Mittwoch, 23. Juli 2008

Sommergedanken

Bienvenue auf der Seite einer Spracharbeiterin. Ich biete an: Dolmetschen und Übersetzen und da ich im Nebenberuf Autorin bin, auch Rewriting und Moderation. Französisch ist meine zweite Arbeitssprache, Englisch meine "passive" Sprache.

In den Sommermonaten sind Dolmetscherin und Büro nur einen bis zwei Tage in der Woche aktiv. Sie erreichen uns wie gewohnt mobil, wir helfen wie immer gern weiter, auch im Sommer ist das Netzwerk für Sie da.

Währenddessen überlegen in Berlin die Fernsehleute, ob sie Barack Obama an der Siegessäule live untertiteln sollen oder doch lieber dolmetschen. Und die Kanzlerin, die anders als ihr Vorgänger simultane Verdolmetschung bevorzugt, macht sich weiter modische Gedanken über ihre Frisur, darüber schrieb die Süddeutsche. Abgesehen vom verzeihlichen Fehler, dass der Autor des Artikels den Unterschied zwischen Übersetzern und Dolmetschern nicht kennt, ist sein Artikel höchst amüsant. Die 'Première Dame' Deutschlands sei "ein Fan von Simultanübersetzung - das jedoch bringt den Nachteil von Kopfhörern mit sich. Die zerstören bekanntermaßen die Frisur." Angela Merkels Trick gibt's hier. Über das gender mainstreaming von Konferenztechnik machen wir uns ab Herbst wieder Gedanken, Anlässe gibt's dafür genug. Ich denke nur an den Diskussionsleiter, der am Ende der Konferenz die Gäste bittet, doch bitte alle "am Ende des Tages die Dolmetscher auf den Tisch zu legen".

So, und für alle Kollegen und Studenten, die letzten Sommer die wunderbare France Culture-Reihe zur Filmschichte verpasst haben, hier noch der Hinweis auf eine Sommerserie über US-amerikanische TV-Serien und indirekt über die amerikanische Gesellschaft (täglich bis 22.8.), hier geht's zur Hörfunkreihe (und zum Podcast).

P.S. vom Donnerstag, als Obama in Berlin war:

Wie die Rede vor Ort übertragen wurde, weiß ich noch immer nicht, denn ich saß bei Freunden am TV und verglich die Dolmetscher von ARD und ZDF. Die Hochschulen zeichnen derlei für eine spätere Analyse sicher auf, ich habe nur immer dann von ZDF auf ARD geschaltet, wenn eine Pause eintrat, der Kollege vom ZDF war nämlich immer "näher dran" am Originalton (O-Ton). So konnte ich immer noch das Ende der ARD-Verdolmetschung hören. Und hörte:

- eine Schande für uns alle (ZDF) | belastet unser Gewissen (ARD)
- Mauern niederreißen (ZDF) | Mauern einreißen (ARD)
- Kampf mutiger Menschen, der die Apartheit abgeschafft hat (ZDF) | wo der Kampf eines Volkes die Apartheit niederrang (ARD)
- diesen Geist hochhalten zu müssen (ZDF) | diesen Geist neu zu beleben (ARD)
- als dass wir ihnen dort den Rücken kehren dürften (ZDF) | um dort auszusteigen (ARD)
- die diesen gazen Kontinent transzendiert und umspannt (ZDF) | die sich über diesen Kontinent ersteckt (ARD)
- Botschaft aussenden (ZDF) | Botschaft schicken (ARD)
- dass dieser Krieg beendet wird (ZDF) | diesen Krieg seinem Ende zuzuführen (ARD)
- das Kind der Armut entreißen (ZDF) | das Kind aus der Armut befreien (ARD)
- Sinn verleihen (ZDF) | Bedeutung zumessen (ARD)

Diesem Vergleich ist nur schwer "Bedeutung zuzumessen", ohne in den O-Ton reinzuhören. Ich kann aber einen Eindruck äußern, so, wie er auch bei unbelasteten Zuhörern entstehen mag. Ohne Rückgriff auf den Ausgangstext habe ich die mitgekritzelten Verdolmetschungen verglichen und die jeweils moderner klingende Lösung kursiv gesetzt, wie gesagt, es ist rein subjektiv. Meistens ist es der Kollege, der für die ARD dolmetscht, der auf mich in seinem Ausdruck moderner, schlichter und weniger präsidial wirkt. Liegt es an der Rede Obamas? Liegt es am Alter oder an der Vorerfahrung der Dolmetscher? Wurde im politischen Kontext bereits die Leistung der Dolmetscher auf ihre Wirkung auf die Wählerschaft bewertet?

Für uns scheinen diese Fragen auf den ersten Blick irrelevant. In den USA-Vorwahlen ziehen die Kandiaten aber mit Dolmetschern durch die Lande. Nach dem Wettkampf Clinton/Obama veröffentlichten diese ihre Finanzberichte: Hillary Clinton gab 6.244 Dollar für Dolmetscher aus, Barack Obama fast 25.000 Dollar, da er besonders um die spanischsprachigen Wähler geworben hat.
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Merci, Martine Delahaye ! (Le Monde)

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