Samstag, 23. Juni 2012

Eike Schönfeld

Willkommen beim digitalen Arbeitstagebuch  einer Dolmetscherin und Übersetzerin mit Wohnort Berlin. Sie interessieren sich für Dolmetschen und Übersetzen? Dann sind Sie hier richtig. Als Dolmetscher arbeiten wir mündlich, als Übersetzer schriftlich, oft für Wirtschaft, Politik, Literatur und Kino. Dafür ist viel Geduld nötig. Noch geduldiger müssen Literaturübersetzer sein.

Der Wiener "Falter" hat den Übersetzer von Jonathan Franzen interviewt.
Hier geht's zum lesenswerten Gespräch mit Eike Schönfeld, der sich selbst einen
„Komplizen des Autors“ nennt.

Der Hamburger gehört zu den sehr produktiven Kollegen, die ihre Arbeit literarischen Übersetzungen widmen, allein vier Bücher kamen binnen Jahresfrist in seiner Mitwirkung auf den deutschen Markt. Im Gespräch berichtet er von seinen langen Arbeitstagen, "von neun in der Früh bis sechs, sieben, acht Uhr am Abend (...) – natürlich mit Unterbrechungen", und darüber, wie er am Ende abschaltet, er löse nämlich "ein, zwei schwierige Sudokus – irgendwas, was den Wörterwust aus dem Kopf treibt."

Bei Büchern, die hohe Verkaufszahlen erwarten lassen, arbeiten literarische Übersetzer inzwischen fast schon unter den Bedingungen die wir so kennen. Schönfeld spricht in diesem Zusammenhang davon, dass er fast Akkordarbeit leiste. Die Verlage gingen nämlich davon aus, dass ihnen bei späterem Erscheinen zwischen einem Viertel und einem Drittel der Auflage wegbrechen würde.

Auch über die heikle Frage der Honorierung spricht der literarische Übersetzer im "Falter". Die Entlohnung der Arbeit sei genreabhängig, für englische Belletristik erhalte er 18 bis 22 Euro pro Normseite, für Krimis deutlich weniger. Die Beteiligung an den Verkaufserlösen läge ab 5.000 verkauften Exemplaren bei einem, zwischen 10.000 und 15.000 bei einem halben bzw. einem Dreiviertel Pro­zent.

Damit habe sich die prozentuale Beteiligung verschlechtert. Schönfeld nennt das Beispiel seines früheren Bestsellers, den er übersetzt hatte, Jonathan Franzens „Freiheit“. Hier habe er ab dem 50.000sten Exemplars die Hälfte, bei 100.000 eine weitere Hälfte des Ersthonorars bekommen, damals unterm Strich also das doppelte Honorar.

Manche übersetzte Bücher erreichten auch die Verkaufstische der Buchhandlungen nur, weil es sich um "Prestige-Unterfangen" handele. Stipendien erleichterten mitunter die Arbeit, oft sei dieser Beruf aber "mit Verzicht verbunden (...) Man subventioniert sich sozusagen selbst".

Das höchst lesenswerte Gespräch streift außerdem die Themen Sprachwitze, Fehler im Text, parallel übersetzte Bücher und das Heinrich Böll'sche „If in doubt, cut it out“.

Zum Schluss noch ein Satz des fragenden Falter-Mitarbeiters Klaus Nüchtern, der mir besonders gut gefallen hat: "Schlechte Übersetzungen erkennt man da­r­an, dass sich die Konturen der englischen Syntax durchdrücken wie die Rippen eines Magermodels bei der Sommerkollektion."


Wir lesen uns hier erst Dienstag wieder ... langes Wochenende! 
Das Sonntagsbild fällt aus.
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