Samstag, 1. September 2007

Knopf im Ohr

Willkommen auf den Seiten meines virtuellen Arbeitstagebuchs. Hier schreibe ich über den Berufsalltag von Sprachmittlern, über Sprache, kulturelle Unterschiede und Bildungstehmen.

Nicht die Steiftierchen meine ich mit Knopf im Ohr, sondern unsere Dol­metsch­kun­den. Sie sitzen vorn am Podium, stehen im Rampenlicht, während die anderen — wir — in kleinsten schalldichten Kabinen hinter dicken Glasscheiben sitzen. 80 cm Fensterbreite pro Dolmetscher/in steht uns zur Verfügung, der Tisch ist nicht sehr tief, er reicht immerhin für Laptop, einige Dokumente, Mikrophonpult und Wasserglas.

Auch wenn wir von Technik umzingelt sind, so ist unsere Arbeit doch eindeutig "low tech". Wir haben wenig in der Hand, wenn's gut läuft ein Redemanuskript und unsere eigene Vokabelliste, wenig in der Tasche und am besten alles im Kopf.

Wörter puzzlen
Die meisten von uns sind Frauen. Nicht, weil wir so wenig mit Technik am Hut oder so kleine Täschchen hätten, wir Frauen scheinen einfach erfolgreicher zu sein im Multitasking. Denn hier geht es darum, mehrerlei unter Kontrolle zu haben, die Ausgangssprache (Zuhören), die Zielsprache (Sprechen) und das Mischpult (Schalten). Dazu die eigene Fitness (Ablösung nötig?) und natürlich den Inhalt (das Wichtigste!) ...

Warum vermögen es Frauen meist so viel besser als Männer, mehrerlei Menschen und Aufgaben gleichzeitig Aufmerksamkeit zu schenken? Einst, am Lagerfeuer, galt es das Feuer zu bewachen, das Essen, das auf ihm garte, die Brut, auf dass sie nicht ins Feuer falle — und dann war noch die Umgebung im Auge zu behalten, um eventuell heranschleichende Raubtiere rechtzeitig zu bemerken.

Dafür brauchten sie Augen, Ohren und das auf Multitasking ausgerichtete weibliche Gehirn. Dass die meisten Dolmetscher Frauen sind, ist erst seit 1967 so.

Heute sitzen weltweit wesentlich mehr Frauen als Männer in den Kabinen. Nur der Knopf im Ohr ist ohne jeden Zweifel unisex.

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Foto: Archiv

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