Dienstag, 17. Juli 2007

Reinfunken auf Zeit

Dolmetschblog, erstes Jahr: Hier schreibt und denkt eine Überset­zerin und Dol­met­sche­rin, derzeit in Berlin. Ich arbeite aber auch in Paris, Brüssel, Erfurt, Cannes und dort, wo Sie mich brauchen. Manch­mal ergeben sich un­er­war­te­te Stö­run­gen.

Neulich in der Botschaft. Wir alle sind mitten in einem hochkonzentrierten Gespräch, die Ökonomen, die Medienpolitiker, die Beobachter und wir Dol­met­scher. Bei kleinen Gruppen, hier sind wir elf, lässt sich in ein- und demselben Raum auch ohne Simultananlage gut arbeiten, die Grenze liegt bei zwei bis drei Leuten je Sprache, die eine Verdolmetschung brauchen, dann kann gut auch fast simultan geflüstert werden.

Manchmal irritiert es Sprechende, dass, während sie vortragen, jemand reinfunkt oder dagegen "anspricht". So fühlt es sich jedenfalls an. Ich weiß es genau, mir ist das selbst auch passiert, in China, wo ich bei dem Dolmetschergebnis nicht mit­hören konnte, weil ich kein Chinesisch verstehe, und daher selbst erlebt habe, wie sehr das "Verstehen" (im Sinne von "Erfassen") der Si­tua­ion eine geistige Heraus­forderung ist. Ansonsten stellt sich das Gefühl ein, jemand unterbreche einen stän­dig. In solchen Mo­men­ten warten wir Dol­met­scher immer, bis der- oder die­je­ni­ge fast fer­tig ist, um anschließend mit leiser und sanfter Stimme zu übertragen.

Unsere Handys sind aus, und das ist richtig gut so. Nur ein Gast hatte dies un­ter­las­sen und offenbar auch keinen Filter vorgeschaltet, der nur wichtige Anrufer klin­geln lässt. So dürfen wir alle mit anhören, wie der Gast einen Kurzreisebericht aus Berlin gibt.

Wenig später werden wir zehn Minuten Pause angekündigt. Kerstin geht raus, die Kinderabholung für den späten Nachmittag zu organisieren, der Termin war sehr kurzfristig anberaumt worden. Die Diskutanten aber bleiben sitzen — und dis­ku­tie­ren weiter, ich übersetze. Ohne offizielles Pausenende — diese hatte ja nicht einmal begonnen. Als Kerstin nach fünf Minuten wieder reinkommmt und uns kommunizieren sieht, hält sie es für Pausengespräch und gibt noch rasch eine Telefonnummer durch. Dann erst merkt sie, dass wir "in der Sitzung" sind — sie "wieder", wir anderen "noch".

Eine Stunde später, die Handys sind jetzt alle aus oder stumm geschaltet, frage ich mich, während ich dolmetsche, wie spät es sein mag. Mein Handy hat längst die Arm­banduhr ersetzt, das ist ein Phänomen der Zeit. Aber hier in der Runde sind nur zwei Menschen ohne Armband­uhr. Merke: derlei ist ein neues Dis­tink­tions­merk­mal. Und jetzt funkt kein Handy mehr rein und auch die ungeübten Sprecher ge­wöh­nen sich an unseren simultanen Output, in low tech geliefert.

Wobei mir zum Thema "simultan" in Verbindung mit "Funken" noch eine andere Episode einfällt. Wo wir zwar auch "direkt" gedolvmetscht haben, aber übertragen über eine Infrarot- Dolmetschanlage aus der Kabine heraus. Aber plötzlich konnten wir gar nicht mehr "die Stimme im Ohr" unserer Gäste sein, weil in unsere Kopf­hö­rer massiv rein­gefunkt wurde — von Privatfunkern. Manchmal ist auch high tech nicht vor Störungen gefeit.

"Omega, bitte kommen."
"Hier Omega, wo bist du?"
"Ja, also ich bin jetzt noch eine halbe Stunde hier an der Kongresshalle, wo steht ihr?"

Keine Kommentare: