um alles mitzubekommen, es konnte möglicherweise auch peinliche Auswirkungen haben: Mir fehlte immer wieder ein Fitzelchen Info, das in diesen gefühlten 2,5 Sekunden zwar die geneigte Hörerschaft im Raum, nicht aber die Dolmetscherkabine erreichte. Okay, wir waren bei der Begrüßungsrunde, das ist wie beim Dolmetschen von Eheschließungen: Personal bekannt, Text auch. Bei derlei schalte ich auf Autopilot und |singe| spreche sowieso lieber vom Blatt, die Namen der beteiligten Menschen und |Trauzeugen| Institutionen zum Beispiel. Aber gleich sollte es tagungsmäßig richtig kompliziert zur Sache gehen.

Ich drückte also die Räuspertaste, klopfte an die Scheibe und winkte dem Techniker, der griff mit einem ebenso entsetzten Gesichtsausdruck zum Kopfhörer wie die Dolmetscherkollegin, die gerade noch ihre Sachen auspackte. (Ich weiß, beide hätten schon zuhören sollen, aber in der Routine gingen erstmal alle davon aus, dass es nach der Technikprobe, die der Techniker und ich alleine gemacht hatten, einfach so weitergeht.)
Die Kollegin jedenfalls, sie saß näher am Ausgang als ich, sprang ebenso schnell aus der Box raus wie die berühmte Figur aus dem Kästchen, die mit der Spiralfeder unten. Sie stellte ihren Stuhl in die Kabinentür, ich schaltete auf ihr Mikro um und lauschte direkt in den Saal hinein. Währenddessen schwitzte der Techniker an Technik- und Stomverteilerpult.

Was es genau war, weiß ich bis heute nicht, die Reparatur hat ein Weilchen gedauert. Vielleicht wurden plötzlich beim hauseigenen Verteilerkasten, den normalerweise an der Wand hinter der Kabine ein schöner Wandvorhang verdeckte, durch die zusätzlichen Stromverbrauche irgendwelche historischen Sicherungen oder Leitungen genutzt oder die Masse dessen, was da auf einmal insgesamt durchfloss, wirkte sich als störendes Magnetfeld aus. (Das ist jetzt allerdings nur |Milchmädchen-, ähhh...| Dolmetscherinnentheorie, "in Strom" kenn' ich mich echt nicht aus.) Zwischendurch gab es beim Hin- und Herschalten nochmal einen kathedralen Nachhall im Raum, wohl auch, weil das Podium mit direktem Blick auf uns natürlich merkte, dass was nicht stimmte, inzwischend auch nervös an seiner Technik rumfingerte und sich dabei auch noch sprachlich ein wenig verstolperte. Autsch! Aber das ist eine andere Story.

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Foto: C.E.

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