Samstag, 28. Juni 2008

Vorbereitung: eigentlich immer

Frage: Musst Du viele Filme sehen, denn Du bist ja auf Kino spezialisiert?

Liebe Elly,

spontan würde ich sagen: geht so. Mir fällt das nicht als etwas Besonderes auf, ich sehe viel, verpasse ebenso viel, bin super schlecht in dem, was gemeinhin Mainstreamkino genannt wird. Es gibt aber in Berliner Kinos, bei denen muss ich keinen Eintritt mehr be­zah­­len, weil sie meine Arbeit kennen und Kinomacher halt viel sehen müssen. Übersetzt bedeutet das: Ich bin als ihresgleichen anerkannt.

Gestern Abend hatte ich eine Art Heimspiel mit Jacob Berger, obwohl wir uns bis­lang nur durch frühere Arbeit via Drehbuch, Mail und Telefon kennen. Wenn ich für ein Publikumsgespräch gebucht bin, sehe ich den Film im Vorfeld und gehe dann meist während der Vorführung mit dem Filmemacher essen. Natürlich be­spre­chen wir im Restaurant das aktuelle Filmgeschehen, dann haken wir uns an einem Thema fest und es wird ein Ritt durch die Filmgeschichte, ausgelöst durch eine Motiv- oder Genregleichheit, wir benennen Stärken und Schwächen der Filme und die eigenen Favoriten. (Gestern zum Thema "Politik und Diktatur im Film": Das Leben der Anderen, Der Untergang, Mein Führer von D. Levy, La vita è bella, Train de vie von R. Mihaileanu).

Was nach außen wie ein tête-à-tête aussieht — der Kellner bringt automatisch für das eine Dessert zwei Löffel — macht das anschließende Filmgespräch lebendiger, von denen ich etliche wie gestern Abend nicht nur dolmetsche, sondern auch moderiere. Wir haben Themen gefunden, auf die wir vor dem Publikum zusteuern oder die wir bewusst auslassen können, wir kennen uns ein wenig, gewähren ein­ander Sprechpausen, schieben Bälle hin und her. Mir ist passiert, dass nach nur einem gemeinsamen Nachmittag (Stadtbesichtigung) und Abendessen (wie be­schrie­ben) Leute zu mir kamen und sagten: “Das ist ja ganz wunderbar, wie Sie das zu zweit so machen, und was für ein glücklicher Zufall für Ihren Mann aber auch, dass Sie so gut Deutsch sprechen!” Das war 1999 anlässlich der Deutsch­land­premiere von “Train de vie” des Regisseurs Radu Mihaileanu, dessen Filme ich seither natürlich auch beobachte.

Wobei wir wieder beim Tischgespräch mit Jacob wären. Leider kamen auf einen Schlag sehr viele Gäste, die Küche wurde langsamer, und so müssen wir das Dessert unangetastet stehenlassen, um nicht zu spät zu kommen. Spätestens mit dem Abspann sollten wir für das Filmgespräch eintreffen ...

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Foto: Anne Vassevière, Mitarbeiterin der Film-
abteilung der frz. Botschaft, im Cinéma Paris

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