Mittwoch, 14. Oktober 2009

Umschalten

Wir sitzen in den Vorzimmern der Macht. Eben noch geht es um Fragen der aktuellen Politik, da wird, als die Getränke hereingebracht werden, die Runde ein wenig privater. Der Gastgeber erzählt, dass seine Lebensgefährtin seit einigen Wochen lebensbedrohlich erkrankt ist, es fallen Worte wie Hinterhauptsloch, drohende Querschnittslähmung, Intensivstation. Alle schweigen, sind in sich gekehrt. Ich muss sprechen. Für mich als Dolmetscherin ist der Wechsel des Themenfelds von Koalitionsthemen und Verfassungsrechtlichem hin zu medizinischem Fachvokabular hart. Mein Hauptproblem: eines dieser Worte, eben jenes Hinterhauptsloch (le trou occipital), kenne ich nur vom Lesen; ich zögere wegen Unsicherheiten in der Aussprache.

Auch den anderen fällt es offensichtlich schwer, umzuschalten, die vertraulichen Informationen bewegen alle Beteiligten. Zumal, wie sich später herausstellt, jeder der Anwesenden an einen Menschen in seinem Umfeld denkt.

Im Gespräch konzentriere ich mich auf die richtigen Worte aus einem ungewohnten Bereich. Erst beim Verlassen des Raumes erfasse ich die Bedeutung richtig, die Gefühle zum Gesagten überfallen mich wie eine kalte Dusche. Geschützt im dunklen Dienstwagen, auf der Fahrt in ein anderes Ministerium, weine ich leise.

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