Dienstag, 13. März 2012

Abspannordnung

Bonjour auf den Seiten eines Logbuchs aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. Manchmal texte ich meine Einträge aber auch am Schreibtisch oder in der Abstellkammer bei den alten Akten, denn ich bin Übersetzerin und Dolmetscherin für die französische Sprache, da gehört das Nachschlagen zum Alltag. In den letzten Jahren konnte ich mich auf Medien, Politik, Kino und Gesellschaft spezialisieren. Und immer sammele ich Vokabeln, nicht nur Begriffe wie Schuldenbremse, ungedecke Leerverkäufe oder Euro-Schutzschirm ...

Es soll ja noch Worte geben, die weisen bekannte Suchmaschinen nur an einer einzigen Stelle im Internet aus. Ein Beispiel dafür ist das schöne Wort „Abspannordnung". (Wenn Sie den Link nach Dienstag, dem 13.03.2012 um ca. 00:45 Uhr MEZ, anklicken, gibt's mindestens zwei Verweise, woran dann dieser Eintrag hier schuld ist.)

Neulich lasen wir wieder mal einen dieser 120-Seiten langen Produzentenverträge Korrektur. In den letzten Jahren hatten wir davon schon mehrere auf dem Schreibtisch, und weil Filmverträge jeder Couleur gespickt mit Fachvokabular sind, landen sie bei uns hinterher nicht im Reißwolf.

Insgesamt kommen wir bereits auf 4 ½ Pappendeckel voller Texte. Anhand der einzelnen Fassungen ließe sich schön nachvollziehen, wie aus manchem handlichen Mustervertrag, der aus Paris zu uns gelangte, innerhalb von anderthalb Jahrzehnten ein Werk von der Dicke eines Schmökers wurde, sofern wir es denn im Tachenbuchformat ausdrucken wollen würden.

Dabei ist immer wieder überraschend, wie haargenau alles festgelegt wird. Hübsch ist zum Beispiel stets das vertraute Wiedersehen mit den Schriftgrößen: Die Buchstaben, die Stellen und die jeweilige Dauer der Einblendungen von Namen der Beteiligten in Vor- oder Abspann sind hier detailliert aufgeführt. Auch hier festgelegte Tagegeldabrechnungsmodi oder aber der Umgang mit Altersfreigaben und anderen Zensurmaßnahmen sind an dieser Stelle zu würdigen, wo auf Deutsch die Verantwortlichkeiten anders zugeschnitten und definiert werden. (Ich muss da immer an das herrlich unklare und sehr deutsche Wort "Filmbewertungsstelle" denken.)

Beim Korrekturlesen suchte ich zwischendurch kurz die Bestätigung für "Tafel" als Übersetzung von le carton als eigenständig eingeblendeter Texteinheit und gab den Begriff zusammen mit dem Wort "Abspann" ein. Der Webbrowser Firefox wies mir an erster Stelle prompt einen Abspann aus, der mir nicht unbekannt war, weil eine Kollegin und ich sebst in ihm selbst vorkommen, und zwar zum Film "Es kommt der Tag" von Susanne Schneider. (Über diese Arbeit schrieb ich wiederholt.)

Der Vorgang hat mich peinlich berührt. Es war ungefähr so, wie als ich zum ersten (und bislang einzigen) Mal während meiner Volontariatszeit, ich war u.a. beim SFB, per Radiowecker von der eigenen Stimme geweckt wurde (der Beitrag war am Vortag für die "Vormittagsschiene" entstanden, die Frühsendung hatte ihn übernommen). Was für mathematische Häufigkeiten teste ich da an banalen Bürotagen eigentlich aus?

Am Ende fehlte uns beim Korrekturlesen noch eine Fernsehvokabel ... ich suchte, weil ich mich da dunkel an meine TV-Zeit erinnerte, und siehe da, das Wort "Abspannordnung" gab es in der weiten Welt des Netzes bis dato nur einmal, indes: die Fundstelle war leider nicht hilfreich. Wären nur die alten Fernseherordner nicht längst im Schredder gelandet …

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Foto: Katalogfund

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