Samstag, 27. Dezember 2008

Zahlworte

In ihrem Umfeld spricht jemand eine Fremdsprache bis kurz vor der Perfektion? Abgesehen davon, dass diese Sprache dann strenggenommen keine "fremde Sprache" mehr ist, gibt es einen Test für die Sprachbeherrschung: Zahlen und Rechnen.

In welcher Sprache wird Geld abgezählt, ein Termin vereinbart oder halblaut vor sich hingemurmelt eine Telefonnummer gewählt? Hieran lässt sich ablesen, wie weit die Sprache zum Teil des Sprechenden geworden ist, wie sehr sie gelebter Alltag ist.

Wobei es für Deutschlernende schwierige Momente gibt. Nehmen wir die 21 - ausgesprochen "einundzwanzig", auf Französisch vingt-et-un, zwanzig und eins, also in der gleichen Reihenfolge, wie die Zahl auch geschrieben wird. Nun kämpfen auch in Deutschland Mathematiker für die logischere Aussprache der Zahl als "zwanzig-eins". Das bringe pädagogische und wirtschaftliche Vorteile, denn Kinder lernten schneller rechnen und Fehler durch Zahlendreher und fehlerhaft übermittelte Zahlen würden vermindert.

Wie ich in einem Artikel der Wiener Zeitung "Die Presse" entnehme, ist diese Verdrehung ein Erbe des Indogermanischen. (Und ich dachte immer, wir verdankten dies arabisch-semitischen Einflüssen!)

Die indogermanische Schreibweise sei 4000 Jahre alt, damals habe man Einerstellen mit einem Strich, Zehnerstellen mit einem Kreuz geschrieben. Die Zahl 13 wird demnach so dargestellt: IIIX und von links nach rechts auch "dreizehn" gelesen. Dann kamen die Römer - und schrieben diese Zahl so: XIII, gesprochen wird sie indes unverändert.

Warum mich das als Dolmetscherin interessiert? Beim Dolmetschen müssen wir nicht nur zwischen den Sprachen schalten, sondern auch zwischen unterschiedlichen Logiken, denen die Zahlworte folgen. Zahlen und ihre Erkennung läuft nur über die Sprache, die Transferarbeit ist aber doppeltes Um-die-Ecke-Denken. In der Kabine schreiben wir deshalb die Zahlen meist für einander auf.

Journalistin Veronika Kreyca bringt in ihrem Artikel auch noch Beispiele aus anderen Kulturen. Denn der Zahlenkuddelmuddel wächst nicht nur auf Deutsch bei mehrstelligen Zahlen exponentiell. Denken wir nur an "Vier-und-neunzig-tausend-drei-hundert-acht-und-siebzig", was auf Französisch "quatre-vingt-quatorze mille trois cent soixante-dix-huit" ergibt (auf Deutsch: vier-zwanzig-vierzehn-tausend-dreihundert-sechzig-achtzehn - eine kleine Matheaufgabe!)

Ungemein tröstlich auch die Information, dass die Diskussion über logischere Zahlensprechung in Deutschland seit 1520 andauert, als der Rechenmeister Jakob Köbel vorschlug, die Zahlen ab 13 anders als üblich wiederzugeben ... Und in Frankreich?
______________________________
Buchtipp: Gerritzen, Lothar (Hg.): Zwanzigeins. Für die unverdrehte Zahlensprechweise. Fakten, Argumente, Meinungen. Universitätsverlag Brockmeyer, Bochum 2008, 166 Seiten.

Keine Kommentare: